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§ 1

Erstes Zusammentreten, Wahl der Präsidentin oder des Präsidenten

(1) Der Landtag wird zu seiner ersten Sitzung von der Präsidentin oder dem Präsidenten des letzten Landtages spätestens zum dreißigsten Tag nach der Wahl einberufen.

(2) Den Vorsitz übernimmt die Alterspräsidentin oder der Alterspräsident. Alterspräsidentin oder Alterspräsident ist die- oder derjenige anwesende Abgeordnete, der oder die dem Landtag die längste Zeit angehört hat und der oder die bereit ist, dieses Amt zu übernehmen. Weisen mehrere Abgeordnete eine gleichlange Zugehörigkeit zum Parlament auf, fällt die Präsidentschaft auf den oder die Abgeordnete mit dem höchsten Lebensalter.

(3) Die Alterspräsidentin oder der Alterspräsident eröffnet die erste Sitzung, stellt die ordnungsgemäße Einberufung und die Beschlußfähigkeit fest, ernennt zwei Abgeordnete zu vorläufigen Schriftführerinnen oder Schriftführern und bildet mit ihnen ein vorläufiges Präsidium.

(4) Die Alterspräsidentin oder der Alterspräsident läßt die Präsidentin oder den Präsidenten in geheimer Wahl für die Dauer der Wahlperiode wählen und nimmt die Vereidigung vor.

(5) Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erhält. Ergibt sich eine solche Mehrheit nicht, so kommen die beiden Abgeordneten mit den höchsten Stimmenzahlen in die engere Wahl. Bei Stimmengleichheit entscheidet das von der Alterspräsidentin oder dem Alterspräsidenten zu ziehende Los.

Kommentar

1. Allgemeines zur konstituierenden Sitzung (Absatz 1)

Bei konsequenter Anwendung des aus der Geschäftsordnungsautonomie des Parlaments folgenden Grundsatzes, dass jeder Landtag sich seine Geschäftsordnung selbst gibt, wäre § 1 ein juristisches Kuriosum. Er hätte nämlich gar keinen Anwendungsbereich. Der Landtag, der ihn beschließt, hat die darin geregelten Gegenstände erledigt. Für den nächsten Landtag, der ihn anwendet, hätte er keine Geltung mehr. Unbestritten ist nämlich, dass die Geschäftsordnung des bisherigen Landtags der Diskontinuität unterliegt, so dass der neu gewählte Landtag zunächst einer Geschäftsordnung entbehrt, bis er sich eine neue gegeben oder die alte förmlich übernommen hat (Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 1 GO-BT, Erl. II c). Die Eröffnung und der Ablauf der ersten Sitzung eines neu gewählten Landtags beruhten deshalb – streng genommen – nicht auf § 1, sondern auf einer interfraktionellen Verständigung, dementsprechend zu verfahren; sie muss vom Haus mindestens stillschweigend gebilligt werden. Soweit ersichtlich, ist weder im Schleswig-Holsteinischen Landtag noch in anderen Landesparlamenten oder im Deutschen Bundestag jemals abweichend verfahren worden, wenn man einmal von Detailregelungen absieht (vgl. Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, § 1 GO-BT, RN 6; vgl. unten zu 2.).

Eine Besonderheit gilt in der konstituierenden Sitzung auch hinsichtlich der Beachtung von Fristvorschriften. Für die zu dieser Sitzung eingebrachten Anträge wird üblicherweise von der Einhaltung von Einbringungsfristen abgesehen. Die Notwendigkeit hierfür ergibt sich wiederum aus der Diskontinuität der Geschäftsordnung; denn diese führt dazu, dass Fristvorschriften in dem Zeitpunkt, in dem sie hätten erfüllt werden können, noch gar nicht in Kraft waren.

Bei der konstituierenden Sitzung kommt der mit der Einladung versandten vorläufigen Tagesordnung auch nicht die in § 51 Abs. 1 und 3 zugemessene Bedeutung zu. Der Landtag entscheidet vielmehr durch Mehrheitsbeschluss über die Aufnahme aller bis zum Sitzungsbeginn eingegangenen Anträge in die Tagesordnung.

Der neu gewählte Landtag wird zu seiner ersten Sitzung durch die Präsidentin oder den Präsidenten des vorherigen Landtags einberufen (Absatz 1).

2. Alterspräsidentin oder Alterspräsident (Absatz 2 und 3)

Die Regelung, wonach die- oder derjenige anwesende Abgeordnete Alterspräsidentin oder Alterspräsident ist, die oder der dem Landtag die längste Zeit angehört hat und bereit ist, dieses Amt zu übernehmen, stellte bei der Einführung eine schleswig-holsteinische Besonderheit dar. Bis zur 12. Wahlperiode galt die bundesweit allgemein übliche Regelung, nach der Alterspräsidentin oder Alterspräsident die oder der älteste anwesende Abgeordnete ist, die oder der dieses Amt zu übernehmen bereit ist.

In der konstituierenden Sitzung des Landtags der 13. Wahlperiode führte der Abgeordnete Claussen aufgrund einer interfraktionellen Vereinbarung aus:

„Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktionen der SPD, der CDU, der F.D.P. und der Abgeordnete Karl Otto Meyer haben mich als den dienstältesten Abgeordneten beauftragt, diese konstituierende Sitzung zu eröffnen und bis zur Wahl und Vereidigung der Landtagspräsidentin zu leiten. Ich übernehme daher mit der Zustimmung der großen Mehrheit dieses Hohen Hauses die Aufgabe des Alterspräsidenten.“ (PlenProt 13/1 der ersten Sitzung des Landtags der 13. Wahlperiode vom 5. Mai 1992, S. 3).

Dementsprechend beschloss der Landtag die Regelung des § 1 Abs. 2 n. F.

Entsprechend der Regelung der Geschäftsordnung stellt die Landtagsverwaltung vor der konstituierenden Sitzung aufgrund ihrer Unterlagen fest, wer voraussichtlich für die Funktion der Alterspräsidentin oder des Alterspräsidenten in Frage kommt, und fragt bei dieser Person an, ob sie bereit ist, das Amt zu übernehmen. Die Alterspräsidentin oder der Alterspräsident vergewissert sich zu Beginn der Sitzung durch Befragen der übrigen anwesenden Mitglieder des Landtags darüber, ob die Voraussetzungen zutreffend angenommen worden sind. Ist die oder der „dienstälteste“ Abgeordnete nicht bereit oder in der Lage (zum Beispiel wegen Erkrankung) das Amt des Alterspräsidenten zu übernehmen, so steht es dem nächst dienstältesten Mitglied zu, das zu seiner Übernahme bereit ist. Bei gleichem Dienstalter ist das höhere Lebensalter entscheidend.

3. Formale Feststellung und vorläufiges Präsidium (Absatz 3)

Die in Absatz 3 vorgesehenen Formalien wurden nicht immer streng in der dort vorgesehenen Reihenfolge abgewickelt. Manchmal wurde zunächst das vorläufige Präsidium gebildet und erst alsdann die ordnungsgemäße Einberufung und die Beschlussfähigkeit des Landtags festgestellt. Die Feststellung der Beschlussfähigkeit erfolgt in der Weise, dass die Alterspräsidentin oder der Alterspräsident zunächst das ihr oder ihm vom Landeswahlleiter mitgeteilte Wahlergebnis bekannt gibt und die Anwesenheit der gewählten Abgeordneten feststellt. Im Anschluss daran stellt die Alterspräsidentin oder der Alterspräsident, soweit sich nicht Bedenken ergeben haben sollten, die ordnungsgemäße Einberufung und die Beschlussfähigkeit fest. Bisher sind noch nie Bedenken gegen die ordnungsgemäße Einberufung und die Beschlussfähigkeit des Plenums bei der ersten Landtagssitzung geltend gemacht worden.

4. Wahl und Vereidigung der Landtagspräsidentin oder des Landtagspräsidenten (Absatz 4 und 5)

Die Landtagspräsidentin oder der Landtagspräsident ist gemäß Absatz 4 in geheimer Wahl zu wählen. Aus dem Fehlen einer dem § 3 Abs. 1 Satz 2 entsprechenden Vorschrift ist im Umkehrschluss zu folgern, dass bei der Wahl der Präsidentin oder des Präsidenten auf die geheime Abstimmung nicht verzichtet werden kann.

Die Präsidentin oder der Präsident wird im Verfahren der Mehrheitswahl gewählt. In der Praxis wird der stärksten Fraktion das Vorschlagsrecht zugestanden, so dass es im Allgemeinen nicht zu Kampfabstimmungen kommt (zum Rechtscharakter dieser Übung als Konventionalregel vgl. Meyn, Parlamentsbrauch und Fraktionsgemeinschaft, in: JZ 1977, S. 167).

Bei seiner Vereidigung spricht die Präsidentin oder der Präsident die gleiche Eidesformel, wie sie in § 2 Abs. 2 für alle Abgeordneten vorgesehen ist. Mit der Vereidigung der neu gewählten Präsidentin oder des neu gewählten Präsidenten endet das Amt der Alterspräsidentin oder des Alterspräsidenten. Für den weiteren Verlauf der Sitzung übernimmt die gewählte Präsidentin oder der gewählte Präsident die Leitung.

Nach Absatz 4 wird die Präsidentin oder der Präsident für die Dauer der Wahlperiode gewählt. Die Geschäftsordnung schweigt zur Möglichkeit einer Abberufung. Hierzu trifft allerdings die Landesverfassung eine Regelung: Nach Artikel 20 Abs. 2 LV können die Präsidentin oder der Präsident und die Vizepräsidentinnen oder Vizepräsidenten durch Beschluss des Landtags abberufen werden. Dieser Beschluss setzt einen Antrag der Mehrheit der Mitglieder des Landtags voraus. Er bedarf der Zustimmung einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags.

Kommentar zur Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages

Stand: 28. Dezember 2022

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