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Verbesserung der Versorgung beim Chronischen Fatigue Syndrom (ME/CFS)

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Durch die Pandemie haben die Krankheitsbilder Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS), welches auch nicht-infektiöse Ursachen haben kann, Post Covid als Infektionsfolge und das vom Beschwerdebild her analoge Post Vac, das sich im Nachgang an eine Impfung entwickelt, mehr Beachtung gefunden. Dennoch bestehen weiterhin große Defizite in der Versorgung, Forschung und Aufklärung zu diesen Krankheitsbildern.

Zur Verbesserung der Situation von Menschen in Schleswig-Holstein, die an ME/CFS, Post Covid oder Post Vac leiden, fordern wir:

1. Dass Sie zusätzliche Schritte unternehmen, die Versorgung in Schleswig-Holstein zu verbessern.

1.1. Es braucht für die große Anzahl an Betroffenen mehr als 2-3 Ambulanzen. Diese sollten interdisziplinäre Anlaufstellen für Diagnostik und Behandlung sein und sich an von Expert*innen bezüglich ME/CFS gesammelten klinischen Erfahrungen orientieren. Darüber hinaus sind Konzepte für telemedizinische Betreuung und aufsuchende Versorgung von Schwer- und Schwerstbetroffenen nötig. Alle Strukturen, die für Long Covid aufgebaut werden, müssen auch für ME/CFS- und Post Vac-Patient*innen zugänglich sein.

1.2. Ferner fordern wir inständig Schutz vor potenziell schädlichen Behandlungen, wie sie jede Rehabilitationsmaßnahme bei Krankheitsbildern mit dem Kernmerkmal der Verschlechterung durch Belastung zwangsläufig darstellt. Es braucht für Betroffene mit dem Symptom der sogenannten post-exertionellen Malaise (PEM) eine Aussetzung des Konzeptes Reha vor Rente und eine dringende Warnung vor aktivierenden Therapien im Allgemeinen.

1.3. Wir fordern des Weiteren, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene für die Aufnahme der entsprechenden Krankheitsbilder in den Katalog von § 116b Abs. 1 Nr. 1 SGB V für das Versorgungsangebot der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung einsetzt.

2. Wir erwarten zudem, dass Sie in Schleswig-Holstein weitere Landesmittel für die biomedizinische Forschung bereitstellen.

2.1. Die Forschungsanstrengungen in Schleswig-Holstein müssen weiter heraufgefahren werden und dem Umstand Rechnung tragen, dass auf dem Gebiet ME/CFS ein jahrzehntelanger Wissensrückstand aufzuholen ist. Wir fordern mehr biomedizinische Grundlagenforschung, ausdrücklich auch zu Post Vac, und Forschung zu medikamentösen Behandlungsoptionen für die oben genannten Krankheitsbilder.

2.2. Es braucht dringend mehr Patientenbeteiligung bei der Erstellung von Konzepten zur Versorgung und bei der Planung von Studien.

2.3. Ferner ersuchen wir um die Finanzierung und Ausschreibung einer Professur mit einem Schwerpunkt, der alle drei Erkrankungen einschließt und eine biomedizinische Ausrichtung hat, zum Beispiel auf dem Gebiet der Neuroimmunologie.

3. Des Weiteren ist es uns ein Anliegen, dass Sie für umfassende Aufklärung in Schleswig-Holstein sorgen, um Stigmatisierung und Psychologisierung einhergehend mit Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen zu stoppen sowie die hohe Zeitspanne bis zur Diagnosestellung zu verringern.

4. Zur Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein fordern wir die Aufklärung von Schulen und Jugendämtern sowie Infektionsschutz an Schulen und in Kitas durch das Aufstellen von Luftfiltern.

Wir regen zudem dringend eine Umsetzung des Lehrplans im Rahmen einer remote-Home-Schooling-Lösung, die Anschaffung und das Werben für die Akzeptanz von Telepräsensroboter-Avataren sowie digital ablegbare Prüfungen inklusive Abschlussprüfungen an.

Beschluss des Petitionsausschusses
29.04.2025

Der Petitionsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages hat die von 2.546 Personen unterstützte öffentliche Petition auf der Grundlage der von der Petentin auch im Rahmen einer öffentlichen Anhörung vorgetragenen Gesichtspunkte und von Stellungnahmen des Ministeriums für Justiz und Gesundheit beraten.

Die Petentin macht auf die Krankheit Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) sowie die Krankheitsbilder Long-/Post-COVID und Post-Vac aufmerksam. Die Versorgung von Menschen, die hieran leiden, müsse verbessert werden. Hierzu werden mehr Anlaufstellen für die Beratung und Behandlung, eine Evaluation von Rehabilitationsmaßnahmen, eine Aufnahme der Krankheitsbilder in den Katalog für das Versorgungsangebot der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung, weitere Landesmittel für die biomedizinische Forschung, mehr Patientenbeteiligung bei der Erstellung von Konzepten zur Versorgung und bei der Planung von Studien sowie eine Entstigmatisierung Erkrankter durch bessere Aufklärung gefordert. Kinder und Jugendliche sollen durch effektive Maßnahmen in Kindertagesstätten und Schulen vor einer Infektion geschützt werden.

Dem Petitionsausschuss ist bewusst, dass betroffene Patientinnen und Patienten unter einer erheblichen individuellen Belastung stehen, die gewohnte Abläufe des Alltags in Frage stellt und die Lebensqualität massiv einschränkt. Häufig leiden die Betroffenen unter schwerwiegender körperlicher Schwäche, sogenannter Fatigue. Die Symptome können sich zudem nach geringer körperlicher oder geistiger Anstrengung verschlimmern. Diese und weitere belastende Symptome wurden nicht nur im Rahmen der öffentlichen Anhörung in eindrücklicher Weise verdeutlicht. Zugleich stellt die Vielzahl der zunächst oft unspezifischen Symptome, die auch im Kontext anderer Erkrankungen auftreten, eine medizinische Herausforderung dar, Post-COVID- oder ME/CFS-Erkrankungen sicher zu erkennen und zuzuordnen.

Der Ausschuss begrüßt daher, dass nach der Anhörung im Petitionsausschuss eine weitere Befassung mit der Thematik im parlamentarischen Raum erfolgt ist. So wurde der durch die Landesregierung erarbeitete „Bericht zur Situation von Post-Covid und ME/CFS Erkrankten in Schleswig-Holstein“ im Plenum diskutiert und zur eingehenden Auswertung an den Sozialausschuss überwiesen. Dieser hat Anfang 2025 eine umfangreiche Expertenanhörung durchgeführt. Der Petitionsausschuss hält es für unerlässlich, dass auch hier die Perspektive von Betroffenen Eingang gefunden hat.

Bezüglich der geforderten Beteiligung von Betroffenen in der Strukturierung der Behandlung entnimmt der Ausschuss den Stellungnahmen, dass Organisationen, die die Interessen von Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen aus ganz Deutschland vertreten, im Gemeinsamen Bundesausschuss auf Bundesebene mitarbeiten. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben haben sie hier Mitberatungs- und Antragsrechte, jedoch kein Stimmrecht. Auf diese Weise sind die Betroffenen in die Maßgeblichen Beratungen dieser großen Selbstverwaltungsorganisationen im deutschen Gesundheitssystem eingebunden. Auf Antrag kann das Bundesministerium für Gesundheit weitere Organisationen als maßgebliche Patienten- oder Selbsthilfeorganisation anerkennen. Voraussetzung ist, dass die antragstellende Organisation die in der Patientenbeteiligungsverordnung aufgeführten Anforderungen nachweislich erfüllt.

Soweit die Petentin sich für umfangreiche Schutzmaßnahmen in Schulen und Kindertagesstätten zur Vermeidung einer Corona-Infektion ausspricht, weist der Ausschuss darauf hin, dass geeignete Maßnahmen in die Zuständigkeit der jeweiligen Schul- beziehungsweise Kita-Träger fallen. Das Bildungsministerium unterstützt Schulen dabei mit einem Hygieneleitfaden. Kindertagesstätten sind nach dem Infektionsschutzgesetz verpflichtet, einen Hygieneplan vorzuhalten. Der Petitionsausschuss hebt jedoch hervor, dass Infektionen nicht nur dort, sondern ebenfalls im privaten Raum, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Sportvereinen oder anderswo erfolgen können. Eine hundertprozentige Sicherheit kann ohne eine – unmögliche und nicht anzustrebende – komplette Vereinzelung nicht erreicht werden. Ziel muss es sein, eine optimale Versorgung und Behandlung Betroffener zu erreichen.

Diesbezüglich stellt der Petitionsausschuss fest, dass die Versorgung von Patientinnen und Patienten maßgeblich im ambulanten Bereich erfolgt. Er befürwortet, dass die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein ein Post-Covid-Netzwerk etabliert hat, um in diesem Bereich die Abstimmung zwischen Behandelnden zu verbessern. In dem Netzwerk können sich niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Rehabilitationseinrichtungen und Kliniken eintragen lassen. Es finden regelmäßige Treffen und fachliche Austausche statt. Hierdurch sollen Wissen zu Long-COVID in der Ärzteschaft verbreitet und Unsicherheiten im Umgang mit der Krankheit beziehungsweise den Betroffenen reduziert werden.

Einen wichtigen Schritt zu einer besseren Strukturierung der Versorgung der Betroffenen stellt die im Mai 2024 in Kraft getretene Long-COVID-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) dar, in der auch auf die besondere Bedeutung der Hausärztinnen und Hausärzte als erste Ansprechpartner und als Koordinatoren des weiteren Behandlungsweges verwiesen wird. Mit der Richtlinie wird die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf Long-COVID und Erkrankungen, die eine ähnliche Ursache oder Krankheitsausprägung aufweisen, geregelt. Die Richtlinie ist auf der Seite des G-BA abzurufen (www.g-ba.de/richtlinien/141/). Seit dem 1. Januar 2025 sind außerdem neue Leistungen in den Abrechnungskatalog der ambulanten Versorgung gesetzlich Versicherter aufgenommen worden. So werden nunmehr Leistungen wie Basis-Assessments und Fallbesprechungen außerhalb der Budgets stets vollständig vergütet. Neben der hausärztlichen Versorgung als erste Anlaufstellen stehen Betroffenen in Schleswig-Holstein die Spezialambulanzen der Uni-Kliniken in Kiel für Erwachsene und in Lübeck für Kinder und Jugendliche zur Verfügung.

Soweit Post-COVID-Betroffene im Umgang mit ihren Symptomen und Beschwerden eine Verunsicherung der Ärzteschaft beschreiben, entnimmt der Petitionsausschuss den Stellungnahmen, dass teilweise eine Diskrepanz aus verfügbarem hochspezialisiertem und aktuellem Wissen und einer geringen Inanspruchnahme besteht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass viele Hausärztinnen und Hausärzte in ihrer gesamten Praxistätigkeit überhaupt keinen Kontakt zu Post-COVID-Betroffenen haben. Der Ausschuss unterstreicht, dass Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner eine Vielzahl von Erkrankungen behandeln, schwerpunktmäßig im Bereich der Grundversorgung und Prävention. Es ist nachvollziehbar, dass aufgrund des umfassenden Fortbildungsbedarfs eine Fortbildungsveranstaltung mit Schwerpunkt Post-COVID oftmals erst dann gewählt wird, wenn ein behandlungsbedingter Anlass dazu besteht. Der Petitionsausschuss spricht sich daher dafür aus, verstärkt für Fortbildungsangebote, den Austausch im Post-Covid-Netzwerk und eine weitere Sensibilisierung der Ärzteschaft für diese Diagnose zu werben. Spezialisierte Angebote stehen mit den Ambulanzen auch als Onlinesprechstunde zur Verfügung.

Der Petentin ist zuzustimmen, dass es gerade in den Jahren 2020 und 2021 viele Reha-Angebote gab, die den Patientinnen und Patienten nicht gerecht wurden. Das Gesundheitsministerium konstatiert, dass an vielen Stellen erprobt wurde, in Zeiten der geringen Auslastung der Reha-Kliniken ein geeignetes Angebot aufzubauen. Dies hat jedoch vielfach eine ungeeignete Fehlversorgung dargestellt. Der Petitionsausschuss begrüßt, dass in diesem Bereich deutliche Fortschritte zu verzeichnen sind. So bietet beispielsweise die Mühlenbergklinik in Malente in Kooperation mit anderen Kliniken seit dem Frühjahr 2023 eine inter- und multidisziplinäre Post-Covid-Komplexrehabilitation an. Das zunächst als Modellprojekt gestartete Rehabilitationskonzept ist inzwischen in die Regelversorgung gegangen.

Auch wenn bereits Fortschritte erzielt wurden, so ist dem Ausschuss doch bewusst, dass es weiterer Forschung bedarf, um die Behandlung von Post-COVID- und ME/CFS-Erkrankten weiter zu verbessern und insbesondere die Belastungen für die Betroffenen in Folge der Erkrankung zu reduzieren. Viele medizinische Fragen in diesem Kontext sind trotz erheblicher Forschungsanstrengungen im In- und Ausland derzeit noch ungeklärt, so auch die Frage nach den Auslösern der jeweiligen Erkrankungen. Schleswig-Holstein stellt daher Landesmittel zur Förderung der Studie „Follow-Up of Respiratory Infections in Schleswig-Holstein“ (FRISH) und des Exzellenzcluster Infektionsmedizin für chronische Infektionserkrankungen PMI zur Verfügung. Außerdem werden wichtige Erkenntnisse aus dem Projekt COVIDOM gewonnen, welches am UKSH Kiel durchgeführt wird.

Der Ausschuss unterstreicht jedoch, dass offene Fragen in der wissenschaftlichen Erforschung der Krankheitsbilder sowie bestehende Herausforderungen in der Behandlung keinesfalls zu einer Stigmatisierung Betroffener führen dürfen. Die Petentin weist zutreffend darauf hin, dass leider viele Menschen mit ME/CFS und Post COVID-Syndrom aufgrund der zunächst unspezifischen Symptome im Alltag Stigmatisierung am Arbeitsplatz, im Bekanntenkreis oder in der Gesundheitsversorgung erfahren. Dies beeinträchtigt die Lebensqualität und die Selbstakzeptanz von Betroffenen und steht einer angemessenen Versorgung entgegen. Der Petitionsausschuss begrüßt vor diesem Hintergrund, dass am Universitätsklinikum Hamburg die Studie „Stigmatisierung von ME/CFS und Post-COVID und ihre Auswirkungen auf Qualität und Kosten der Gesundheitsversorgung“ durchgeführt wird, die unter Einbeziehung von Betroffenen das Phänomen näher untersucht und Strategien für Maßnahmen zur Verringerung der Stigmatisierung ableitet. Der Ausschuss geht davon aus, dass die Erkenntnisse der Studie Eingang in die schleswig-holsteinische Gesundheitsversorgung finden werden.

Der Petitionsausschuss dankt der Petentin, dass sie sich – trotz ihrer persönlichen Betroffenheit – unter großer persönlicher Anstrengung engagiert, um auf die Krankheitsbilder und die damit verbundenen Probleme aufmerksam zu machen. Er hält es für zielführend, dass der Sozialausschuss den genannten Bericht im Ergebnis seiner Beratung an die Fraktionen geleitet hat, um Initiativen zu entwickeln. Der Petitionsausschuss drückt die Hoffnung aus, dass das Engagement aller dazu führen wird, die Unterstützung Betroffener weiter zu verbessern.

Die Veröffentlichung des Beschlusses erfolgt vorbehaltlich der Bestätigung der Erledigung der Petition durch den Schleswig-Holsteinischen Landtag. Die Bestätigung erfolgt in einer der nächsten Tagungen.

Details

Veröffentlichungsdatum
24.01.2024
Petent/in
Barbara von Eltz
Status
abgeschlossen
Mitzeichnungs­frist abgelaufen
2.546 Mitzeichner