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22. Mai 2025 - Mai-Plenum

Aktionsplan zur Entlastung der Strafjustiz und des Vollzugs

Die SPD prangert eine Überlastung von Strafjustiz und Strafvollzug an und fordert Veränderungen. Bei der Debatte steht auch der aktuelle Bericht des Ministeriums zur Situation in den Vollzugsanstalten im Mittelpunkt.

Marc Timmer
Findet die Situation alarmierend: Marc Timmer (SPD).
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Lange Verfahren, gestresstes Personal, Raumknappheit: Die Strafjustiz hat in Schleswig-Holstein derzeit „mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen“, gestand Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU). So seien die Justizvollzugsanstalten „fast durchgängig überbelegt“. Die SPD hatte die Debatte mit ihrer Forderung nach einem „umfangreichen Aktionsplan zur Entlastung von Strafjustiz und Strafvollzug“ angestoßen. „Die Zeichen sind alarmierend“, mahnte der Abgeordnete Marc Timmer: „Wir können die Dinge nicht einfach so weiterlaufen lassen.“

Einige Zahlen aus dem Bericht des Justizministeriums: Die Stellenbesetzungsquote hat demnach zum Stichtag 31.Dezember 2024 über alle JVA hinweg 94,2 Prozent betragen. Die Krankheitsquote lag bei durchschnittlich 10,98 Prozent. Im vergangenen Jahr sei es nicht gelungen, für alle ausgeschriebenen Stellen geeignete Bewerber zu finden. Dem stehe eine durchgehend hohe Belegungsquote von mindestens 90 Prozent gegenüber, wie die Ministerin in der Debatte darlegte. Sie verwies aber auch auf Stellenzuwächse, etwa acht neue Richterstellen und 42 neue Staatsanwälte sowie zusätzliche Rechtspfleger und Wachtmeister. Bis 2027 solle „der Deckungsgrad bei 100 Prozent liegen“.

Mängelliste präsentiert

Um mehr Haftplätze zu schaffen, sollen laut Ministerin 30 abgetrennte Plätze für den Männervollzug in der Jugendarrestanstalt Molfsfelde bei Neumünster entstehen. Weitere 150 Plätze sollen in den kommenden Jahren hinzukommen, beispielsweise 86 Haftmöglichkeiten in Lübeck bis März 2026. „Vieles ist erreicht, aber wir sind noch nicht am Ziel“, so die Ministerin.  

 

Marion Schiefer
Wies auf zunehmend komplexe Verfahren hin: Marion Schiefer (CDU).
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

 

„Der Staat muss seinen Kernausgaben gerecht werden, das erwarten die Bürger“, forderte SPD-Mann Timmer und präsentierte eine Mängelliste. So betrage die Personaldeckung in den Staatsanwaltschaften nur 80 Prozent, es mangele an Dolmetschern und psychologischen Gutachtern. Die Umstellung auf die E-Akte dauere zu lange, und Justizvollzugsbeamte hingen teils über Jahrzehnte in denselben Besoldungsstufen fest - Beförderung sei „die absolute Ausnahme“.

Anzahl der Verfahren steigt

„Weiterbildung ist hier das Stichwort“, betonte Timmer. „Es gibt offensichtlich einige Bereiche, wo nachgesteuert werden muss“, fand auch Sybilla Nitsch (SSW). 36 Prozent der Bediensteten seien 50 Jahre alt oder älter, und „die Gefängnisse sind zu voll“. Anfang des Jahres seien 1069 von 1116 Plätzen im Männervollzug belegt gewesen, bei den Frauen waren alle 60 Zellen besetzt.

 

„Es knirscht angesichts der Belegungszahlen“, stellte Marion Schiefer (CDU) fest. Das liege auch daran, dass Anzahl und Komplexität der Verfahren anstiegen, auch aufgrund von Fortschritten bei der Ermittlungstechnologie. Die Koalitionsfraktionen rufen die Landesregierung deswegen auf, beim Bund einen neuen „Pakt für den Rechtsstaat“ einzufordern, in dem gemeinsam mehr Personal finanziert werden soll. Schwarz-Grün habe die Polizei um zehn Prozent verstärkt, merkte Jan Kürschner (Grüne) an, und dasselbe müsse nun auch bei Justiz und Staatsanwaltschaften geschehen: „Wir schauen auf die gesamte Prozesskette und verstärken, wo es nötig ist.“ Außerdem sei es hilfreich, mehr in Bildung, Integration und Resozialisierung, zu stecken: „Das wirkt der Kriminalität im Ganzen entgegen.“

Ausschuss berät weiter

Bernd Buchholz (FDP) sprach von einer „schwierigen Entwicklung“, aber dies sei „kein Phänomen in Schleswig-Holstein allein.“ Er verwies die hohe Zahl an Verfahren in Bereichen wie Wirtschafts- und Internetkriminalität sowie Kinderpornografie.  Der Innen- und Rechtsausschuss berät das Thema weiter, dorthin wurden alle drei Anträge überwiesen.  

Jan Kürschner
Jan Kürschner (Grüne) forderte, dass Justiz und Staatsanwaltschaften verstärkt werden.
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Die SPD fordert von der Landesregierung bis Jahresende einen „umfangreichen Aktionsplan zur Entlastung von Strafjustiz und Strafvollzug“. Staatsanwaltschaften und Gerichte seien überlastet, so dass die Verfahren oft unverhältnismäßig lange dauerten, monieren die Sozialdemokraten. Auch die Beschäftigten in den Justizvollzugsanstalten arbeiteten an der Belastungsgrenze. Es gebe in den JVA nicht genügend medizinisches Personal, so dass die menschenwürdige Unterbringung der Strafgefangenen nicht gewährleistet sei. Die schwierige Gesamtsituation mache es noch schwieriger, qualifiziertes Personal für diesen Bereich zu gewinnen.

In einem Alternativantrag verweisen CDU und Grüne auf positive Trends: „Seit 2022 wurden bei den Staatsanwaltschaften insgesamt 42 neue Stellen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte geschaffen, zusätzlich zu neuen Stellen für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, Serviceeinheiten und den Wachtmeisterdienst.“ Der für die laufende Legislaturperiode vereinbarte Personalaufbaupfad für den Justizvollzug in Höhe von 161 Stellen sei „mit dem Haushalt 2025 abgeschlossen“ worden. 142 neue Mitarbeiter seien bereits für den Allgemeinen Vollzugsdienst gewonnen worden. Die Koalitionsfraktionen rufen die Landesregierung auf, beim Bund einen „Pakt für den Rechtsstaat“ einzufordern. Um die „akuten Engpässe bei den Haftplatzkapazitäten“ zu beheben, soll ein Teil der Jugendarrestanstalt Moltsfelde für den geschlossenen Männervollzug genutzt werden.

Beschleunigungsgebot verletzt

Hintergrund der Debatte ist unter anderem die vom Oberlandesgericht Schleswig angeordnete Freilassung von sechs Personen aus der Untersuchungshaft im Jahr 2024. Das Gericht sah in diesen Fällen das sogenannte Beschleunigungsgebot verletzt – die Behörden haben also zu langsam gearbeitet. Nach Schätzungen der SPD fehlen aktuell in der schleswig-holsteinischen Justiz 20 Prozent an Personal. Zudem werde die Situation aufgrund des demografischen Wandels bis 2030 nicht besser. Bis dahin gingen etwa 25 Prozent der Staatsbediensteten in Pension.

Der Landtag debattiert zudem über einen Bericht des Justizministeriums „über die personelle und räumliche Situation in den Justizvollzugsanstalten“. Demnach hatten die 811 JVA-Bediensteten am 1. Januar 2025 im Schnitt 35,98 Überstunden auf dem Konto. Das ist ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Jahr 2021(66,44 Überstunden). Die Stellenbesetzungsquote hat demnach zum Stichtag 31.Dezember.2024 über alle Justizvollzugsanstalten hinweg 94,2 Prozent betragen. Die Krankheitsquote im Justizvollzug unterliege starken saisonalen Schwankungen und liege bei durchschnittlich 10,98 Prozent. Im Jahr 2024 ist es laut Bericht nicht gelungen, für alle ausgeschriebenen Stellen geeignete Bewerber zu finden.

154 neue Haftplätze bis 2030

In den vergangenen Jahren seien sowohl denkmalgeschützte JVA-Gebäude angemessen saniert als auch funktionale und moderne Neubauten errichtet worden. Zudem sollen bis Ende 2030 insgesamt 154 neue Haftplätze entstehen. Vor der geplanten Sanierung von 250 Haftplätzen in der JVA Lübeck in den 2030er-Jahren müssen laut Ministerium zunächst aber noch weitere neue Hafträume gebaut werden.

 

Top 24, 52:

Antrag der SPD
Drucksache 20/3058

Alternativantrag von CDU/Grünen
– Drucksache
20/3100

Änderungsantrag der FDP (zum Alternativantrag)
– Drucksache 20/3252

Regierungsbericht
Drucksache 20/3174

Antrag der SSW-Fraktion
Drucksache 20/2570