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3. Juli 2025 - Innen- und Rechtsausschuss

Der NDR und die Dynamik der „Empörungswellen“

Radio und Fernsehen verlieren an Bedeutung, neue Formate wie Podcasts gewinnen. Um auch weiterhin alle Menschen zu erreichen, will sich der NDR an die digitale Medienwelt anpassen.

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Das NDR-Landesfunkhaus an der Kieler Förde. Ab Mitte 2026 will der Sender an seinen neuen Standort im Wissenschaftspark der Kieler Uni umziehen, ab Frühjahr 2027 soll von dort aus Programm gemacht werden.
© Foto: Landtag, Karsten Blaas

Die Medienwelt wird digitaler, schneller und rauer – und das stellt auch den Norddeutschen Rundfunk vor neue Herausforderungen. „Wir hören weniger Radio, haben teilweise kein Fernsehgerät mehr, und der Radiowecker hat ausgedient“, beschrieb der Direktor des NDR-Landesfunkhauses, Volker Thormählen, im Innen- und Rechtsausschuss die Entwicklung. Statt zu den klassischen Medien gehe nun „der erste Griff zum Handy“, so Thormählen Anfang Juli in einem mehrstündigen Gespräch. Die Abgeordneten unterstrichen die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Demokratie und Meinungsvielfalt.

Mit den klassischen „linearen Angeboten“, also Radio und TV, „werden wir vor allem die jungen Menschen und die Menschen mit Migrationshintergrund nicht mehr erreichen“, betonte Thormählen. Der NDR wolle aber „allen Menschen in Schleswig-Holstein ein Angebot machen und die Gesellschaft in ihrer ganzen Breite erreichen“. Deswegen würden digitale Angebote ausgeweitet und neue Formate wie Podcasts eingeführt. „Für all diese Anstrengungen habe wir keine zusätzlichen Mittel und keine zusätzlichen Planstellen erhalten“, merkte der Funkhauschef an. Der Sender setze auf „Synergien“ zwischen Hörfunk, Fernsehen und Onlineredaktion: „Früher hat jedes Medium einen eigenen Reporter beauftragt.“ Die Umschichtungen seien auch im Programm spürbar. So würden täglich um 18 Uhr die letzten Radionachrichten aus dem Lande produziert, danach gebe es eine Zentralausgabe: „Dadurch sparen wir eine ganze Schicht.“

Aggressive Stimmung in der Gesellschaft spürbar

Der CDU-Abgeordnete Patrick Pender sprach die wachsende Bedeutung sozialer Medien an, wo sich Nachrichten wie auch Fehlinformationen blitzschnell verbreiten. Die teils aggressive Stimmung in der Gesellschaft sei auch für den NDR spürbar, berichtete Thormählen: „Wir müssen bestehen in Zeiten der Polarisierung und Zuspitzung.“ Als Beispiele für „Empörungswellen“ nannte er die Attacken gegen den damaligen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Hafen von Schlüttsiel im Januar 2024 und die ausländerfeindlichen Gesänge im „Pony Club“ auf Sylt im Mai 2024. In beiden Fällen sei kein Journalist vor Ort gewesen, und es habe nur wenige Sekunden Videomaterial in sozialen Netzwerken gegeben - „und schon fordert ein Bundeskanzler Konsequenzen“, so Thormählen. Dies sei eine „Dynamik, wo Journalisten nicht mehr hinterherkommen“. Es gelte: „Wir wollen nicht die ersten sein, sondern gründlich recherchieren“ und „deutlich machen, was man weiß und was nicht“.

Jan Kürschner (Grüne) zitierte den NDR-Staatsvertrag, laut dem der Sender „zur Verwirklichung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ beitragen solle.  „Welche Folge hat die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch für den NDR?“, fragte Kürschner. „Die AfD ist keine Partei wie jede andere, aber sie ist auch nicht verboten“, entgegnete der Justiziar des Senders, Michael Kühn. Der Sender stehe in dem „Spannungsverhältnis“, der Partei als stärkster Oppositionskraft im Bundestag den angemessenen Raum zu geben, ohne „verfassungsfeindliche Inhalte“ unwidersprochen zu transportieren.

„Wie merken Sie das raue Klima in der Gesellschaft?“, fragte Beate Raudies (SPD) mit Blick auf zahlreiche Bedrohungen gegen Journalisten. „Damit müssen wir uns in der Tat auseinandersetzen“, sagte Thormählen: „Das hat zugenommen.“ Zwar würden NDR-Reporter „in Schleswig-Holstein nicht signifikant körperlich angegriffen“, aber verbale Ausfälle, etwa am Rande von Demonstrationen, kämen häufig vor. „Das Wort ‚Lügenpresse‘ wurde früher aus dem Hintergrund gerufen. Heute wird es einem direkt an den Kopf geworfen.“