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19. September 2017 - Streit über Laptop-Nutzung

Moderne Technik darf auch klappern

Gehören Laptops in den Plenarsaal? Darüber stritt der frisch gewählte Landtag im September vor fünf Jahren. Die neue Geschäftsordnung sah aufgrund des Tastengeklappers ein Laptop-Verbot vor. Nur die damaligen Parlamentsneulinge, die Piraten, sträubten sich gegen ein solches Verbot – und holten als Protest eine Schreibmaschine raus.

Piraten im Plenarsaal mit Laptops, September 2012
Piraten im Plenarsaal mit Laptops, September 2012
© Foto: Thomas Eisenkrätzer

Heute sehen Abgeordnete, die damals an der Debatte beteiligt waren, das Thema gelassen. Die Notebook-Nutzung ist weiter erlaubt. Zum Teil gibt es sogar anerkennende Worte für die Piraten und ihre Vorreiterrolle in Sachen mobile Technik.

1. Damals

Am Anfang war im Parlament das gesprochene Wort – und nur das gesprochene Wort. Ergreifen darf es, wer vom Landtagspräsidenten die Redeerlaubnis bekommen hat. Das galt und gilt im Plenarsaal nach wie vor. Aber: Inzwischen existiert, wann immer ein Abgeordneter zum Parlament spricht, parallel dazu ein digitales Stimmengewirr – Smartphones, Tablets und Notebooks machen es möglich.

Vor fünf Jahren, im September 2012, war die Nutzung von Laptops im Plenarsaal den Fraktionen eine Debatte um die Geschäftsordnung wert. Der Ältestenrat hatte sich mehrheitlich darauf verständigt, den Laptop-Gebrauch im Plenum zu untersagen. Die Parlamentsneulinge der Piraten-Partei wollten erreichen, dass neben Handys und Tablets auch Notebooks im Plenarsaal weiter zulässig sind. Wann immer Abgeordnete miteinander diskutieren, sollten die Bürger virtuell mit am Tisch sitzen können.

Klappernde Tastaturen als Störfaktor

Der Pirat Uli König argumentierte damals, Tablets allein reichten nicht aus: Auf einem kleinen Tablet kann ich nicht so viele Dokumente darstellen, nebeneinander halten und nachgucken, wo die Änderungen sind – und damit der eigentliche Knackpunkt, über den wir gerade reden. Er bot an, den anderen Abgeordneten zu zeigen, wie seine Fraktion arbeite. Die Kollegen wollten aber keine Nachhilfe. Sie lehnten Laptops ab, da die klappernden Tastaturen und die Lüfter zu viel Lärm produzieren und damit die parlamentarische Auseinandersetzung erschweren würden.

In der weiteren Debatte wurde es grundsätzlich, zum Teil sogar polemisch. Birgit Herdejürgen (SPD) sprach davon, dass sich die Piraten in der armen Rolle des Opfers gefallen würden. Demokratie bedeutet nicht, dass sechs Abgeordnete dem Parlament vorschreiben können, was richtig und falsch ist, befand Wolfgang Kubicki (FDP).

Pirat Patrick Breyer mit einer Schreibmaschine im Plenarsaal, 2012
Noch weniger geräuscharm als Notebooks: Pirat Patrick Breyer verlieh seinem Protest mit einer alten Schreibmaschine Ausdruck.
Foto: Thomas Eisenkrätzer

Breyer: Ich bin froh, dass mir das Atmen noch erlaubt sein soll

Die Piraten wiederum witterten bei den anderen Fraktionen einen mangelnden Willen zur Transparenz. Sie wollen private Nachrichten verbieten, Sie wollen auch (…) politische Debatten über soziale Netzwerke verbieten (…), und Sie wollen Berichte über Absprachen im Ältestenrat verbieten. Ich bin froh, dass mir hier noch das Sprechen und Atmen im Plenarsaal erlaubt sein soll, griff Patrick Breyer (Piraten) die die Politiker der anderen Fraktionen scharf an. Die Debatte gipfelte schließlich darin, dass er und die Piratin Angelika Beer Schreibmaschinen vor sich aufbauten, Papier einspannten und im Plenarsaal anfingen zu tippen.

2. Heute


Fünf Jahre liegt das zurück. Die Nutzung von Laptops im Parlament ist weiter erlaubt – sofern sich Sitznachbarn nicht gestört fühlen. Der Pulverdampf von damals ist längst verzogen. Abgeordnete, die an der Debatte beteiligt waren, sehen das Ganze heute gelassen. Mehr noch. Es gibt sogar Anerkennung für die Piraten, die mittlerweile keinen Sitz mehr im Parlament haben. Sie haben in Sachen moderne Mediennutzung Maßstäbe gesetzt, meint beispielsweise Petra Nicolaisen (CDU).

Dolgner: Wo ist das Problem?

Ich hielt das Verbot von Laptops ohnehin nicht für sachdienlich, sagt Kai Dolgner (SPD) rückblickend und fragt Wo ist das Problem? Der Sozialdemokrat nutzt, wenn er im Plenum längere Texte schreibt, einen tragbaren Rechner, der sich zu einem Laptop umfunktionieren lässt - also ein Gerät mit einem an- und abbaubaren Bildschirm.

Dank der Klapprechner müsse man nicht für jede Pressemitteilung, die man verschicken wolle, den Plenarsaal verlassen. Andernfalls würde sich der Landtag in einen Raum mit vielen unbesetzten Stühlen verwandeln, ist sich Dolgner sicher. Das ist dann eine Optik wie im Bundestag, die wir nicht haben wollen.

Kumbartzky: Kein schöner Anblick vom Rednerpult

Bei Landtagsvizepräsident und FDP-Abgeordneten Oliver Kumbartzky (FDP) hält sich die Begeisterung für den Einsatz von Notebooks in Grenzen: Wenn man vom Rednerpult aus auf lauter Laptops guckt, sieht das nicht so gut aus, meint er. Er selbst nutzt zumeist ein Tablet. Die Geräte sind geräuschloser.

Laptop, Tablet, Smartphone - wofür werden die Rechner im Plenum gebraucht? Wenn Leute im Parlament mit Paragrafen um sich schmeißen, recherchiere ich nach, sagt die Christdemokratin Nicolaisen. Ihre Fraktion hat zudem Whatsapp-Gruppen für die verschiedenen Fachbereiche gebildet. Dadurch ist jeder immer auf dem gleichen Wissensstand, sagt sie. Sie selbst gehört dem Kreis der Innen- und Rechtsexperten der Union an.

Faktencheck per Mausklick

Wenn etwas nicht mein Leib- und Magenthema ist, kann ich während der Debatte Mails beantworten, nennt Lars Harms (SSW) einen weiteren Vorteil der digitalen Technik. Außerdem lese er am Tablet Zeitung. Was seltener passiert, ist, dass ich während einer Plenarsitzung Inhalte von Rednern gegenchecke.

Der FDP-Abgeordnete Kumbartzky findet, dass durch die Möglichkeit, Redebeiträge spontan gegenchecken zu können, die Debatten besser geworden seien. Er selbst prüfe Aussagen nach oder halte auf Google nach alten Zitaten Ausschau. Viele Dreiminutenbeiträge kommen auf diese Weise zustande, so der Liberale.

E-Mail-Flut erzeugt Arbeitsdruck

Der Nutzen der digitalen Technik ist also unstrittig unter den Abgeordneten. Doch der stetige Informationsfluss, den die Geräte ermöglichen, hat auch seine Kehrseite: Er erzeugt einen immensen Arbeitsdruck. Es hagelt beispielsweise Mails. Zwischen 50 bis 80 bekomme er am Tag, sagt Kumbartzky. Darunter seien viele Bürgeranfragen und Kommentare zu Reden, die er gehalten habe.

Das Leben sei zuletzt im Allgemeinen immer hektischer geworden, konstatiert SSW-Vertreter Harms. Mit Blick auf die schiere Masse elektronischer Post stellt er unmissverständlich klar: Wir Abgeordneten können nicht immer gleich auf jede Mail antworten.

Voß: Nicht zu Gefangenen der Technik machen

Bernd Voß (Grüne) macht sich Gedanken über die Erwartungshaltung, die durch den Siegeszug der digitalen Technik entstanden ist. Auf der einen Seite müssen wir Abgeordnete Mails wegarbeiten. Auf der anderen Seite heißt es bei den Besuchergruppen im Landtag häufig: Im Plenum hören Sie ja gar nicht zu. Grundsätzlich ziehe er, sagt Voß, das direkte Gespräch mit den Menschen immer noch vor. Wir dürfen uns nicht zum Gefangenen der Technik machen.

Das zu verhindern, ist offensichtlich nicht ganz leicht. Ich versuche das Handy am Wochenende auszumachen – das gelingt aber nicht immer, räumt die Christdemokratin Nicolaisen ein.      Von Helge Berlinke

Smartphones auf der Regierungsbank
Smartphones sind längst ein gängiges Informationsmittel während der Plenarsitzung - auch auf der Regierungsbank im März 2017.
Foto: dpa, Carsten Rehder