Schleswig-Holsteins Verfassungsschützer haben im vergangenen Jahr einen Höchstwert an politisch motivierten Straftaten registriert. Deren Zahl lag 2024 bei 2.677 Fällen und damit um 54,3 Prozent über dem Vorjahr. Die Zahl der Gewaltdelikte ist demnach um 16 auf 153 gestiegen. „Wir merken, dass die weltpolitische Lage sich auch auf unser Schleswig-Holstein auswirkt“, sagte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts im Landtag. Insbesondere der abgelaufene Bundestagswahlkampf sei von Hass und Hetze geprägt gewesen, so die Ministerin: „Der Ton in der Gesellschaft ist rauer geworden.“
Der Rechtsextremismus bildete laut Bericht den Schwerpunkt der Arbeit der Sicherheitsbehörden. 2024 wurden 1.516 Straftaten erfasst (2023: 975). Das entspricht einem Anstieg um 55,5 Prozent. Im Bereich Linksextremismus zählten die Verfassungsschützer 265 Straftaten (2023: 137). Vom islamistischen Terrorismus gehe eine hohe abstrakte Gefährdung aus. Der Verfassungsschutz rechnet dem Islamismus insgesamt 820 Personen zu. Redner aller Fraktionen machten sich angesichts dieser Entwicklung für eine wehrhafte Demokratie stark. Umstritten blieb, ob ein Verbotsverfahren gegen die AfD angestrengt werden sollte. Das Landesamt für Verfassungsschutz stuft die Partei, anders als das Bundesamt, nicht als „gesichert rechtsextrem“ ein.
Intenet als Hauptkampffeld
„Der Extremismus hat viel Gesichter, aber immer das gleich Ziel“, mahnte Marion Schiefer (CDU): nämlich „die Aushöhlung unserer demokratischen Gesellschaft“. Das Internet sei für alle Extremisten „zum Hauptkampffeld geworden“, um eine „junge, internetaffine Zielgruppe“ anzusprechen. Damit seien die „digitalen Rattenfänger“ erschreckend erfolgreich. Schiefer forderte insbesondere vom Bund, „mehr Druck auf die Plattformen auszuüben“. Jan Kürschner (Grüne) zeigte sich besorgt angesichts des „krassen Anstiegs“ rechtsextremistischer Taten. Schleswig-Holstein habe von allen westdeutschen Flächenländern die meisten rechtsextremen Gewalttaten pro Kopf. Die AfD „als parlamentarischer Arm des Rechtsextremismus“ sei eine konkrete Gefahr, so Kürschner. Eine Prüfung auf Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht sei deswegen „unabdingbar“.
„Diese Partei arbeitet personell, organisatorisch und inhaltlich mit dem rechten Sumpf zusammen“, betonte Niclas Dürbrook (SPD). Deswegen dürfe „das Verbotsverfahren nicht länger vertagt werden“. Er forderte, eine zeitgemäße Ausstattung der Verfassungsschützer, ausreichend Personal und eine gute Ausbildung. Denn auch Desinformation und Cyberangriffe seien eine große Herausforderung – und „bislang sind wir bei diesem Test durchgefallen“. Bernd Buchholz (FDP) äußerte sich skeptisch mit Blick auf ein AfD-Verbotsverfahren: „Das ist kein Selbstgänger.“ Selbst wenn es gelänge, die Partei zu verbieten, „zehn Millionen Wähler verbieten wir damit nicht“. Erfolgversprechender sei es, mit guter Politik „aus der Mitte der Gesellschaft“ die Ränder klein zu machen.
Rechtsausschuss berät Bericht weiter
Viele Menschen in der Mitte hätten sich inzwischen an rechtsextreme Hetze gegen gesellschaftliche Minderheiten und an eine „Sprachverschiebung“ gewöhnt, sagte Sybilla Nitsch (SSW): „Wir müssen auch über den Extremismus der Mitte sprechen.“ Die neue Rechte versuche, Grenzen zu verschieben, so Nitsch – und „auf Worte folgen Taten“. Der Innen- und Rechtsausschuss berät den Bericht weiter.