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28. August 2020 – August-Plenum

Lieferkettengesetz: Kontroverse um Mindeststandards

Nicht nur auf Bundesebene, auch im Landtag wird das in Berlin geplante Lieferkettengesetz intensiv diskutiert. Liberaler Minister, FDP-Fraktion und AfD sind dagegen.

Lieferketten Textilproduktion Bangladesch
Mitarbeiter der Textilfabrik Viyellatex in einem Vorort von Dhaka arbeiten in der Produktion und nähen T-Shirts. Hier werden hohe Standards eingehalten. / Foto: Archiv Foto: picture alliance/dpa

Der Landtag hat mit Mehrheit ein klares Signal gegen Ausbeutung Kinderarbeit, Hungerlöhne und Umweltschäden bei der Herstellung von Waren in der Welt gesetzt. Die SPD stieß mit ihrem Antrag zu „stärkeren Regeln zur Beachtung von Menschenrechten bei unternehmerischen Aktivitäten“ bei CDU, Grünen und SSW auf Zustimmung. FDP und AfD lehnten den Antrag ebenso wie ein geplantes Lieferkettengesetz auf Bundesebene ab. Jetzt beraten Umwelt-, Wirtschafts-, Innen- und Rechts- sowie Sozial- und Europaausschuss den SPD-Antrag weiter.

Viele Produkte unseres täglichen Lebens werden unter ausbeuterischen Bedingungen hergestellt, begründete Kerstin Metzner den Vorstoß der SPD. 450 Millionen Menschen weltweit sorgten dafür, dass „wir so leben können wie wir leben“. Bei der Suche nach Profiten und billigen Rohstoffen fielen ihre Rechte oftmals „unter den Tisch“, so Metzner. Wie die Redner von CDU, Grünen und SSW betonte sie, die seit vier Jahre geltende freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen sei „kläglich gescheitert“.

CDU kritisiert Wirtschaftsweisen

Lukas Kilian (CDU) unterstützte ein Lieferkettengesetz. „Wir sind in Deutschland erst erfolgreich, wenn wir den internationalen Schutz erfolgreich durchsetzen.“ Es sei richtig, Unternehmen Sorgfaltspflichten aufzuerlegen, auch für ihre Lieferketten. Allerdings, so Kilian, müssten kleine und mittelständige Unternehmen dieses auch leisten können.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU ging auch auf die in den Medien geäußerte Kritik des Chefs der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, ein. Der hatte mit Blick auf das geplante Gesetz für gute Arbeitsbedingen bei der weltweiten Produktion vor massiven Belastungen für die deutsche Wirtschaft gewarnt und davon gesprochen, dass „die Axt an das bisherige Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft“ angelegt werde. „Man kann nur hoffen, dass Herr Feld hier ganz bewusst überspitzt hat. Wenn er nämlich meint, dass der Erfolg der deutschen Wirtschaft auf Menschenrechtsverletzungen, Ausbeutung und Kinderarbeit beruht, dann sollte man meines Erachtens tatsächlich die Axt an dieses System anlegen“, so Kilian.

FDP: „Absurder“ Vorstoß

Joschka Knuth (Grüne) rechnete vor, dass 73 Millionen Kinder weltweit täglich einer Arbeit nachgingen, 2,1 Milliarden Menschen hätten weniger als zwei US-Dollar am Tag und lebten in Armut. „Da braucht es eine Haftung großer Unternehmen für ihre Handlungen, überall“, sagte er. Freiwillige Bündnisse seien oft nicht mehr als eine „reine PR-Maßnahme“, schloss Christian Dirschauer (SSW) an. Er sprach sich für eine möglichst schnelle nationale und europaweite gesetzliche Regelung aus.

Kay Richert (FDP) erklärte, deutsche Unternehmen könnten schon heute für ihr Handeln im Ausland belangt werden. Daher sei das geplante Gesetz „absurd“. Es bürde Pflichten und Belastungen für Betriebe auf, die diese gar nicht leisten können. „Das schadet deutschen Betrieben und Arbeitnehmern, ohne Menschenrechte weltweit voranzubringen“, so Richert.

Warum werde das Lieferkettengesetz gerade jetzt in Corona-Zeiten diskutiert, fragte Volker Schnurrbusch (AfD). Damit werde die deutsche Wirtschaft wieder einmal „unter Generalverdacht“ gestellt.

Europäischer Gesetzentwurf im Sommer 2021

Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) erklärte, ein Lieferkettengesetz sei „nicht der richtige Weg“. Man könne keinen nationalen Aktionsplan für Menschenrechte aufstellen, dessen Verantwortung bei den Unternehmen liege. Gerade kleine und mittelständige Firmen dazu zu verpflichten, sei „unmöglich“. Ein Lieferkettengesetz, so wie es derzeit in Berlin diskutiert werde, gleiche „modernem Ablasshandel auf dem Rücken der Menschenrechte“. Die Unternehmen würden sich Zertifikate besorgen, wohlwissend, dass die Realität anders aussieht.

Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gilt als Skeptiker. Er befürchtet Belastungen für deutsche Firmen im internationalen Wettbewerb, ebenso wie Handel und Industrie. Die jüngste Befragung von deutschen Firmen hat ergeben, dass nur 22 Prozent die Standards einhalten. Im Sommer 2021 soll laut Buchholz zu dem Thema ein Gesetzentwurf auf europäischer Ebene eingebracht werden.

Die SPD macht sich für ein Lieferkettengesetz stark und fordert die Landesregierung auf, sich im Bund dafür einzusetzen. „Durch einen verbindlichen Standard auf Bundesebene soll die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht künftig an Relevanz gewinnen“, heißt es dazu in dem Antrag der Sozialdemokraten. Die Antragsteller wollen erreichen, dass „Unternehmen dazu verpflichtet werden, die Einhaltung der Menschenrechte auch bei ausländischen Zulieferern zu garantieren.“ Ziel sei es, „gerechte und nachhaltige Arbeits- und Produktionsverhältnisse im Ausland zum Kriterium in der öffentlichen Beschaffung zu machen.“

Bislang gibt es in dem Bereich lediglich freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen. Dass diese nicht ausreichen, davon sind auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) überzeugt. Noch in diesem Sommer wollen die beiden Minister Eckpunkte für ein Gesetz ins Kabinett bringen. Damit sollen größere Firmen dafür verantwortlich gemacht werden, dass entlang der globalen Lieferkette soziale und ökologische Mindeststandards eingehalten werden. Oder wie Heil es ausdrückt: Es soll sichergestellt werden, dass die Schokolade, die in Deutschland in den Einkaufswagen kommt, fair hergestellt wird. Bei Verstößen sollen deutsche Firmen auch haften.

Gesetzesvorhaben stößt auch auf Skepsis

Müller und Heil pochen auf Absprachen im Koalitionsvertrag. Dieser sieht vor: Zeigt sich in einer Überprüfung, dass eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werde die Koalition national gesetzlich tätig – und werde sich für eine EU-weite Regelung einsetzen. Allerdings: Ein Gesetz ist in der schwarz-roten Koalition auch vor dem Hintergrund der Corona-Krise umstritten.

Vor allem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gilt als skeptisch und befürchtet Belastungen für deutsche Firmen im internationalen Wettbewerb, ebenso wie Handel und Industrie. Die jüngste Befragung von deutschen Firmen hat ergeben, dass nur 22 Prozent die Standards einhalten.

Wirtschaftsweiser: Lieferkettengesetz legt Axt an Erfolgsmodell

Aktuell hat sich der Chef der „Wirtschaftsweisen“, Lars Feld, hat mit Blick auf das geplante Gesetz für gute Arbeitsbedingen bei der weltweiten Produktion vor massiven Belastungen für die deutsche Wirtschaft gewarnt. „Mit einem Lieferkettengesetz wird die Axt an das bisherige Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft mit stark internationalisierten Wertschöpfungsketten und einer starken Produktion im Ausland gelegt“, sagte Feld der Deutschen Presse-Agentur am Vortag der Plenartagung..

„Ich schaue mit großem Entsetzen auf das Lieferkettengesetz“, sagte Feld. „Wie sollten die Unternehmen sicherstellen, dass die Menschenrechte in den Wertschöpfungsketten in den einzelnen Staaten wirklich eingehalten werden?“ Dies sei eine politische Aufgabe und liege in der Souveränität von Staaten. „Das führt zu einer massiven Belastung. Das Ganze hat durchaus das Potenzial, uns über Jahre so zu belasten, dass die Wirtschaftsentwicklung wesentlich geschwächt wird.“

(Stand: 25. August 2020)

Antrag

Lieferkettengesetz jetzt!
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2301(neu)