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19. November 2025 - November-Plenum

Neue Bedrohungen: „Update“ für den Verfassungsschutz

Die Landesregierung legt eine tiefgreifende Reform des Verfassungsschutzgesetzes vor. Sie soll den Nachrichtendienst für neue Bedrohungen rüsten – bei zugleich deutlich verschärfter gerichtlicher und parlamentarischer Kontrolle.

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Innenministerin Magdalena Finke (CDU): „Unser Land sieht sich einer Vielzahl von Bedrohungen für die innere Sicherheit ausgesetzt.“
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Schleswig-Holsteins Verfassungsschutz soll mehr Zugriffsrechte bekommen. Zugleich erhalten Parlament und Justiz zusätzliche Kontrollmöglichkeiten über den Geheimdienst. Das sind Kernpunkte des neuen Verfassungsschutzgesetzes, das die neue Innenministerin Magdalena Finke (CDU) im Landtag vorgestellt hat. „Unser Land sieht sich einer Vielzahl von Bedrohungen für die innere Sicherheit ausgesetzt“, so die Ministerin - „sowohl von außen als auch von innen“. Um Extremismus von rechts und links, Islamismus und Delegitimierung des Staates entgegenzutreten, soll das 35 Jahre alte Regelwerk aktualisiert werden. Aus der Opposition kam grundsätzlicher Zuspruch, nun berät der Innen- und Rechtsausschuss den Entwurf weiter. 

Künftig sollen neben „Personenzusammenschlüssen“ auch Einzelpersonen in den Blick genommen werden dürfen. Zudem soll es eine gerichtliche Vorab- und Begleitkontrolle für besonders „eingriffsintensive“ Mittel wie den Einsatz von V-Leuten geben. Die Vertrauenspersonen dürfen keinen steuernden Einfluss auf ihre Gruppierung ausüben. Bei der Wohnraumüberwachung sind verdeckte „technische Mittel zur heimlichen optischen und akustischen Überwachung“ vorgesehen. Überdies soll die Rolle des parlamentarischen Kontrollgremiums gestärkt werden. Es soll mehr Akteneinsicht und Zutrittsrechte zu den Räumen des Verfassungsschutzes erhalten.

Neue Befugnisse für Finanzermittlungen

 

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Birte Glißmann (CDU): „Wir geben unseren Sicherheitsbehörden die Instrumente, die sie für eine effiziente und rechtssichere Arbeit brauchen.“
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Außerdem soll die bisherige „Aggressionsklausel“ gestrichen werden, sagte Finke. Nicht mehr nur eine „kämpferische, aggressive Haltung“ solle Voraussetzung für eine Überwachung  durch den Verfassungsschutz sein. Es gebe inzwischen auch formal gesetzestreue Bestrebungen, die den demokratischen Rechtsstaat gefährden könnten. Der Geheimdienst soll neue Befugnisse für Finanzermittlungen bekommen, um den Geldfluss aus Rechtsrockkonzerten und Kampfsportevents in rechtsextreme Kreise zu überwachen. Auch bei der Einstellung in den Öffentlichen Dienst soll der Verfassungsschutz eingeschaltet werden können. Insgesamt sei die Reform ein „Meilenstein für die öffentliche Sicherheit“, betonte die Ministerin. 

„Wir geben unseren Sicherheitsbehörden die Instrumente, die sie für eine effiziente und rechtssichere Arbeit brauchen“, befand Birte Glißmann (CDU). Die politisch motivierte Kriminalität befinde sich auf einem „Allzeithoch“, deswegen sei ein „Systemupdate“ für den Verfassungsschutz nötig. Bürgerrechte und Sicherheitsinteressen würden in Einklang gebracht, merkte Jan Kürschner (Grüne) an. Die zusätzlichen Kontrollmöglichkeiten stärkten das Vertrauen in den Verfassungsschutz. 

Diskussionsbedarf angemeldet

 

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Bürgerrechte und Sicherheitsinteressen werden in Einklang gebracht, so Jan Kürschner (Grüne).
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

„Wir teilen das Ziel“, unterstrich Niklas Dürbrook (SPD). Bei der Abwägung von Freiheit und Sicherheit komme seine Fraktion „vorläufig zu einer positiven Einschätzung“ des Gesetzentwurfs: „Diese Reform kann ein Beitrag zum Selbstschutz unserer Demokratie sein.“ Der Verfassungsschutz dürfe „kein zahlloser Tiger“ sein, mahnte Bernd Buchholz (FDP). Er habe aber Bedenken, ob die geplante Streichung der „Aggressionsklausel“ verfassungsgemäß sei. Eine reine Kritik an der freiheitlichen Demokratie sei noch kein Eingriffsgrund – es müsse auch das Bestreben erkennbar sein, die Grundordnung zu beseitigen.

Auch Sybilla Nitsch (SSW) meldete „hohen Diskussionsbedarf“ an. So sei vorgesehen, bereits Jugendliche ab 14 Jahren in den Blick zu nehmen. „Kinder sind besonderes schutzbedürftig“, so Nitsch, „sie haben ein Recht auf Privatsphäre und Entwicklung“.

 

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Hat Bedenken, ob die geplante Streichung der „Aggressionsklausel“ verfassungsgemäß ist: Bernd Buchholz (FDP).
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Angesichts einer „verschärften Sicherheitslage“ will die Landesregierung das schleswig-holsteinische Verfassungsschutzgesetz „grundlegend überarbeiten“. Die Behörde als „Früherkennungs- und Frühwarnsystem der wehrhaften Demokratie“ soll laut dem Entwurf aus dem Innenministerium für neue Gefahren gewappnet werden und mehr Zugriffsrechte erhalten als bisher. Zugleich wird die Kontrolle durch Gerichte und das Parlament ausgeweitet. Es handelt sich laut Ministerium um die umfangreichste Änderung seit 2009. Der Landtag berät den Entwurf in Erster Lesung.

Demnach soll nicht, wie bisher, eine „kämpferische, aggressive Haltung“ Voraussetzung für eine Überwachung  durch den Verfassungsschutz sein. Es gebe inzwischen auch „legalistische“, also formal gesetzestreue Bestrebungen, die den demokratischen Rechtsstaat gefährden könnten, so das Innenministerium. Zudem sollen neben „Personenzusammenschlüssen“ auch Einzelpersonen stärker in den Blick genommen werden. Insbesondere im Bereich des Islamismus gebe es vermehrt „Einzeltäterinnen und Einzeltäter“.  

Klare Regeln für V-Leute und verdeckte Methoden

Zudem sollen die Grenzen für den Einsatz von Vertrauenspersonen, auch „V-Leute“ genannt, klarer geregelt werden. So soll es eine gerichtliche Vorab- und Begleitkontrolle für besonders „eingriffsintensive“ Mittel wie den Einsatz von V-Leuten geben. Die Vertrauenspersonen dürften keinen steuernden Einfluss auf die zu beobachtende Gruppe haben. Dies ist eine Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum NPD-Verbot. Das Gericht hatte sein Nein zu einem Parteiverbot im Jahr 2003 damit begründet, dass V-Leute in der NPD-Führungsebene aktiv waren.  

Der Entwurf sieht außerdem neue Möglichkeiten zur Wohnraumüberwachung vor, wenn dies der „effektiven Bekämpfung gewaltbereiter Extremistinnen und Extremisten sowie Terroristinnen und Terroristen“ dient. Dazu zählen verdeckte „technische Mittel zur heimlichen optischen und akustischen Überwachung und Aufzeichnung“. Allerdings muss die richterliche Anordnung nach jeweils einem Monat neu erteilt werden. Die erhobenen Daten dürfen nur an andere Sicherheitsbehörden weitergereicht werden, wenn eine „konkrete Gefahr“ besteht.  

Parlament erhält stärkere Kontrollrechte

Überdies soll die Rolle des parlamentarischen Kontrollgremiums gestärkt werden. Dies erhält dem Ministerium zufolge zusätzliche Befugnisse wie Akteneinsicht und Zutrittsrechte zu den Räumen des Verfassungsschutzes. Nachrichtendienstliche Mittel gegen Landtagsabgeordnete und deren Mitarbeiter sind laut Gesetzentwurf möglich. Die Landtagspräsidentin muss darüber informiert werden. Nach Ende der Maßnahme muss auch die überwachte Person eingeweiht werden. 

Die neuen Kontrollmaßnahmen gehen auch auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2022 zurück. Damals kippte das Gericht das bayerische Landesverfassungsschutzgesetz. Das Gericht betonte, dass schwere Grundrechtseingriffe, etwa durch nachrichtendienstliche Mittel, einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen müssen. 

Top 11:

Gesetzentwurf:

– Drucksache 20/3754