Für extreme Ausnahmesituationen will der Landtag ein Notparlament in der Landesverfassung verankern. Ein Gesetzentwurf von CDU, SPD, Grünen, FDP und SSW sieht vor, dass ein Notausschuss gebildet werden kann, falls der Landtag aufgrund einer außergewöhnlichen Gefahr nicht handlungsfähig sein sollte. Der Ausschuss soll aus „mindestens 11 Mitgliedern“ bestehen, die Stärke der Fraktionen soll erhalten bleiben. Auch Abgeordnete, die dem Ausschuss nicht angehören, haben das Recht auf Teilnahme. Sie dürfen Fragen und Anträge stellen. Nach intensiver Beratung im Innen- und Rechtsausschuss soll die endgültige Formulierung in einer Ausschusssitzung am Rande des Plenums beschlossen werden.
Jamaika, SPD und SSW haben bereits ein Papier vorgelegt, das den Ursprungsentwurf aus dem vergangenen November ändert und ergänzt. „Während einer Notlage hat der Notausschuss als Notparlament die Stellung des Landtages und nimmt dessen Rechte wahr“, heißt es in dem Änderungsentwurf. Und weiter: „Der Notausschuss darf nur die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Handlungsfähigkeit des Landes während der Notlage zu sichern.“ Die Befugnis, dem Ministerpräsidenten das Misstrauen auszusprechen, Wahlen vorzunehmen oder die Verfassung zu ändern, soll ihm nicht zustehen. Wenn der Landtag wieder in voller Stärke zusammenkommt, sollen die Not-Beschlüsse außer Kraft treten – außer, der Landtag bestätigt sie.
Technik muss sicher sein
Allerdings zeichnet sich ab, dass der Notausschuss nur dann zusammenkommen soll, wenn auch eine hybride Sitzung (präsenz/online) des gesamten Landtages nicht möglich ist. Ansonsten hat eine gemischte Sitzung aus anwesenden und zugeschalteten Abgeordneten Vorrang. Hierauf hatten während einer Anhörung im Januar zahlreiche Experten gedrungen. Der Änderungsentwurf legt Kriterien für die Hybridsitzung fest: „Es hat eine Bild-und Tonübertragung der gesamten Sitzung zu erfolgen. (…) Beschlüsse des Landtages in hybrider Sitzung erfolgen ausschließlich in namentlicher Abstimmung. Die Stimmrechtsausübung der Abgeordneten über elektronische Kommunikation muss ebenso wie die Rede-, Frage- und Antrags-befugnisse der Abgeordneten im Wege der sicheren elektronischen Kommunikation gewährleistet sein.“
Dieser Punkt gilt als das größte Hindernis auf dem Weg zu hybriden Sitzungen. „Gegenwärtig ist davon auszugehen, dass die technischen Möglichkeiten einer rein virtuellen Parlamentssitzung nicht vorliegen“, heißt es in dem Änderungsentwurf. „Vor diesem Hintergrund ist für den virtuellen Teil der hybriden Sitzung ein System zu entwickeln, dass die authentifizierte, sichere Teilnahme und Stimmenabgabe der Abgeordneten sicherstellt.“
Eine weitere Neuerung gegenüber dem Entwurf aus dem November deutet sich an: Ursprünglich war geplant, dass das Landesverfassungsgericht innerhalb eines Tages entscheiden sollte, ob tatsächlich ein Notfall vorliegt, der die Einberufung des Notausschusses nötig macht. Diesen Passus hatten mehrere Juristen kritisiert. Nun heißt es: „Auf Antrag eines Abgeordneten kann eine einstweilige Anordnung des Landesverfassungsgerichts erwirkt werden, wenn die Voraussetzungen der Notlage (…) oder die Unmöglichkeit einer hybriden Sitzung (…) von der Landtagspräsidentin oder von dem Landtagspräsidenten nicht glaubhaft gemacht werden.“
Virtuelle Parteitag können Kandidaten aufstellen
Auch das schleswig-holsteinische Wahlgesetz soll mit Blick auf die Corona-Pandemie ergänzt werden. Das sieht ein gemeinsamer Antrag von Jamaika, SPD und SSW vor, der ebenfalls erst während der Plenarsitzung abschließend im Ausschuss behandelt wird. Das Ziel: Die Wahl von Kandidaten und die Aufstellung von Landeslisten sollen auch ohne die bisher notwendige körperliche Anwesenheit der Delegierten und Parteimitglieder möglich sein.
Vorgesehen ist, dass der Landtag mit Zwei-Drittel-Mehrheit eine „epidemiologische Notlage“ feststellt. Ist dies geschehen, dann können Kandidatenvorschläge sowie die Vorstellungsreden der Kandidaten per Videokonferenz erfolgen. Die endgültige Abstimmung über die Bewerber soll dann „im Wege der Urnenwahl, der Briefwahl oder einer Kombination aus Urnen- und Briefwahl“ stattfinden. Dies soll sowohl für Landtagswahlen als auch für Kommunalwahlen gelten. Das Ende der „epidemiologischen Notlage“ stellt der Landtag dann wiederum mit Zwei-Drittel-Mehrheit fest. Die nächste Landtagswahl ist turnusmäßig für Frühjahr 2022, die nächste Kommunalwahl für Frühjahr 2023 geplant.
Mehr Zeit für Volksinitiativen
Außerdem ist vorgesehen, dass Volksinitiativen während einer „epidemiologischen Notlage“ eine Fristverlängerung von drei Monaten beantragen können, um auch unter erschwerten Bedingungen ausreichend Unterstützer zu finden. Die Frist kann demnach mehrmals verlängert werden, solange die Notlage besteht. Die Entscheidung trifft der Landtagspräsident.
Ein weiterer Punkt: Es soll im Wahlgesetz festgeschrieben werden, dass das Aufhängen von Wahlplakaten nur noch unter sehr strengen Bedingungen untersagt werden darf. Lediglich aus „herausragenden“ Gründen des Denkmal- oder Naturschutzes dürfen Gemeinden die Wahlwerbung sechs Wochen vor dem Wahltermin und zwei Wochen danach verbieten. Ansonsten gehe die „überragende Bedeutung“ der Wahl für die Demokratie vor.
(Stand: 22. März 2021)