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Keine Abschiebungen von Arbeitskräften

Bei uns im Land kann bleiben, wer sich gut integriert und Teil unserer Gesellschaft sein möchte oder bereits ist das sagte unser Ministerpräsident Daniel Günther am 21.12.2024 im Interview mit den Kieler Nachrichten.
Leider sieht die Realität anders aus. In den letzten Monaten wurden viele Menschen, die seit Jahren in Schleswig-Holstein leben und arbeiten, abgeschoben. Menschen, die sich integrieren, Deutsch sprechen und wichtig für die Wirtschaft sind, werden von der Polizei bei der Arbeit oder zuhause, am Tag oder mitten in der Nacht abgeholt, zum Flughafen gefahren und abgeschoben.
Was bedeutet das für die Menschen in Schleswig-Holstein?
Für Unternehmen und Kollegen, die sich bei der Arbeit Mühe geben, Geflüchtete zu integrieren und auszubilden?
Für Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren? Die sich jahrelang mit viel Zeit und Motivation für diese Menschen eingesetzt und die Integration unterstützt haben?
Für die Geflüchteten, wenn am Ende diejenigen abgeschoben werden, die all das machen, was von ihnen erwartet wird: den Pass abgeben, arbeiten und einen festen Wohnsitz haben. Sie können am leichtesten aufgegriffen und abgeschoben werden und halten nun dafür her, dass sich medienwirksam die Abschiebequote erhöht.
Das Abschieben von Menschen, die sich integrieren, arbeiten und sich nichts zu Schulden kommen lassen, dient nicht dem Wohl der Allgemeinheit und wirkt sich negativ auf die Wirtschaft aus. Gastronomiebetriebe müssen schließen oder ihr Angebot einschränken, weil ihnen die Arbeitskräfte fehlen. In den Krankenhäusern und Pflegeheimen herrscht Pflegenotstand. Wieso werden arbeitende Menschen abgeschoben und dann wird gleichzeitig im Ausland nach Arbeitskräften gesucht? Warum werden Menschen abgeschoben, in die jahrelang investiert wurde mit Sprachkursen, Integrationsmaßnahmen, ehrenamtlicher Unterstützung durch Bürgerinnen und Bürger und vieles mehr. Wir brauchen nicht nur hochqualifizierte Fachkräfte, sondern auch die Menschen, die für Lieferdienste fahren, in der Gastronomie arbeiten, in den Bäckereien nachts sauber machen und die LKWs beladen. Abschiebungen von Mitarbeiter*innen sind nicht im Interesse der Unternehmen in Schleswig-Holstein.
Wir fordern, dass Geflüchtete, die arbeiten, sich integrieren und in Schleswig-Holstein und Deutschland ein Zuhause gefunden haben, nicht abgeschoben werden.
Der Petitionsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages hat die öffentliche Petition, die von 2.302 Personen unterstützt wird, auf der Grundlage der von der Petentin auch im Rahmen einer öffentlichen Anhörung vorgetragenen Gesichtspunkte und einer Stellungnahme des Ministeriums für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung beraten.
Die Petentin setzt sich dafür ein, Abschiebungen von Menschen zu unterbinden, die sich in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis befinden. Bei dieser Personengruppe handele es sich um Geflüchtete, die sich bemühen, sich integrieren, die gesetzlichen Vorgaben einhalten und die Wirtschaft mit ihrer Arbeitskraft unterstützen würden. Gleichwohl würden in der Praxis gerade diese Menschen abgeschoben, da sie aufgrund ihrer Terminwahrnehmungen und beruflichen Einbindung besonders leicht erreichbar seien. Im Ergebnis würden gerade die Personen abgeschoben, die aufgrund ihrer guten Integration und der Einbindung in den Arbeitsmarkt einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Dies sei vor dem Hintergrund der erfolgten Integrationsleistungen durch die Geflüchteten sowie dem so ins Leere laufenden Engagement von Unternehmen und ehrenamtlichen Helfern nicht vermittelbar.
Der Petitionsausschuss teilt die Einschätzung der Petentin, dass die Aufnahme einer Arbeit oder Ausbildung zu den wichtigsten und wirksamsten Schritten einer gelungenen Integration gehört. Zugleich ist die Arbeitskraft ausländischer Beschäftigter für den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein von erheblicher Bedeutung.
Vor diesem Hintergrund hält der Ausschuss es für sinnvoll, dass die berufliche Qualifizierung und Vermittlung Geflüchteter in Schleswig-Holstein im Rahmen des Maßnahmenpakets Arbeitsmarktintegration gezielt gefördert wird. Dazu gehören ein frühzeitiges „Grundkompetenzscreening“ und eine anschließende Beratung durch die Bundesagentur für Arbeit. Auf diese Weise werden Qualifikationen und Kompetenzen von Geflüchteten direkt nach ihrer Ankunft in den Landesunterkünften erfasst und durch passende Maßnahmen weiterentwickelt. Ziel ist es, Geflüchtete schneller und gezielter in die Beratung der Arbeitsagenturen und Jobcenter im Norden zu vermitteln und die Zeit bis zur Arbeitsaufnahme zu verkürzen. Ergänzend stehen landesweite Ansprechstellen wie die Netzwerke "Alle an Bord! – Perspektive Arbeitsmarkt (PAM)" und "B.O.A.T. - Beratung. Orientierung. Arbeit. Teilhabe - Integrationsförderung für Geflüchtete in Schleswig-Holstein" zur Verfügung.
Die Kritik der Petentin, dass trotz erkennbarer Integrationsbemühungen ausgerechnet Geflüchtete, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, abgeschoben werden, kann der Ausschuss gut nachvollziehen. Es darf keinesfalls der Eindruck entstehen, dass die Behörden sich bei der Vollziehung von Abschiebungen bewusst auf Personen konzentrieren, die aufgrund ihrer Zuverlässigkeit und Erreichbarkeit leichter anzutreffen sind.
Zum rechtlichen Rahmen der Abschiebungen stellt der Ausschuss zunächst fest, dass die Durchführung von Abschiebungen nach geltender Rechtslage nicht im Ermessen der Ausländerbehörden steht. Nach § 58 Absatz 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz ist eine Abschiebung vorzunehmen, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, keine Ausreisefrist gewährt oder diese überschritten wurde und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder überwacht werden muss. Liegen diese Voraussetzungen vor, sind die Behörden gesetzlich verpflichtet zu handeln.
Der Petitionsausschuss begrüßt, dass in den vergangenen Jahren verschiedene Möglichkeiten geschaffen wurden, um Ausreisepflichtigen den Übergang in eine legale Erwerbs- und Ausbildungsmigration zu ermöglichen. Diese umfassen die Beschäftigungsduldung, die Ausbildungsduldung und die Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung. Diese Instrumente sind jeweils an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Dazu gehören eine geklärte Identität, das Fehlen schwerwiegender Straftaten sowie im Falle der Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung ein gesicherter Lebensunterhalt durch das Ausbildungsgehalt. Sind die Voraussetzungen erfüllt, besteht ein Anspruch auf Erteilung der Duldung bzw. Aufenthaltserlaubnis.
Die von der Petentin in der Anhörung vorgetragene Kritik, dass diese Möglichkeiten in der Praxis aufgrund langer Bearbeitungszeiten und unzureichender Beratung durch die Ausländerbehörden häufig nicht genutzt würden, war Anlass für eine weitergehende parlamentarische Befassung mit der Thematik (Plenarprotokoll 20/94). Der Landtag hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, diese aufenthaltsrechtlichen Instrumente aufgrund ihrer hohen integrativen Bedeutung konsequent anzuwenden. Sie eröffnen Perspektiven, schaffen Planungssicherheit für Unternehmen und tragen dazu bei, Fachkräfte zu halten oder zu gewinnen. Die Landesregierung wurde deshalb beauftragt, auf eine proaktive Beratung, eine schnellere Bearbeitung der Verfahren sowie eine landesweit einheitliche Erteilungspraxis hinzuwirken (Drucksache 20/3463).
Weitere Anträge werden derzeit im Innen- und Rechtsausschuss sowie einem umfangreichen schriftlichen Anhörungsverfahrens beraten. Diese betreffen unter anderem einen gesicherten Aufenthaltstitel für die Dauer der Ausbildung (Drucksache 20/3451), eine Aufhebung grundsätzlicher Arbeitsverbote für Geflüchtete (Drucksache 20/3491) sowie eine Abschiebemaßnahmen aussetzende Wirkung der Anträge auf Ausbildungsduldung und Ausbildungsaufenthaltserlaubnis (Drucksache 20/3496).
Der Petitionsausschuss stellt fest, dass die von der Petentin zu Recht aufgezeigte Problematik im parlamentarischen Raum ernst genommen wird. Er verbindet dies mit der Erwartung, dass Geflüchtete künftig im Rahmen des geltenden Rechts besser beraten werden und eine gerechte Chance zur gesellschaftlichen Teilhabe und beruflichen Integration erhalten. Hinsichtlich weiterer Maßnahmen mit diesem Ziel bleiben die Beratungen des Innen- und Rechtsausschusses abzuwarten.
Die Veröffentlichung des Beschlusses erfolgt vorbehaltlich der Bestätigung der Erledigung der Petition durch den Schleswig-Holsteinischen Landtag. Die Bestätigung erfolgt in einer der nächsten Tagungen.