
„EVi für alle. Jetzt“, forderte SPD-Bildungspolitiker Martin Habersaat.
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Foto: Landtag, Sönke Ehlers
In einer intensiven Debatte diskutierte der Landtag über die geplante Einführung des neuen Verfahrens „Entwicklungsfokus Viereinhalbjährige“ (EVi). Die Auseinandersetzung erhielt zeitweise Grundsatzcharakter, drehte sich aber im Kern um das Tempo der Umsetzung und die Frage, ob EVi – bislang in einer Pilotphase – früher als 2028 im ganzen Land greifen soll. Grundlage ist ein Verfahren in vier Stufen, das die Kompetenzfeststellung und Förderung künftig verbindlich bündeln und die Zusammenarbeit von Kitas und Grundschulen vereinheitlichen soll. Der Antrag der SPD wurde mit den Stimmen der Koalition abgelehnt, der Alternativantrag von CDU und Grünen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Die SPD sieht in EVi einen zentralen Hebel für mehr Chancengerechtigkeit – und wirft der Landesregierung vor, zu spät zu handeln. „EVi für alle. Jetzt“, forderte SPD-Bildungspolitiker Martin Habersaat und kritisierte die bisherige Umsetzung als „zukunftsvernichtend“. Schleswig-Holstein lasse jedes Jahr tausende Kinder mit Förderbedarf unberücksichtigt, obwohl andere Bundesländer längst flächendeckende Modelle etabliert hätten. „Wer das weiß, und nichts dagegen tut, handelt zukunftsvernichtend“, sagte Habersaat und verwies auf rückläufige Lese- und Schreibkompetenzen. Die SPD fordert deshalb einen landesweiten Start bereits im kommenden Jahr.
Alle Kinder müssen erfasst werden

CDU-Bildungspolitiker Martin Balasus: „Schnellschüsse lehnen wir ab.“
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Bildungsministerin Dorit Stenke (CDU) stellte sich der Kritik vehement entgegen. EVi verlange neue Kooperationsstrukturen, umfangreiche Schulungen und eine belastbare rechtliche Grundlage. „Wir müssen die Menschen qualifizieren – und wir wollen sie gut qualifizieren“, betonte sie. Evi müsse am Ende an jedem Ort im Land funktionieren – eine übereilte Umsetzung gefährde Qualität und Verlässlichkeit, so die Ministerin.
Mit Blick auf die Forderung nach einer beschleunigten Einführung sagte Stenke: „Das haben wir uns nicht getraut, weil wir wissen, was dahinter steht.“ Zugleich unterstrich sie, dass künftig alle Kinder erreicht würden – auch jene ohne Kita-Besuch: „Natürlich werden wir regeln, dass alle Kinder erfasst werden.“ Der entsprechende Gesetzesentwurf solle in den kommenden Monaten vorgelegt werden.
Strukturierter Ausbau statt Beschleunigung

„Von außen mag sich das simpel anhören – das ist es nicht“, sagte Catharina Nies (Grüne).
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Die Koalitionsfraktionen von CDU und Grünen verwiesen auf ihren Alternativantrag, der den bestehenden Zeitplan bis 2028 bestätigt und die vier Verfahrensschritte – von der Erprobung bis zur landesweiten Umsetzung – ausdrücklich bekräftigt.
CDU-Bildungspolitiker Martin Balasus warnte, eine schnellere Ausweitung ignoriere die unterschiedlichen Bedingungen in den rund 1.800 Kitas und 400 Schulen des Landes. „Schnellschüsse lehnen wir ab“, sagte er. Die Pilotphase habe gezeigt, wie verschieden EVi vor Ort funktioniere; ein stufenweises Vorgehen sei daher unerlässlich. Auch die Grünen betonten die Komplexität der Vorbereitung. „Von außen mag sich das simpel anhören – das ist es nicht“, sagte Catharina Nies. Gemeinsame Kompetenzfeststellungen, standardisierte Bögen, Fortbildungen und gesetzliche Anpassungen ließen eine Einführung schon 2026 nicht zu.
SSW: „Ein echter Game-Changer – aber 2028 ist zu spät“
Heiner Garg (FDP) kritisierte, dass zentrale Informationen zu EVi über die Medien verbreitet worden seien, bevor Parlament und Fachgremium eingebunden wurden. „So diskutiert man doch nicht ernsthaft ein so wichtiges Thema“, sagte er. Er unterstützte den Wunsch nach einem früheren „Rollout“ und verwies auf Erfahrungen aus Hessen, die ein schnelleres Vorgehen ermöglichen könnten. Zudem stellte er die Frage: „Werden Familienzentren, Kinderärztinnen und Kinderärzte, Einwohnermeldeämter einbezogen?“
Jette Waldinger-Thiering (SSW) verwies auf den hohen Förderbedarf im Probelauf: Viele Kinder würden weiterhin unzureichend vorbereitet eingeschult. Entscheidend seien verlässliche Strukturen zwischen Kita und Schule sowie klare Förderwege. „Es muss mehr Flexibilität im Übergang von Kita in Schule entstehen“, sagte sie und warnte, die Einführung dürfe „nicht bis zum Sommer 2028“ warten.

Verwies auf den hohen Förderbedarf im Probelauf: Jette Waldinger-Thiering (SSW).
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