Die geplante Abschiebehaftanstalt in Glückstadt erhitzt weiter die Gemüter. Die Forderung der Sozialdemokraten, eine Regelung auf Bundesebene gegen eine Inhaftierung von Minderjährigen oder Familien mit Minderjährigen zu finden, quittierten CDU, Grüne und FDP in einer emotionsgeladenen Debatte mit „Scheinheiligkeit“ und „Unredlichkeit“. In namentlicher Abstimmung wurde der SPD-Antrag für eine Bundesratsinitiative, mit der das Aufenthaltsgesetz geändert werden soll, abgelehnt.
Der Streit entzündete sich zum einen an Presseveröffentlichungen der SPD der vergangenen Wochen, vor allem aber an der Frage, ob das Land ohne vorherige Evaluierung der Fallzahlen einer Bundesratsinitiative beitreten soll. Das lehnte die Jamaika-Koalition ab. Es müsse zunächst „eine sachliche Entscheidungsgrundlage“ geben, so der Tenor. Ein entsprechender Änderungsantrag wurde mit den Stimmen der AfD angenommen, SPD und SSW enthielten sich. Trotz Enthaltung seiner Fraktion erregte sich SPD-Fraktionschef Ralf Stegner: „Warum sollen wir prüfen und warten und evaluieren?“, fragte er. Den Koalitionsfraktionen hielt er vor, sich nicht über den richtigen Weg verständigen zu können.
„Keiner will, dass Kinder in den Knast gehen“
Schleswig-Holstein könne nur für den Vollzug tätig werden, habe aber keine Anordnungsgewalt, betonte Burkhard Peters (Grüne). Die SPD verbreite „Unwahrheiten“, wenn sie behauptete, die Jamaika-Koalition würde sich für die Inhaftierung von Minderjährigen oder Familien mit Minderjährigen einsetzen. Das sei immer nur „die Ultima ratio“, so Burkhard. Ein bestehender Landeserlass schließe die Inhaftierung dieser Personen auch „nahezu aus“, betonten CDU, Grüne und FDP übereinstimmend. „Keiner will, dass Kinder in den Knast gehen“, erklärte etwa Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben.
Auch Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) nannte jede Form staatlichen Zwangs als außerordentlich belastend für Kinder und Jugendliche. Daher dürfte eine Inhaftierung „nur im äußersten Fall und zu kürzest möglichster Dauer“ geschehen. Der Minister hob hervor, in einem solchen Fall gehe es „nicht um Willkür oder eine Entscheidung eines einzelnen Mitarbeiters, sondern um eine gerichtliche Anordnung“.
Weitere Stimmen aus dem Plenum:
Serpil Midyatli (SPD):
Wir sollten nicht erst gucken, wo welches Kind inhaftiert ist, wie Sie das wollen. Kinder und Minderjährige gehören nicht in Haft. Schleswig-Holstein könnte Vorreiter für humanitäre Flüchtlingspolitik werden, wo sich die anderen Bundesländer auch mal eine Scheibe abschneiden können.
Aminata Touré (Grüne):
Sie fahren seit Monaten eine fragwürdige Taktik und haben uns einen Kniefall vor den Rechtspopulisten vorgeworfen. Das waren lauter Presseartikel mit den härtesten Vorwürfen. Ich würde mich schämen, wenn ich ein Dreivierteljahr auf diesem Niveau eine Debatte führe und dann so zurückrudern muss.
Barbara Ostmeier (CDU):
Die SPD hat auch gemerkt, dass die Jamaika-Koalition dagegen ist, Kinder, Minderjährige und Familien mit Minderjährigen in Haft zu nehmen. Wir stehen zur Erlasslage: Minderjährige werden nur in Gewahrsam genommen, wenn es kein milderes Mittel gibt.
Jan Marcus Rossa (FDP):
Wir brauchen Instrumente, um unser Recht durchzusetzen, ansonsten machen wir uns lächerlich. Haft dient dazu, Recht und Gesetz durchzusetzen und Ansprüche durchzusetzen. Handelt jemand rechtstreu, kommt er auch nicht in Haft.
Claus Schaffer (AfD):
Was bei der Diskussion übersehen werde, sei, dass es sich beim Vollzug um Regelungen aus dem Aufenthaltsrecht, also um Bundesrecht, handele. Die Diskussion im Kieler Plenum zu führen, löse nur Kopfschütteln aus.
Lars Harms (SSW):‘‘
Abschiebehaft ist eine freiwillige Maßnahme des Landes, Schleswig-Holstein ist bundesrechtlich dazu nicht verpflichtet. Und deswegen muss ich ehrlich sagen, dass ich noch mit diesem Antrag hadere. Für mich steht fest: Abschiebehaft ist keine humane Flüchtlingspolitik! Generell nicht und nie.