Angesichts einer „verschärften Sicherheitslage“ will die Landesregierung das schleswig-holsteinische Verfassungsschutzgesetz „grundlegend überarbeiten“. Die Behörde als „Früherkennungs- und Frühwarnsystem der wehrhaften Demokratie“ soll laut dem Entwurf aus dem Innenministerium für neue Gefahren gewappnet werden und mehr Zugriffsrechte erhalten als bisher. Zugleich wird die Kontrolle durch Gerichte und das Parlament ausgeweitet. Es handelt sich laut Ministerium um die umfangreichste Änderung seit 2009. Der Landtag berät den Entwurf in Erster Lesung.
Demnach soll nicht, wie bisher, eine „kämpferische, aggressive Haltung“ Voraussetzung für eine Überwachung durch den Verfassungsschutz sein. Es gebe inzwischen auch „legalistische“, also formal gesetzestreue Bestrebungen, die den demokratischen Rechtsstaat gefährden könnten, so das Innenministerium. Zudem sollen neben „Personenzusammenschlüssen“ auch Einzelpersonen stärker in den Blick genommen werden. Insbesondere im Bereich des Islamismus gebe es vermehrt „Einzeltäterinnen und Einzeltäter“.
Klare Regeln für V-Leute und verdeckte Methoden
Zudem sollen die Grenzen für den Einsatz von Vertrauenspersonen, auch „V-Leute“ genannt, klarer geregelt werden. So soll es eine gerichtliche Vorab- und Begleitkontrolle für besonders „eingriffsintensive“ Mittel wie den Einsatz von V-Leuten geben. Die Vertrauenspersonen dürften keinen steuernden Einfluss auf die zu beobachtende Gruppe haben. Dies ist eine Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum NPD-Verbot. Das Gericht hatte sein Nein zu einem Parteiverbot im Jahr 2003 damit begründet, dass V-Leute in der NPD-Führungsebene aktiv waren.
Der Entwurf sieht außerdem neue Möglichkeiten zur Wohnraumüberwachung vor, wenn dies der „effektiven Bekämpfung gewaltbereiter Extremistinnen und Extremisten sowie Terroristinnen und Terroristen“ dient. Dazu zählen verdeckte „technische Mittel zur heimlichen optischen und akustischen Überwachung und Aufzeichnung“. Allerdings muss die richterliche Anordnung nach jeweils einem Monat neu erteilt werden. Die erhobenen Daten dürfen nur an andere Sicherheitsbehörden weitergereicht werden, wenn eine „konkrete Gefahr“ besteht.
Parlament erhält stärkere Kontrollrechte
Überdies soll die Rolle des parlamentarischen Kontrollgremiums gestärkt werden. Dies erhält dem Ministerium zufolge zusätzliche Befugnisse wie Akteneinsicht und Zutrittsrechte zu den Räumen des Verfassungsschutzes. Nachrichtendienstliche Mittel gegen Landtagsabgeordnete und deren Mitarbeiter sind laut Gesetzentwurf möglich. Die Landtagspräsidentin muss darüber informiert werden. Nach Ende der Maßnahme muss auch die überwachte Person eingeweiht werden.
Die neuen Kontrollmaßnahmen gehen auch auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2022 zurück. Damals kippte das Gericht das bayerische Landesverfassungsschutzgesetz. Das Gericht betonte, dass schwere Grundrechtseingriffe, etwa durch nachrichtendienstliche Mittel, einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen müssen.