Emotionale Debatte im Kieler Landtag: Soll der Begriff „Rasse“ aus Gesetzestexten wie dem Grundgesetz gestrichen oder ersetzt werden? Die SPD-Fraktion plädiert klar dafür und hat dem Landtag einen entsprechenden Antrag vorgelegt. Ein Alternativantrag der Koalitionsfraktionen von CDU, Grünen und FDP rief dazu auf, zunächst zu prüfen, „ob, und wenn ja, wie der Begriff „Rasse“ im Grundgesetz ersetzt werden kann“. Zunächst kamen die Lager nicht zusammen und vereinbarten eine Beratung außerhalb des Plenarsaals, um zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen. Am Nachmittag formulierten CDU, SPD, Grüne, FDP und SSW schließlich einen einvernehmlichen Antrag (Drs. 19/2373). Die AfD gehört nicht zu den Unterzeichnern.
In dem Antrag heißt es jetzt: „Der Landtag spricht sich daher dafür aus, auf Bundesebene gemeinsam mit Zivilgesellschaft und Wissenschaft den Begriff „Rasse“ im Grundgesetz ergebnisoffen zu überprüfen, ohne das klare und eindeutige Bekenntnis des Grundgesetzes gegen Diskriminierung in jeder Form anzutasten. Dabei ist auch zu prüfen, inwiefern Übersetzungen internationaler Rechtstexte ggf. überarbeitet werden müssten. Der Schleswig-Holsteinische Landtag spricht sich dafür aus, den Prozess im Bundesrat aktiv zu unterstützen.“
Koch: „Sternstunde des Parlaments“
CDU-Fraktionschef Tobias Koch lobte die Einigung: „Das zeichnet uns in unserem Landtag aus. Wir finden immer wieder Lösungen auch bei sensiblen Themen – eine Sternstunde des Parlaments, ich bin glücklich, dass das gelungen ist.“ Auch SPD-Fraktionschef Ralf Stegner spricht von „einem großartigen Signal“, dass die Demokraten gegen Rechtsradikalismus zusammenstehen. Und es werde klargemacht, dass der Begriff „Rasse“ nicht in die Neuzeit gehöre.
Bevor der gefundene Kompromiss am Nachmittag verabschiedet werden konnte, war es in der Debatte am Vormittag noch zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Aminata Touré (Grüne) warf Oppositionsführer Stegner vor, aus Parteikalkül heraus zu agieren. Während Touré und ihre Partei sich auf Bundesebene für eine Streichung des Rasse-Begriffs bereits vor Wochen ausgesprochen hatten, stehen die Koalitionspartner aus der CDU-Fraktion im Norden einer solchen Anpassung des Grundgesetzes skeptisch gegenüber.
Disput um Umsetzung
„Wenn es keine Rassen gibt, muss das Grundgesetz überarbeitet werden“, sagte Stegner mit Blick auf den aktuellen Stand der Wissenschaft. Rassenkunde sei „ein Hirngespinnst“. Den Alternativantrag von Jamaika kritisierte er, weil dieser keinen Auftrag enthalte. Für die SPD sei das „Ob“ längst geklärt, es könne nur darum gehen, wie der Begriff „Rasse“ ersetzt werden könne. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag sei ohnehin notwendig, um das Grundgesetz ändern zu können, mahnte Stegner zur Einheit der Demokraten.
„Als ich Ihren Antrag gesehen habe, habe ich mich gefragt, was die Intention ist“, entgegnete die Grüne Touré. Wenn es den Sozialdemokraten um den inhaltlichen Punkt gegangen wäre, dann hätten vorab Gespräche mit den anderen Fraktionen gesucht werden können, so Touré. „Auf Bundesebene läuft die Suche nach einem vernünftigen Begriff.“ Dieser müsse vor allem rechtssicher sein. Darum bestehe Jamaika auf eine Prüfung – „gemeinsam mit Zivilgesellschaft und Wissenschaft“, wie es in dem Antrag heißt.
Minister für „ergebnisoffene Diskussion“
„Wir müssen mit Änderungen des Grundgesetzes vorsichtig sein“, sagte auch Justizminister Claus Christian Claussen (CDU). Der Begriff „Rasse entspreche zwar nicht dem aktuellen Sprachgebrauch, aber man dürfe den Begriff nicht aus dem historischen Kontext reißen. Das Ziel der Väter des Grundgesetzes sei gewesen „sich deutlich vom Rassenwahn der Nationalsozialisten abzugrenzen“. Die Diskussion, ob und wie der Begriff verändert werden kann, müsse ergebnisoffen geführt werden.
Weitere Stimmen aus dem Plenum:
Tobias von der Heide (CDU):
„Ist die Streichung der richtige Weg? Rechtswissenschaftlicher argumentieren, dass Rassismus durch den Rechtsbegriff „Rasse“ überhaupt erst benennbar werde. Deswegen sollten wir darüber sprechen, ob und wie wir den Begriff in der Zukunft verwenden.“
Oliver Kumbartzky (FDP):
„Es kann keine neutrale Definition des Begriffes „Rasse“ für uns Deutsche geben. Sprache verändert sich im Laufe der Jahre. Der Rassebegriff ist längst nicht mehr zeitgemäß. Ersatz ist besser als Streichung.“
Claus Schaffer (AfD):
„Der Begriff ist nicht die Ursache des Phänomens Rassismus. Es ist das klare Bekenntnis gegen den Rassismus, das droht verloren zu gehen.“
Lars Harms (SSW):
„Es gibt keine Rassen, es gibt nur Menschen. Das Dilemma, in dem man in der Frage des Grundgesetzes steckt, ist doch folgendes: Die Formulierung des Artikel 3 zielt darauf ab, Rassismus zu bekämpfen. Doch durch die Formulierung wird die Vorstellung von Rassen aufrechterhalten.“
Hinweis:
Der Artikel wird nach der Entscheidung der Fraktionen, ob es einen gemeinsamen Antrag gibt oder nicht, aktualisiert.