1. Warum eigentlich „Paternoster“?
Das Prinzip des an einer Kette scheinbar endlos umlaufenden Transportmittels stammt aus dem Bergbau. Das mit einer Perlenschnur vergleichbare System erinnert zugleich an den katholischen Rosenkranz, eine als Zählhilfe dienende Gebetsschnur mit kleinen Kugeln. Nach zehn Kugeln für zehn „Ave Maria“ folgt, etwas abgesetzt, eine elfte Kugel für das Vaterunser, oder lateinisch: pater noster. Diese elfte Kugel im Rosenkranz gab dem Aufzug seinen volkstümlichen Namen.
2. Seit wann dreht er sich?
Im Landeshaus geht es seit 75 Jahren rund. Der erste Paternoster der Welt wurde aber bereits 1876 im General Post Office in London für Pakete in Betrieb genommen, seit 1883 durften auch Passagiere mitfahren. Seine Deutschland-Premiere erlebte der Paternoster 1885 in Hamburg, wo eine englische Anlage in das Kontorhaus „Dovenhof“ in der Brandstwiete eingebaut wurde. Das Gebäude wurde 1967 abgerissen, an der Stelle entstand anschließend das Verlagsgebäude des Magazins „Der Spiegel“.
3. Warum ist der Landtagspaternoster bunt?
Die zwölf Kabinen des Paternosters waren bis zum Umbau des Landeshauses im Jahr 2003 dunkelbraun getäfelt. Seitdem erstrahlen sie in den Spektralfarben von Rot bis Violett. Die Idee dahinter: Das Sonnenlicht scheint durch das Erdgeschoss des Landeshauses, vom gläsernen Plenarsaal bis zu den Eingangstüren am Düsternbrooker Weg, und wird unterwegs beim Paternoster in seine Bestandteile aufgespalten.
4. Wie viele Paternoster gibt es noch?
Foto von der Landtagslobby aus früherer Zeit, im Hintergrund mittig der Paternoster.
Foto: Landtag
Der „Umlaufaufzug“ im Landeshaus blieb, abgesehen von den Treppen, mehr als drei Jahrzehnte lang die einzige Verbindung in die oberen Etagen. Erst 1983 wurde ein behindertengerechter Fahrstuhl eingebaut. Wegen der mangelnden Barrierefreiheit und der Unfallgefahr verschwanden die Paternoster langsam aus den Büro- und Amtsgebäuden. Allerdings: In Deutschland ziehen noch etwa 200 dieser Aufzüge ihre Bahnen, davon rund 30 in Hamburg. In Schleswig-Holstein sind es drei, die alle in der Landeshauptstadt verkehren: Neben dem Landeshaus haben auch das Bildungsministerium und das Kieler Rathaus einen Paternoster.
5. Wie kam ein „Bär“ in den Landeshaus-Paternoster?
Der Transport von Tieren per Paternostern ist nicht gestattet, aber in der Literatur haben sie Zutritt. Marlies Jensen-Leier, lange Jahre Mitarbeiterin der SPD-Fraktion, beschreibt in ihrem biografischen Buch „Holm - engHolm und zurück“, wie ihre damals dreijährige Tochter bei einer Feier im Landeshaus Ende der 1970er-Jahre einen Bären kennenlernt, der mit ihr auf Entdeckungstour geht: „Bald nimmt er es [das Kind] an seine weiche Tatze und tapst mit ihm durch die langen Flure und Hallen des Hohen Hauses zum Paternoster. Sie steigen ein. Sie fahren hoch. Sie steigen aus. Sie steigen ein. Sie fahren runter. Sie steigen aus. Kaum sind sie zurück bei der Feier, wo es Honigkuchen und heiße Getränke gibt, da will das Kind noch einmal.“ Die Auflösung: Der „Bär“ in dieser Geschichte ist Hans Wiesen (1936 bis 2013). Der hünenhafte Landwirt aus Bordesholm war von 1975 bis 1998 SPD-Landtagsabgeordneter und von 1988 bis 1998 Landwirtschaftsminister.
6. Warum wurde der Paternoster 2015 zum Thema im Landtag?
Das Ende des Paternoster-Streits 2015: Landtagspräsident Klaus Schlie nimmt den Aufzug persönlich wieder in Betrieb, begleitet von zahlreichen Medienvertretern.
Foto: Landtag
Zum 1. Juni 2015 erließ das Bundesarbeitsministerium eine neue Betriebssicherheitsverordnung. Demnach durften nur noch Beschäftigte, die an einer speziellen Einweisung teilnehmen, auf Paternosterfahrt gehen. Im Landeshaus legte die Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSH) daraufhin den Fahrstuhl still. Angesichts der vielen Besucher könne man die Betreiberhaftpflicht nicht mehr übernehmen, hieß es. Die Folge: Gäste, Mitarbeiter und Abgeordnete mussten einen anderen Aufzug nehmen oder Treppe steigen. Dagegen hagelte es Kritik im Landtag. Von einer „irrsinnigen Vorschrift“ und einer „systematischen Bevormundung“ war in der Juni-Sitzung die Rede. Ein FDP-Antrag mit dem Titel „Historische Personenumlaufaufzüge erhalten“ wurde einstimmig angenommen. Auch an anderen deutschen Paternoster-Standorten regte sich Protest, und die Bundesländer erhoben in Berlin Einspruch. Das Bundesarbeitsministerium brachte daraufhin eine neue Verordnung auf den Weg. Kernpunkt: Paternoster dürfen weiterhin laufen, wenn die Betreiber auf die Gefahren hinweisen, etwa mit Schildern. Die Länderkammer stimmte im Juli 2015 zu - einstimmig.
7. Wie viele Runden hat der Landtagspaternoster insgesamt gedreht?
Zweieinhalb Minuten dauert ungefähr ein Umlauf, inklusive Richtungsänderung im Keller und im Dachgeschoss. Das macht 24 Touren pro Stunde, 576 pro Tag und gut 210.000 im Jahr. Seit 1950 hat der Paternoster also etwa 15.768.000 Rundfahrten unternommen, Reparaturpausen und zwischenzeitliche Stilllegungen nicht mitgerechnet.
Hier geht's rund: Die oberen Zahnräder mit den massiven Ketten und dazwischen zwei nebeneinander stehende Kabinendächer am oberen Wendepunkt des Paternosters
Foto: Landtag, Sönke Ehlers