Mehr Frauen in die Parlamente – bei dieser Forderung herrscht breite Einigkeit im Landtag. Derzeit sitzen lediglich 23 Frauen unter den 73 Abgeordneten im Kieler Plenarsaal. Wie das Ziel erreicht werden kann, bleibt allerdings umstritten. SPD und Grüne wollen 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts gesetzliche Vorgaben für die Kandidatenaufstellung der Parteien. CDU und FDP setzen dagegen auf Einsicht und bessere Rahmenbedingungen. Im Innen- und Rechtsausschuss und im Sozialausschuss geht die Diskussion nun weiter.
Die Sozialdemokraten hatten die Debatte angestoßen. Sie fordern eine schleswig-holsteinische Bundesratsinitiative, um entsprechende gesetzliche Regelungen zu schaffen. Zwar sei im Grundgesetz die Gleichberechtigung von Mann und Frau verankert, sagte der SPD-Abgeordnete Thomas Rother. Es gebe aber offenkundig eine „strukturell bedingte Benachteiligung“ von Frauen in der Gesellschaft.
Ministerin für „Tandem-Modell“, aber gegen Quote
Im Gespräch sind verschiedene Modelle. Zum einen ist ein gesetzlich festgelegter Frauenanteil von 50 Prozent auf den Landeslisten im Gespräch. Die Plätze würden dann „im Reißverschlussverfahren“ zwischen Männern und Frauen verteilt, so Rother. Zum anderen sei es denkbar, dass die Parteien in den Wahlkreisen jeweils einen Mann und eine Frau nominieren. Die Wähler könnten dann einen Vertreter jedes Geschlechts ins Parlament entsenden – oder auch zwischen Mann und Frau entscheiden müssen.
Dieses sogenannte Tandem-Modell hatte Gleichstellungsministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) vorgeschlagen. Die Politik müsse den Wählern die letzte Entscheidung überlassen und nicht „die Gruppenzugehörigkeit zum entscheidenden Kriterium machen“, so die Ministerin. Sie unterstrich das „Leitbild des Grundgesetzes, dass Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes sind.“ Deswegen stellte sie klar: „Ich bin nicht für Lösungen zu gewinnen, die einer Quote nahekommen.“
Situation in Deutschland „ein Armutszeugnis“
Aminata Touré (Grüne) stellte sich klar hinter die SPD-Initiative. Der derzeitige Frauenanteil in Landtag und Bundestag von knapp über 30 Prozent sei „ein Armutszeugnis für ein Land wie Deutschland“. Damit liege die Bundesrepublik auf Platz 45 in der Welt. Touré kündigt an: „Solange, bis genauso viele Frauen wie Männer in unseren Parlamenten sitzen, werden wir dafür kämpfen.“
CDU und FDP äußerten dagegen verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein Paritätsgesetz. Claus Christian Claussen (CDU) verwies auf das Prinzip der gleichen Wahl. Damit seien „alle Regelungen unvereinbar, die das Ergebnis der Wahl vorher in irgendeiner Form festlegen“. Zur Parteienfreiheit gehöre eine „staatlich unbeeinflusste Aufstellung der Kandidaten“.
„Nicht immer gleich die Verfassung ändern“
Diese Position vertreten auch Parlamentsjuristen, unter anderem im Kieler Landtag, und auch FDP-Fraktionschef Christopher Vogt sah das ähnlich: „Das Wahlrecht sollte regeln wie, und nicht wer gewählt wird.“ Stattdessen müssten die Parteien attraktivere Rahmenbedingungen bieten, etwa familienfreundliche Uhrzeiten für Sitzungen. Sein Ziel sei „echte Chancengleichheit auf dem Fundament unserer Verfassung“, so Vogt. „Wir müssen nicht immer die Verfassung ändern, wenn wir ein Problem haben“, betonte auch Lars Harms (SSW). Es liege an den Parteien selbst, Frauen zum Beitritt und zur Kandidatur zu motivieren. Der SSW habe mit 50,06 Prozent „den höchsten Frauenanteil aller Parteien in Deutschland“ so Harms: „Da sind wir stolz drauf.“
Claus Schaffer (AfD) sprach mit Blick auf den SPD-Vorstoß von einem „Anlegen der Axt an die Demokratie“. Wahlen müssten frei und gleich sein. „Wahlen, die per Gesetz bestimmten Kriterien entsprechen müssen, sind nicht gleich, und Parteien die so verfahren, sind im Kern nicht demokratisch“, so Schaffer. Es gebe „kein Recht einzelner Bevölkerungsgruppen, im Parlament proportional vertreten zu sein“.