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21. Mai 2025 - Mai-Plenum

Finanzlöcher nach Verfassungs­gerichtsurteil

Nach der Schlappe vor dem Verfassungsgericht muss Schwarz/Grün den Haushalt neu aufstellen. Finanzministerin Schneider (Grüne) kündigt die Prüfung eines Nachtrags vor dem Sommer an, die Opposition beklagt „Verfassungsbruch“.

Silke Schneider
Will Nachtrag vorlegen: Finanzministerin Silke Schneider (Grüne).
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Trotz Hilfe aus Berlin und relativ günstiger Steuerprognose – Schleswig-Holstein wird in den kommenden Jahren auf Sparkurs gefahren. „Wir werden weiter und mehr konsolidieren müssen“, kündigte Finanzministerin Silke Schneider (Grüne) in einer Regierungserklärung an. Die Handlungsbedarfe seien „auch in den kommenden Jahren hoch“. Aus der Opposition kam heftige Kritik an der Haushaltspolitik der Koalition, insbesondere am Umgang mit dem jüngsten Haushaltsurteil des Landesverfassungsgerichts. „Die Günther-Regierung hat die Verfassung gebrochen“, monierte SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli, und Schwarz-Grün habe keine Antwort auf den Sanierungsstau im Lande.

Das Schleswiger Gericht hat Mitte April den von Koalition und SSW beschlossenen Haushalt für das Jahr 2024 als verfassungswidrig eingestuft (Az. LVerfG 1/24). Die Landtagsfraktionen von SPD und FDP hatten die Normenkontrollklage eingereicht. Grund für das Urteil sind die drei im Vorjahr aufgenommenen Notkredite, mit denen die Folgen der Sturmflut an der Ostseeküste im Oktober 2023, des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der Corona-Pandemie gelindert werden sollten. Deren Notwendigkeit sei nicht ausreichend begründet worden, und es fehle ein Tilgungsplan, so das Verfassungsgericht. Das Gericht habe für „Rechtsklarheit“ gesorgt und „Leitplanken geschaffen“, sagte Ministerin Schneider.

Notkredite sollen aufgelöst werden

 

Serpil Midyatli
Beklagt Verfassungsbruch: Die SPD-Fraktionsvorsitzende Serpil Midyatli.
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Als Konsequenz aus dem Urteil will die Landesregierung die Notkredite auflösen. Dabei geht es um 492 Millionen Euro aus dem vergangenen Haushaltsjahr und 271 Millionen Euro aus dem laufenden. Für den diesjährigen Kredit kündigte Schneider die Prüfung eines Nachtrags noch vor der Sommerpause an. Zunächst müssten in Berlin die Ausführungsgesetze für die dort beschlossenen Grundgesetzänderungen verabschiedet werden: „Der Bund muss jetzt liefern.“ Nach der im März von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Regelung kann das Land jedes Jahr bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an neuen Schulden aufnehmen. Das sind nach Schneiders Worten 521 Millionen Euro.

Außerdem erwartet Schleswig-Holstein seinen Anteil am Infrastrukturpaket des Bundes. 100 Milliarden Euro sollen an die Länder gehen, für den Norden wären das 288 Millionen Euro pro Jahr für die kommenden zwölf Jahre. Schneider kündigte Gespräche mit den Kommunen „noch im Juni“ an, um die Verteilung dieser Mittel zu besprechen. Und sie stellte klar: Der Nachtrag werde keine Gelder für die aktuell höchst fragliche Northvolt-Ansiedlung bei Heide mehr enthalten, „da derzeit nicht abzusehen ist, wann mit einer Auszahlung dieser Mittel zu rechnen ist“. Der Bau der Batteriezellenfabrik ist gefährdet, weil der schwedische Mutterkonzern in finanzieller Schieflage ist.

Midyatli beklagt „Arroganz der Macht“

 

Tobias Koch
Verwahrte sich gegen den Vorwurf des „Verfassungsbruchs mit Ansage“: CDU-Fraktionschef Tobias Koch.
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Oppositionsführerin Midyatli attestierte der Regierung, ein „finanzpolitisches Desaster“ angerichtet zu haben, und warf Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) „Arroganz der Macht“ vor. Das Schleswiger Urteil sei „trauriger Höhepunkt von schlechtem Regierungshandeln“. Nun böten die Berliner Beschlüsse neue Spielräume: „Die Reform auf Bundesebene hilft Ihnen, die Folgen Ihres eigenen Verfassungsbruchs zu kaschieren.“ Aber Schleswig-Holstein sei nicht vorbereitet. Midyatli verwies auf einen Investitionsbedarf von 15 Milliarden Euro im Lande für Krankenhäuser, Schulen, Kitas, Wohnungsbau und Klimaneutralität. Zudem habe die Landesregierung „kein Wort zur Zeitenwende“ gesagt – auch auf die „veränderte Sicherheitslage“ sei der Norden nicht vorbereitet.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch (CDU) attackierte im Gegenzug SPD und FDP. Er verwahrte sich gegen den Vorwurf der Liberalen, die Koalition habe einen „Verfassungsbruch mit Ansage“ begangen. Diese Kritik gehe „weit über eine angemessene Sachdebatte hinaus“. Rechts- und Linksradikale würden angesichts eines solchen Streits im demokratischen Lager „feixen“, so Koch. Die SPD wiederum habe mit ihrer Klage das Gegenteil von dem erreicht, was sie gewollt habe. Denn nun fließe weniger Geld in Investitionen, weil die Mittel für die Tilgung der Notkredite benötigt würden. Insgesamt sei das Land „auf einem soliden und verantwortungsvollen Kurs“, betonte Koch. Um den Haushalt nachhaltig zu sanieren, sei in den kommenden Jahren ein „wirtschaftlicher Wachstumskurs“ nötig.

Schuldenbremse falsch eingeschätzt

 

Lasse Petersdotter
Räumte Fehler ein: Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter.
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Lasse Petersdotter (Grüne) verteidigte die Haushaltspolitik der Koalition, räumte jedoch zugleich unter anderem Versäumnisse bei der Begründung der Notkredite ein. „Da haben wir einen Fehler gemacht“, sagte er im Rückblick auf den Haushalt 2024. Man habe die Möglichkeiten der Schuldenbremse falsch eingeschätzt und werde daraus lernen. Einen sofortigen Nachtragshaushalt, wie von SPD und FDP gefordert, lehnte Petersdotter als voreilig ab: „Es wäre absurd, wenn wir heute ein Kürzungspaket schnüren und in zwei Monaten neue Ausgaben beschließen.“

In Bezug auf die Schuldenbremse sagte er, sie sei zwar verfassungskonform, aber in ihrer jetzigen Form nur schwer anwendbar. Sie bedürfe einer Reform, denn man dürfe „nicht so naiv sein zu glauben, dass es in den nächsten Jahren keine Krisensituation mehr geben würde“.

Tilgungsplan für Notkredite gefordert

 

Isabell Krämer
Verlangt „unverzüglich“ einen Nachtragshaushalt: Annabell Krämer (FDP).
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Mit scharfen Worten kritisierte Annabell Krämer (FDP) die Haushaltspolitik der Landesregierung. Diese habe „den vierten verfassungswidrigen Haushalt in Folge“ vorgelegt und zentrale Vorgaben des Landesverfassungsgerichts missachtet. „Das war Verfassungsbruch mit Ansage“, so Krämer. Statt auf ein Durchführungs­gesetz aus Berlin zu warten, müsse die Finanzministerin selbst handeln.

Der aktuelle Haushalt sei ebenfalls nicht verfassungskonform – ein Nachtragshaushalt daher „unverzüglich“ erforderlich. Die FDP fordere klare rechtliche Korrekturen und einen Tilgungsplan für die Notkredite – noch vor der Sommerpause. Die Verzögerung gefährde das Vertrauen in demokratische Prozesse.

Verschuldungsmöglichkeiten verantwortungsvoll nutzen

 

Christian Dirschauer
Warnt vor Sparmaßnahmen im Sozialen: SSW-Fraktionschef Christian Dirschauer.
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Christian Dirschauer (SSW) begrüßte den Fahrplan der Landesregierung zur Umsetzung des Urteils, warnte jedoch vor Sparmaßnahmen zulasten des sozialen Zusammenhalts. „Wir dürfen nicht an der Zukunftsfähigkeit des Landes sägen“, sagte er. Statt pauschaler Kürzungen brauche es gezielte Konsolidierung – durch Bürokratieabbau, Digitalisierung und nachhaltige Investitionen, etwa in Häfen, Schienen und die Grenzregionen an der Westküste.

Die neuen Verschuldungsmöglichkeiten seien „Schulden von morgen“ und müssten verantwortungsvoll genutzt werden. Für den Nachtragshaushalt forderte Dirschauer eine faire Mittelverteilung und einen gemeinsamen Kraftakt aller Fraktionen.

Eine Entscheidung des Landesverfassungsgerichts (LVerfg) und die Aufweichung der Schuldenbremse im Grundgesetz haben massive Auswirkungen auf den Etat Schleswig-Holsteins. Finanzministerin Silke Schneider (Grüne) will deswegen vor dem Landtag eine Regierungserklärung unter dem Motto „Neue Rahmenbedingungen für den Landeshaushalt 2025“ abgeben. SPD und FDP fordern in gemeinsamen Anträgen einen raschen Nachtragshaushalt und einen Tilgungsplan für die derzeit noch bestehenden Notkredite.

Das Schleswiger Gericht hat Mitte April den von der schwarz-grünen Koalition und vom SSW beschlossenen Haushalt für das Jahr 2024 als verfassungswidrig eingestuft (Az. LVerfG 1/24). Die Landtagsfraktionen von SPD und FDP hatten die Normenkontrollklage eingereicht. Grund für das Urteil sind die drei im Vorjahr aufgenommenen Notkredite. Diese wurden mit der Sturmflut an der Ostseeküste im Oktober 2023, dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und der Corona-Pandemie begründet.

"Neue" Schuldenbremse nutzen

Das Verfassungsgericht erkannte in seiner Urteilsbegründung zwar an, dass es sich um Notlagen handele, die sich der Kontrolle des Staates entziehen. Allerdings sei nicht ausreichend dargelegt worden, dass diese Notlagen im Haushaltsjahr 2024 die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt hätten. Ebenso fehle ein verfassungsgemäßer Tilgungsplan. Als Konsequenz aus dem Urteil will die Landesregierung die jüngsten Notkredite des Landes auflösen. Dabei geht es um 492 Millionen Euro aus dem vergangenen Haushaltsjahr und 271 Millionen Euro aus dem laufenden. Für den diesjährigen Kredit hat die Regierung einen Nachtrag für den Herbst angekündigt.

Zudem will die Koalition die neuen Möglichkeiten der Schuldenbremse im Grundgesetz nutzen. Nach der im März von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Regelung kann das Land jedes Jahr bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an neuen Schulden aufnehmen. Das sind voraussichtlich rund 500 Millionen Euro. Damit ist die in der Landesverfassung verankerte, deutlich strengere schleswig-holsteinische Schuldenbremse nicht mehr in Kraft.

Opposition drängt auf schnelles Handeln

Der Zeitplan der Landesregierung ist nach Auffassung von SPD und FDP nicht ambitioniert genug. Sie fordern das Kabinett auf, „umgehend die nötigen Maßnahmen zu ergreifen“ und „dem Landtag unverzüglich bis zum Juni-Plenum einen verfassungskonformen Nachtragshaushalt für 2025 vorzulegen“. Zudem müsse die Regierung „unverzüglich“ den vom Verfassungsgericht angemahnten Tilgungsplan für die Schulden aus den Notkrediten vorlegen.

(Stand: 19. Mai 2025)

Vorherige Debatten zum Thema:
Haushalt 2025 (1. Lesung Oktober 2024)
Haushalt 2025 (2. Lesung Januar 2025)

Regierungserklärung / Top 1

„Neue Rahmenbedingungen für den Landeshaushalt 2025“
Bekanntmachung – Drucksache 20/3208

Antrag / Top 34

Konsequenzen aus dem Urteil des Landesverfassungsgerichts – Tilgungsgesetz unverzüglich anpassen
Antrag der Fraktionen von SPD und FDP – Drucksache 20/3190

Antrag / Top 35

Konsequenzen aus dem Urteil des Landesverfassungsgerichts – Landeshaushalt 2025 verfassungskonform unverzüglich aufstellen
Antrag der Fraktionen von SPD und FDP – Drucksache 20/3191