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28. September 2022 – Sept.-Plenum

Wie geht es nach dem 9-Euro-Ticket weiter?

Wer ist vorrangig in der Verpflichtung, mehr Menschen den Umstieg auf den öffentlichen Personennahverkehr schmackhaft zu machen? Bund oder Länder? Darüber streiten Regierungskoalition und Opposition.

Marschbahn Hindenburgdamm Sylt
Mal schnell nach Sylt: Das 9-Euro-Ticket, das im Juni, Juli und August bundesweit Fahrten in Bus und Bahn ermöglicht hatte, hatte viele Freunde gefunden. Foto: dpa, Carsten Rehder

Der Landtag ist sich einig: Der Bund steht bei einer Anschlusslösung des Ende August ausgelaufenen 9-Euro-Tickets für den öffentlichen Personennahverkehr und damit für eine Mobilitätswende in der Pflicht und muss seine Regionalisierungsmittel erhöhen. Allerdings gibt es Differenzen zwischen Regierungskoalition und Opposition bei der Mitwirkung des Landes. Forderungen der SPD, die „landesseitig für den ÖPNV aufgebrachten Mittel“ in den Haushaltsentwürfen ab 2023 deutlich zu steigen, wiesen CDU und Grüne zurück.

Redner der Koalitionsfraktionen verwiesen stattdessen auf strukturelle Verbesserungen wie die Einrichtung der Arbeitsgruppe Klimaschutz, die eine Verständigung über die geplanten Maßnahmenfahrpläne der Ressorts erreichen will. Die Emissionen im Verkehrssektor würden nur durch eine gelungene Mischung aus Dekarbonisierung der Antriebe und Verlagerung des Verkehrs reduziert, machten Lukas Kilian (CDU) und Nelly Waldeck (Grüne) deutlich. Dabei zeige der aktuelle Landesnahverkehrsplan bereits, dass die notwendigen Investitionen für eine Verlagerung des Verkehrs erheblich seien.

Debatte um Mittel des Bundes

Waldeck, Nelly Grüne Plenum
Nelly Waldeck (Grüne): „Es brennt die Hütte“ Foto: Michael August

Es reiche nicht, nur über billige Ticketpreise zu sprechen, konstatierte Lukas Kilian (CDU). Der Schwerpunkt liege vielmehr beim Ausbau der Infrastruktur, aber auch im laufenden Betrieb. „Wir wollen sprichwörtlich jede Milchkanne erreichbar machen“, so Kilian. Ähnlich äußerte sich auch Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos). Von der reinen Preisdebatte über Tickets fühle er sich „ein Stück weit verhöhnt“. Es gelte, zunächst die Infrastruktur im ÖPNV zu verbessern, dann die gestiegenen Energiepreise aufzufangen. Madsen forderte, der Bund sollte zu seiner Verantwortung stehen und das Land dabei unterstützen. Er warb für ein „Klimaticket“ und machte deutlich, ohne Unterstützung des Bundes sei das derzeitige Angebot kaum zu halten.  

Das sah auch Nelly Waldeck (Grüne) so. Eine Diskussion über eine Anschlusslösung von subventionierten Pauschaltickets sei zwar begrüßenswert, aber nicht ohne Investitionen und einen angemessenen Ausgleich der gestiegenen Betriebs- und Investitionskosten im öffentlichen Verkehr durch den Bund. Im Verkehrssektor seien seit 1990 kaum Emissionen eingespart worden, kritisierte sie: „Es brennt die Hütte.“ „Bevor die ersten Unternehmen in die Knie gehen, muss was geschehen“, mahnte auch Sybilla Nitsch (SSW) an. Der Um- und Ausbau des ÖPNV dürfe „nicht mehr in Trippelschritten“ erfolgen. Der schwarz-grünen Regierungskoalition warf sie ein „Schwarze-Peter-Spiel“ vor. Das Land müsse in die Infrastruktur investieren, ohne dabei immer auf den Bund zu zeigen.

Warnung vor Abbestellungen im ÖPNV

Dürbrook,  Niclas SPD Plenum
Niclas Dürbrook (SPD): „Mir fehlt die eigene Verantwortung des Landes“ Foto: Michael August

Ihm fehle die „eigene Verantwortung des Landes“, um die Klimaziele zu erreichen und die Mobilitätswende zu schaffen, monierte auch Niclas Dürbrook (SPD). Für den ÖPNV müsse deutlich mehr Geld auch auf Landesebene in die Hand genommen werden als bisher, forderte er. Der entsprechende Antrag der Sozialdemokraten wurde jedoch abgelehnt. Die FDP verlangte in ihrem Antrag, der in den Wirtschaftsausschuss überwiesen wurde, eine „mindestens für das jeweilige Bundesland einheitlichen Tarifstruktur, die Konsolidierung unterschiedlicher Tarifverbünde und wettbewerbliche Ausschreibungen von Verkehrsleistungen“. Bernd Buchholz (FDP) unterstrich: „Oberste Priorität muss haben, dass es nicht zu Abbestellungen im ÖPNV kommt und das bestehende Angebot bleibt.“

Angenommen wurde der Antrag von CDU und Grünen, der die Landesregierung auf Bundesebene auffordert, die im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP in Berlin vereinbarten Erhöhungen der Regionalisierungsmittel noch in diesem Jahr umzusetzen und die Regionalisierungsmittel für 2023 um mindestens drei Milliarden Euro aufzustocken.

Die Länder sind offen für eine Nachfolgeregelung des Ende August ausgelaufenen 9-Euro-Tickets – das ist ein Ergebnis der Verkehrsministerkonferenz Mitte August. Eine Forderung: Der Bund solle deutlich mehr Geld für den ÖPNV zur Verfügung stellen. An diesem Punkt setzen die Koalitionsfraktionen im Landtag an. CDU und Grüne fordern die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene dafür stark zu machen, „die Erhöhungen der Regionalisierungsmittel noch in diesem Jahr umzusetzen und die Regionalisierungsmittel für 2023 um mindestens 3 Milliarden Euro aufzustocken“. Die Bundesregierung habe die Erhöhung für dieses Jahr zugesagt, sie sei aber noch nicht umgesetzt worden.

Die SPD zielt in einem Antrag, der in der Debatte ebenfalls beraten wird, in eine ähnliche Richtung. Die Oppositionsfraktion fordert eine „deutliche und nachhaltige Erhöhung der Regionalisierungsmittel“ von Seiten des Bundes – dafür solle sich die Landesregierung einsetzen. Die bereitgestellten Gelder müssten zudem „schnell, vollständig und in einem transparenten Prozess in konkrete Projekte und damit die Verbesserung des ÖPNV und SPNV fließen“. Gleichzeitig sollen nach Willen der Sozialdemokraten die „landesseitig für den ÖPNV aufgebrachten Mittel“ in den Haushaltsentwürfen ab 2023 deutlich steigen. Vor allem auf dem Land sei ein größeres Angebot nötig.

Verkehrsminister einig

Mitte September wurde bekannt, dass Bund und Länder bis Mitte Oktober eine Verständigung über ein Folgeangebot für das 9-Euro-Ticket im Nahverkehr anpeilen. Alle Länder hätten bekundet, dass sie sich vorstellen könnten, ein Anschlussticket mitzutragen, sagte die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Maike Schaefer (Grüne) aus Bremen, nach Beratungen mit Bundesminister Volker Wissing (FDP). Dazu solle nun eine Arbeitsgruppe zügige Beratungen aufnehmen. Die Länder erwarteten aber zugleich, dass dies an eine Anhebung der generellen Regionalisierungsmittel des Bundes gekoppelt sei. Wissing deutete an, dass es bei der Verkehrsministerkonferenz am 12./13. Oktober einen Eckpunktebeschluss zum Nahverkehrsticket geben könne. Er äußerte Verständnis, dass die Länder angesichts der hohen Energiepreise eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel forderten. Dies sei noch zu klären.

Die Ampel-Koalition im Bund hatte sich darauf verständigt, in einem nächsten Entlastungspaket jährlich 1,5 Milliarden Euro für ein bundesweites Nahverkehrsticket bereitzustellen ‒ wenn die Länder mindestens ebenso viel geben. Ziel ist ein Preis zwischen 49 und 69 Euro im Monat. Das 9-Euro-Ticket hatte im Juni, Juli und August für jeweils einen Monat bundesweit Fahrten in Bus und Bahn ermöglicht.

Regulär bekommen die Länder in diesem Jahr Regionalisierungsmittel in Höhe von 9,4 Milliarden Euro vom Bund, dazu noch eine Milliarde aus einem anderen Topf. Regionalisierungsmittel sind Geldmittel, die auf Grundlage des Regionalisierungsgesetzes des Bundes verteilt werden. Die in dem Gesetz geregelte Regionalisierung des Schienenverkehrs ist einer der drei Hauptinhalte der in den 1990er Jahren umgesetzten Bahnreform in Deutschland.

(Stand: 26. September 2022)

Antrag

Erhöhung der Regionalisierungsmittel
Antrag der Fraktionen von CDU und B´90/Die Grünen ‒ Drucksache 20/166 
Alternativantrag der Fraktion der FDP ‒ Drucksache 20/294

Antrag

Länder, Bund und Kommunen sind für den ÖPNV der Zukunft gemeinsam in der Verantwortung
Antrag der Fraktion der SPD ‒ Drucksache 20/255 
Alternativantrag von CDU und Grünen ‒ Drucksache 20/303