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18. Juni 2025 - Juni-Plenum

Pakt für Investitionsoffensive im Norden?

Auch in Schleswig-Holstein eröffnen die Lockerung der Schuldenbremse und das Sondervermögen des Bundes neuen Handlungsspielraum. Über dessen Nutzung gehen die Meinungen auseinander.

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Finanzministerin Silke Schneider (Grüne): „Wir sind das erste Bundesland, das mit den Kommunen eine Vereinbarung über die Aufteilung der Infrastrukturmittel trifft.“
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Von allen Fraktionen weitgehend positiv ist heute im Plenum die am gestrigen Abend zwischen Land und Kommunen getroffene Vereinbarung über die Aufteilung der neuen Infrastrukturmittel bewertet worden. Laut Finanzministerin Silke Schneider (Grüne) sollen die Kommunen in Schleswig-Holstein in den kommenden zwölf Jahren etwa 180 Millionen Euro jährlich aus dem in Berlin aufgelegten Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität erhalten. Das seien 62,5 Prozent der Mittel, die das nördlichste Bundesland insgesamt erhalte, sagte die Grünen-Politikerin und betonte: „Wir sind das erste Bundesland, das mit den Kommunen eine Vereinbarung über die Aufteilung der Infrastrukturmittel trifft.“

Schneider hatte im Mai den Anteil des Landes am 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen auf knapp 3,5 Milliarden Euro beziffert. Noch nie standen so viel Investitionsmittel zur Verfügung, sagte sie heute im Plenum: „Das ist ein wichtiges historisches Signal, weil es das tägliche Leben eines jeden Einzelnen betrifft.“ Grundsätzlich sollen die Verteilungsverfahren so unbürokratisch wie möglich gestaltet werden. „Das, was unsere Kommunen von uns als Land fordern – mehr Vertrauen, weniger Bürokratie ‒ das muss genauso zwischen Bund und Ländern gelten“, führte die Finanzministerin aus.

SPD fordert konkrete Konzepte

 

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SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli: „Lassen Sie uns gemeinsam die Bagger anwerfen und unsere soziale Infrastruktur bauen“
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

 

Schneider skizzierte zwei weitere konkrete Punkte der Vereinbarung mit den Kommunen: Im Rahmen des Ganztagsausbaus der Schulen übernimmt das Land künftig 85 Prozent der notwendigen Investitionen und bei den Kitas trägt das Land 97,5 Prozent der Personalkosten statt wie bisher 95 Prozent.

Die Finanzministerin hatte ihre Ausführungen im Rahmen eines Dringlichkeitsantrags der Koalition gemacht. Ursprünglich auf die Tagesordnung gesetzt hatte die Debatte die SPD-Fraktion. Per Antrag riefen die Sozialdemokraten dazu auf, konkrete Konzepte für die neu zur Verfügung stehenden Investitionen in Kindergärten, bezahlbaren Wohnraum, Schulen, Krankenhäuser, Arbeitsplätze und die Transformation zur Klimaneutralität aufzustellen – und hierzu einen Schleswig-Holstein-Pakt zu schließen. „Lassen Sie uns gemeinsam die Bagger anwerfen und unsere soziale Infrastruktur bauen“, warb Fraktionschefin Serpil Midyatli für den Pakt, fand jedoch nur Zustimmung bei dem SSW. Am Ende der Debatte lehnten die anderen Fraktionen das Papier ab.

Finanziellen Spielraum nur für Investitionen nutzen

 

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CDU-Fraktionschef Tobias Koch: „Wenn wir uns das gestrige Verhandlungsergebnis näher anschauen, dann ist damit wie ich finde ein fairer und ausgewogener Kompromiss zwischen den Interessen von Land und Kommunen gelungen.“
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

 

Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter erinnerte die SPD daran, dass sie diesen Pakt bereits vergangenes Jahr vergeblich gefordert hatte. „Eine Neuauflage hätte es nicht gebraucht“, sagte er. Seiner Ansicht nach habe die Landesregierung die Forderungen der SPD längst angegangen: „Wir stehen gut da“, konstatierte er. Und Tobias Koch, Fraktionschef der CDU, versprach, den neuen finanziellen Spielraum ausschließlich für Investitionen zu nutzen. Er reagierte damit auf die Warnung der FDP, mit dem Geld vom Bund alte Schuldenlöcher im Landeshaushalt zu stopfen. Grundsätzlich, so der Liberale Christopher Vogt, sei unbedingt die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen wie auch die Schuldenlast für die kommenden Generationen im Blick zu behalten.

Am Ende der Debatte, in der alle Redner die schnelle Einigung zwischen Land und Kommunen ausdrücklich würdigten und darauf aufbauend dazu aufriefen, nun schnell und zügig zu handeln, fasste SSW-Fraktionschef Christian Dirschauer eine weitere einhellige Ansicht im Plenarsaal zusammen: „Die Kommunen entscheiden weitgehend selbst, was vor Ort benötigt wird“. Zugleich rief er dazu auf, bei der Verteilung der Investitionsmittel die Minderheiten nicht zu vergessen.

Die oppositionelle SPD-Fraktion erneuert ihr Angebot an die schwarz-grüne Landesregierung, einen „Schleswig-Holstein-Pakt“ zu schließen. Nachdem dies im vergangenen Jahr nach der Corona-Krise nicht zustande gekommen war, bekräftigen die Sozialdemokraten jetzt ihr Zusammenarbeitsangebot. Erneut geht es dabei um die Verwendung von Investitionen ‒ aktuell um jeweils etwa 280 Millionen Euro, die in den nächsten zwölf Jahren aus dem Milliarden schweren Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes nach Schleswig-Holstein fließen. Darüber hinaus darf das Land aufgrund der gelockerten Schuldenbremse neue Kredite aufnehmen.

„Jetzt ist die historische Chance da, eine Investitionsoffensive zu starten. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, jetzt endlich die Idee eines Schleswig-Holstein-Pakts aufzugreifen“, betont die SPD in ihrem Antrag. Konkret werden Investitionsbedarfe bei Kinderbetreuung, Wohnungsbau, Bildung, Gesundheitsversorgung und Klimaschutz genannt und zugleich auf die schwierige Kassenlage in vielen Kommunen des Landes hingewiesen.

Rechnungshof: Land muss Kredite für Investitionen einsetzen

Zur Begründung des Antrags verweist die SPD-Fraktion unter anderem auf den Infrastrukturbericht der Landesregierung, der einen Investitionsbedarf in Höhe von fast 16,7 Milliarden Euro bis 2040 aufzeigt. Davon seien 6,1 Milliarden Euro noch nicht in der Finanzplanung der Landesregierung enthalten. Bei der Vorstellung des Antrags Mitte Juni warnte SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli davor, mit dem Geld vom Bund nur alte Schuldenlöcher zu stopfen. Nötig seien vielmehr zielgerichtete Investitionen. „Wir sind bereit, Prioritäten zu setzen“ und diese in den Schleswig-Holstein-Pakt einzubringen, sagte sie.

Unterdessen hat auch Landesrechnungshof-Präsidentin Gaby Schäfer dazu aufgerufen, die neuen Vergütungsmöglichkeiten für zusätzliche Investitionen zur Stärkung der Wirtschaft einzusetzen. „Die neuen Kreditmöglichkeiten ‒ immerhin rund 800 Millionen Euro pro Jahr für Schleswig-Holstein ‒ dürfen weder direkt noch indirekt für konsumtive Zwecke genutzt werden“, betonte die Präsidentin Ende vergangener Woche.

FDP fordert Stabilisierungsmaßnahmen für Kommunen

Die Landesregierung soll darlegen, wie sie die Finanzlage der schleswig-holsteinischen Kommunen stabilisieren will. Das fordert die FDP mit Blick auf wachsende Herausforderungen für Städte, Kreise, Ämter und Gemeinden, etwa den Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab 2026 und die rückläufigen Gewerbesteuereinnahmen. Die Freidemokraten verweisen darauf, dass die Kommunen einen Anspruch auf einen Teil der Investitionsmittel des Bundes haben – Bundestag und Bundesrat haben im März den Weg für eine Sanierung der deutschen Infrastruktur mit bis zu 500 Milliarden Euro geebnet. Ein weiterer Punkt auf der FDP-Fragenliste ist die „Stärkung des FAG“, des Kommunalen Finanzausgleichs. Dessen Volumen betrug im Jahr 2024 rund 2,2 Milliarden Euro.

Zuletzt hatten Kommunalvertreter auf ihre schwierige finanzielle Lage aufmerksam gemacht. So habe das Finanzierungsdefizit der städtischen Haushalte im Jahr 2024 bei knapp einer Milliarde Euro gelegen, wie der Städteverband mitteilte. Die jüngsten Ergebnisse der Steuerschätzung hätten die Einnahmeerwartung noch einmal reduziert, so dass auch für 2025 mit erheblichen Minusbeträgen zu rechnen sei. Die Kommunen im Norden können laut der Mai-Schätzung mit Steuereinnahmen in Höhe von rund 4,7 Milliarden Euro planen. Das sind 149 Millionen Euro weniger als im vergangenen Oktober geschätzt. Für die Jahre 2026 bis 2029 sind demnach weitere Rückgänge zu erwarten. Als Reaktion haben Norderstedt und Kiel Haushaltssperren verhängt. 

4,2 Milliarden Euro Schuldenberg

Ein Grund für die finanzielle Schieflage vieler Kommunen sind auch die zuletzt sinkenden Gewerbesteuereinnahmen. Im Jahr 2024 ist das Gewerbesteueraufkommen im Lande laut Statistikamt Nord gegenüber dem Vorjahr um ein Prozent auf 2,24 Milliarden Euro gesunken. Im laufenden Jahr wird ein weiterer Rückgang befürchtet. Insgesamt betrug der Schuldenberg der schleswig-holsteinischen Kommunen Ende 2023 rund 4,2 Milliarden Euro. Das waren 4,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Allerdings gibt es innerhalb der kommunalen Landschaft große Unterschiede: Von den 1.104 Gemeinden zwischen Nord- und Ostsee waren 309 laut Statistikamt schuldenfrei. Unter den 15 Kreisen und kreisfreien Städten hat allein der Kreis Stormarn keine Verbindlichkeiten bei Banken und Sparkassen in seinem Kernhaushalt.   

Top 31 + 11:

Antrag der SPD-Fraktion:
– Drucksache 20/3315

Antrag der FDP-Fraktion

Drucksache 20/3286

Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von CDU und Grünen

Drucksache 20/3342