Weltweit schwache Nachfrage und eskalierende Handelskonflikte – schon vor Beginn der Corona-Krise standen die Schiffbauer und ihre Zulieferer vor großen Herausforderungen. Nun fordern SPD und SSW die Landesregierung auf, sich für die Aufnahme von Werften und Zulieferern aus Schleswig-Holstein unter den Schutzschirm des Bundes und in die Bürgschaftsprogramme einzusetzen. Für mögliche Kredite und Sicherheiten sowie staatliche Beteiligungen müssten sich die Unternehmen im Gegenzug verpflichten, Arbeitsplätze und Standorte zu sichern und in innovative sowie klimafreundliche Technologien zu investieren.
Die Landesregierung solle den Marineschiffbau in seiner gesamten Wertschöpfungskette als Schlüsseltechnologie stärken. „Die Vergabepraxis auf Bundesebene muss so geändert werden, dass Unternehmen in Deutschland beteiligt und die Systemkompetenz aus nationalem Sicherheitsinteresse erhalten bleibt“, heißt es dazu im Antrag. Die beiden Oppositionsfraktionen fordern weiter, sollten die bestehenden Landes- und Bundesprogramme nicht ausreichen, um den Schiffbau in Schleswig-Holstein abzusichern, müsse die Landesregierung eigene Initiativen zur Sicherung der maritimen Wirtschaft entwickeln und umsetzen.
Einbruch um 70 Prozent befürchtet
Noch bis Jahresanfang etablierten sich nicht wenige deutsche Werften trotz der schwierigen Ausgangslage erfolgreich in Nischenmärkten, etwa dem Bau von Kreuzfahrt- und Passagierschiffen sowie Yachten. Doch auch diese Märkte sind nun durch die Pandemie eingebrochen. Laut Landesregierung rechnen Analysten damit, dass der globale Schiffbau im kommenden Jahr um bis zu 70 Prozent zurückgehen wird. Von dieser Entwicklung wäre auch die deutsche Schiffbaubranche mit ihren 100.000 Beschäftigten bedroht.
In Schleswig-Holstein war jüngst die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) in Schieflage geraten. Durch einen Großinvestor konnte die Werft Anfang September neu an den Start gehen, es gab aber einen Personalabbau. Aktuell fällt Medienberichten zufolge bei der Rendsburger Werft Nobiskrug jeder vierte Arbeitsplatz weg, und auch die Kieler Werft German Naval Yards plant einen erheblichen Personalabbau. Die Gewerkschaft IG Metall im Norden forderte daraufhin, das Kurzarbeitergeld zu verlängern und eine Vier-Tage-Woche einzuführen. Sie hat am Mittwoch zu einem Aktionstag vor dem Landeshaus aufgerufen. Erwartet werden demnach rund 200 Beschäftige von Werften und Zulieferern aus dem ganzen Land. Ab neun Uhr, eine Stunde vor Beginn der Landtagssitzung, wollen sie der Politik deutlich machen, dass es für Rettungsaktionen keine Zeit zu verlieren gibt.
Norddeutsche Länder appellieren an den Bund
Schon im Mai hatten die Wirtschaftsminister und -senatoren der norddeutschen Länder an die Bundesregierung appelliert, die Auswirkungen der Pandemie auf die Schiffbauindustrie zu verringern. Sie forderten unter anderem, Bund und Länder sollten künftig einfacher und schneller neue Schiffe kaufen können. Dafür sollten die Entscheidungskriterien bei öffentlichen Vergaben breiter angelegt werden. Und: Der Bund solle den Wirtschaftsstabilisierungsfonds auch auf den Schiffbausektor anwenden. So könnten die Werften und maritimen Zulieferer als industrielle Kerne in der gesamten Wertschöpfungskette in Deutschland erhalten werden. Das greifen nun auch SPD und SSW auf.
Aktuell…
…hat Wirtschaftsminister Bernd Buchholz den Willen der Landesregierung unterstrichen, die notleidenden Werften in Schleswig-Holstein zu unterstützen. Die Landesregierung tue alles, um die Auftragslage gerade im Marine-Bereich zu verbessern, sagte Buchholz der Deutschen Presse-Agentur zwei Tage vor der Landtagstagung. Die Bundeswehr sollte in der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie Marine-Aufträge vorziehen. Neben Landesbürgschaften für Neubauten sollten hierfür auch Großbürgschaften des Bundes in Frage kommen. Und es müssten auch Wirtschaftsstabilisierungsfonds für die ein oder andere Werft nutzbar gemacht werden.
Buchholz forderte, dass die Bundeswehr nach der Einstufung des Marine-Überwasserschiffbaus als nationale Schlüsseltechnologie durch die Bundesregierung auch entsprechend handele und in solchen Fällen auf europäische Ausschreibungen verzichte. Die Bundeswehr hatte kürzlich erst die Reparatur eines Tenders europaweit ausgeschrieben.
(Stand: 27. Oktober 2020)
Vorherige Debatte zum Thema:
Januar 2020 (Marine-Aufträge)