Der Radverkehr in Schleswig-Holstein soll sowohl im Alltags- und Berufsverkehr als auch beim Tourismus einen größeren Stellenwert einnehmen. Bei Enthaltung des SSW, der vergeblich eine Ausweitung der Sanierung und des Neubaus von Radwegen in den Innenstädten gefordert hatte, verabschiedete der Landtag einen acht Kernpunkte umfassenden Antrag der Jamaika-Koalition. Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) kündigte in der rund einstündigen Debatte Investitionen in Höhe von zunächst zehn Millionen Euro bis 2022 in das derzeit 5200 Kilometer lange Rad-Netz im Land an: „Wir wollen hier echt am Rad drehen.“
Als Ziel gibt der Minister den Anstieg des Radverkehr-Anteils am gesamten Verkehrsaufkommen von derzeit 13 auf 30 Prozent im Jahr 2030 an. Damit soll Schleswig-Holstein in zehn Jahren „Deutschlands Rad-Land Nummer 1“ unter den Flächenländern sein, so Buchholz. Aktuell seien 13 touristische Radfernwege mit 3.000 Kilometern Länge im Land ausgewiesen.
Minister regt Kompetenzzentrum an
Zusammenhängende Konzepte für das Fahrradfahren seien seit 1998 nicht mehr entstanden, erklärte Buchholz weiter. Er habe sich daher „bewusst viel Zeit gelassen“, um alle Betroffenen an einem neuen Papier zu beteiligen. Für ihn liege ein Schwerpunkt darin, RAD.SH zum Kompetenzzentrum des Radfahrens in Schleswig-Holstein auszubauen – „ähnlich wie beim Breitbandausbau das Breitbandkompetenz-Zentrum“, erklärte Buchholz.
Vor allem das Radwegenetz soll im Rahmen der Fortschreibung und Weiterentwicklung des Landesweiten Radverkehrsnetzes (LRVN) ausgebaut werden – mindestens einen Radschnellweg sehen die Planungen vor. Für die Bürger sind durch kurzfristig umsetzbare Investitionen rasch sichtbare Verbesserungen für den Radverkehr geplant. Dazu gehören der Aufbau von 10.000 Fahrradbügeln im ganzen Land an öffentlichen Einrichtungen und Bushaltestellen, eine Meldemöglichkeit per App für Mängelzustände an Wegen oder auch 100 Self-Service-Stationen, an denen Radfahrer zum Beispiel ihre Reifen flicken können.
BYPAD soll fortgeführt werden
Auch der Radtourismus soll laut Buchholz wieder auf Erfolgsspur gebracht werden, unter anderem durch die Weiterentwicklung der Radfernwege zu Qualitätsrouten. Und: Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Radverkehrs-Akteuren aus Politik, Verbänden und Verwaltung im Rahmen des Bicycle Policy Audit (BYPAD), das zu der „Landesstrategie 2030“ geführt hat, soll nachhaltig fortgeführt werden. Zudem ist die Einrichtung eines Runden Tisches zum Radverkehr geplant.
Weitere Stimmen aus dem Plenum:
Hans-Jörn Arp (CDU):
Wir wollen alle Menschen in der Gesellschaft erreichen. So viel Geld wie jetzt ist in keiner Zeit für den Ausbau von Radwegen zur Verfügung gestellt worden. Es ist gelungen, ein tolles Projekt auf die Beine zu stellen, in dem sich viele Bürger wiederfinden. Fahrradfahren ist dabei nur ein Teil des Mobilitätskonzepts.
Kai Vogel (SPD):
Die Haushaltsmittel für 2020 für die Radwegsanierung lassen an einem Fahrradland Schleswig-Holstein zweifeln. An über 4.000 Kilometern Bundes, Land- oder Kreisstraßen gibt es keinen Radweg und hier leben Fahrradfahrer richtig gefährlich. Wer es ehrlich mit der Sicherheit von Fahrradfahrern nimmt, der braucht mehr als einen Plan; der braucht auch den Willen ‒ und den sehe ich aktuell noch nicht.
Andreas Tietze (Grüne):
Fahrräder sind on top und voll im Trend. Da findet ein interessanter Wandel statt. Menschen wollen Rad fahren. Wir streben niederländische und dänische Verhältnisse an. Dafür stehen 55 Millionen Euro bis 2022 zur Verfügung. Wer sagt, wir unterfüttern unsere Strategie nicht mit Mitteln, der liegt einfach falsch. Was jetzt nötig ist, ist eine intelligente Planung.
Kay Richert (FDP):
Eine intakte Infrastruktur gehört genauso zu generationengerechter Politik wie intakte Finanzen. Tourismus sorgt für Wohlstand in unserem Land, das weiß hier jeder. Vernünftige Radwege, schöne Tourenmöglichkeiten werden immer mehr auch ein Faktor, nach dem sich die Gäste ihre Destination aussuchen. Wir brauchen ein beschleunigtes Planungsrecht, damit wir die Bremsen lösen können.
Volker Schnurrbusch (AfD):
Eine Verkehrswende bleibt reines Wunschdenken. Das Auto ist auch während des politisch verordneten Stillstands der Wirtschaft das mit Abstand gefragteste Verkehrsmittel. Der Anteil des Fahrrads unter den genutzten Verkehrsmitteln liegt stabil bei etwa zehn Prozent. Es gilt dort in die Radinfrastruktur zu investieren, wo es geboten und sinnvoll ist.
Christian Dirschauer (SSW):
Grundsätzliche Strukturverbesserungen sind auch mit dem vorliegenden Radkonzept nicht zu erkennen. Welches Ziel soll mit diesen Maßnahmen verfolgt werden? Viel anstellen, ohne viel auszugeben? Der ökologische Umstieg vom Auto aufs Rad wird nur gelingen, wenn die Infrastruktur im deutlich messbaren Bereich wächst. Doch nicht einmal die Instandhaltung der bestehenden Radwege ist gewährleistet.