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22. August 2019 – NS-Vergangenheit

„Folgestudie“ beleuchtet Polizei, Verwaltung und Politik

Der Landtag setzt die Aufklärung über die NS-Belastung in der schleswig-holsteinischen Politik, Polizei, Justiz und Verwaltung fort. Ein Flensburger Forscherteam arbeitet an der Studie – und hat nun erste Details präsentiert.

Prof. Uwe Danker (r.) stellt in einer Pressekonferenz sein Konzept für eine Studie zur NS-Vergangenheit von Politikern vor.
Studienleiter Prof. Uwe Danker (r.) von der Uni Flensburg stellt das wissenschaftliche Konzept bei einer Pressekonferenz im Landtag vor. Foto: Landtag, Regina Baltschun

Die Studie zu NS-Verstrickungen von schleswig-holsteinischen Landespolitikern nach 1945 hat vor drei Jahren große Aufmerksamkeit erregt. Nun soll eine „Folgestudie“ weitere Klarheit bringen. Es geht um mögliche „Netze“ von ehemaligen Nazis bis in die 1980er Jahre hinein, um das politische Klima im Landtag, aber auch um Verwaltung, Justiz und Kommunalpolitik. Der Landtag hatte die Studie im April 2018 einstimmig auf den Weg gebracht, im Herbst 2020 soll sie fertig sein.

„Wir klären auf, wir liefern unsere Analysen, aber wir richten nicht“, sagte der Studienleiter, Prof. Uwe Danker von der Uni Flensburg, bei der Vorstellung des wissenschaftlichen Konzepts am Donnerstag in Kiel. Danker ist Direktor der „Forschungsstelle für regionale Zeitgeschichte und Public History“ und arbeitet mit einem zehnköpfigen Team an dem Projekt.

Auch Kommunalpolitik und Polizei werden beleuchtet

In Bezug auf das Landesparlament gebe es noch offene Fragen, so Danker: Wie lief der Umgang zwischen einstigen NSDAP-Parteigängern und Widerstandskämpfern? Wie war es um die politische Kultur und die Sprache bestellt? Gab es möglicherweise eine „Steuerung“ der Landespolitik durch Seilschaften von Alt-Nazis? Danker geht davon aus, dass dies nicht der Fall war, aber: „Ich lasse mich überraschen.“

Darüber hinaus haben die Forscher exemplarisch zwei Kommunalvertretungen ausgewählt: den Kreistag von Süderdithmarschen und die Flensburger Ratsversammlung. Es soll untersucht werden, welche Stadt-Land-Unterschiede es gab. Ein weiterer Fokus liegt auf der Landespolizei. Bereits in den 1960er Jahren war ein Untersuchungsausschuss des Landtages der Frage nachgegangen, ob 120 hochrangige Polizeibeamte während des „Dritten Reiches“ an Gewaltverbrechen beteiligt waren. Dieser Aspekt soll nun noch einmal einer „Analyse auf heutigem Kenntnisstand“ unterzogen werden.

491 Lebensläufe wurden nachgezeichnet

Ebenfalls im Blickpunkt der Forscher sind Gerichte, Staatsanwaltschaften, das Justiz- und das Sozialministerium sowie die Kultur. Hier schauen die Flensburger Historiker auf die Erforschung der Wikinger-Siedlung Haithabu an der Schlei und auf Alfred Kamphausen, der in der NS-Zeit Karriere in der Museumslandschaft machte und nach dem Krieg das Freilichtmuseum in Molfsee bei Kiel mitbegründete.     

Die Biografien von insgesamt 491 Personen sollen unter die Lupe genommen werden. Der erste Arbeitsschritt, die „Aktenwühlerei“, sei nun abgeschlossen, berichtet Danker. In Archiven in ganz Deutschland haben die Forscher Informationen über diesen Personenkreis gesammelt. Nun gehe es an die Auswertung – ob ein Betroffener „oppositionell“ gesinnt war, „angepasst“, „karrieristisch“ oder „exponiert/nationalsozialistisch“.

Prof. Danker erwartet „Grautöne und Überraschungen“

„Wir bemühen uns, die ganze Bandbreite der Wirklichkeit zu erfassen, auch Grautöne und Überraschungen“, betont Danker. „Uns interessieren auch die gebrochenen, teils widersprüchlichen Biografien“. Ein Beirat aus Abgeordneten aller Fraktionen begleitet für den Landtag die Arbeit der Historiker. Vorsitzender ist der Grünen-Abgeordnete Burkhard Peters, der die Bedeutung der Studie für das Parlament unterstreicht: „Die bisherige Arbeit schreit nach einer Fortsetzung.“ Der Landtag fördert das Projekt mit 200.000 Euro.

In der ersten Studie aus dem Jahr 2016 wurden die Lebensläufe von 342 Landtagsabgeordneten nachgezeichnet, die 1927 oder früher geboren wurden. Davon hatten 115 ein braunes Parteibuch – gut ein Drittel. In der Wahlperiode von 1958 bis 1962 hatten sogar 51 Prozent der Abgeordneten eine NS-Vergangenheit.