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16. September 2020 – Anhörung im Umweltausschuss

„Pottkieker-Gesetz“ schmeckt nicht jedem

Mit dem „Pottkieker-Gesetz“ der Landesregierung sollen Bürger die Hygiene in Restaurants schärfer kontrollieren können. Bei einer Anhörung des Umwelt- und Agrarausschusses gab es heute aber viel Kritik an dem Vorhaben.

Ein Lebensmittelkontrolleur überprüft bei einer Betriebskontrolle die Temperatur einer Fleischware
Ein Lebensmittelkontrolleur überprüft bei einer Betriebskontrolle die Temperatur einer Fleischware. Foto: dpa, Uwe Anspach

Schon seit einigen Jahren versuchen die Länder, ein einheitliches System für mehr Transparenz bei den Ergebnissen von Kontrollen in Restaurants und Lebensmittelläden zu schaffen – bislang erfolglos. Die Landesregierung in Schleswig-Holstein hat daher ein eigenes Gesetz auf den Weg gebracht: das sogenannte Pottkieker-Gesetz. Damit soll mehr Verbraucherschutz geschaffen werden. Bei einer Anhörung zum Thema im Umwelt- und Agrarausschuss wurde heute deutlich: Die einen wollen mehr Transparenz für Verbraucher, andere warnen vor wirtschaftlichen Schäden für Betriebe und vor einem erheblichen Mehraufwand für Kontrolleure.

Kernpunkt: Die Betriebe sollen laut dem Entwurf aus dem Justizministerium offenlegen, wie sie bei den Kontrollen der Gesundheitsämter abgeschnitten haben, etwa mit einem Aushang, einer Ergänzung der Speisekarte oder einem Papier, das auf Nachfrage ausgehändigt wird. Interessierte können zudem die Kontrollberichte bei den Behörden einsehen. Aber: Die Kontrollergebnisse dürfen demnach nicht im Internet landen. Wer den Hygienebericht mitnimmt oder abfotografiert und dann veröffentlicht, dem drohen bis zu 1000 Euro Buße. Gastwirte, die die Einsicht in die Papiere verweigern, müssen ebenfalls mit Geldstrafen rechnen.

Dänischer Smiley als Vorbild?  

Martin Rücker vom Verein Foodwatch sprach von einem „Transparenzverhinderungsgesetz“, das „zurück in die Schublade“ gehöre. Foodwatch hatte im vergangenen Jahr die Online-Plattform „Topf Secret“ mit ins Leben gerufen und damit die Debatte angestoßen. Dort können Ergebnisse von Hygienekontrollen veröffentlicht und abgefragt werden. „Die Verbraucher wünschen sich ein höheres Maß an Transparenz“, so Rücker. Sie wollten sich ein Bild machen, bevor sie ein Restaurant betreten. „Und sie wollen relevante Informationen an andere Menschen weitergeben.“ Das würde aber mit dem „unverhältnismäßig hohen Bußgeld“ verhindert.

Rücker verwies darauf, dass bundesweit jeder vierte Betrieb beanstandet werde, und dass dieser Wert seit Jahren konstant bleibe, trotz der Kontrollen. Der „Goldstandard“ sei ein Smiley-System nach dänischem Vorbild. Dort werden Vergehen deutlich mit einem Logo am Eingang offengelegt, und „Gute und Schlechte werden unterscheidbar gemacht“. Das schaffe den Anreiz, die Situation umgehend zu verbessern, so Rücker.

Kerstin Metzner (SPD) lobte den Smiley als barrierefrei, ganz anders als die derzeitigen Berichte. Diese seien für den internen Behördengebrauch gedacht und voller Fachsprache. Für den Verbraucher seien sie oft nicht nachvollziehbar – auch wenn sie in der Gaststätte auslägen. Anette Röttger (CDU) warf Foodwatch vor, ein „zu negatives Bilder der Gesamtlage“ zu zeichnen. In Deutschland gebe es eine „hohe Lebensmittelsicherheit“.

Betriebe am Pranger?

Marcus Girnau vom Lebensmittelverband Deutschland mahnte ein „ausgewogenes Verhältnis zwischen Verbraucher- und Wirtschaftsinteressen“ an. Er warf die Frage auf, welche Aussagekraft ein monatealter Kontrollbericht habe. Sollte ein Mangel angemahnt und publik gemacht werden, dann könne dies auf Jahre hinaus im Internet „eine wahnsinnige Wirkung“ entfalten. Girnau forderte eine „Rehabilitierungsmöglichkeit“ für betroffene Unternehmen durch zeitnahe Nachkontrollen. In Dänemark gebe es „innerhalb weniger Wochen eine neue Bewertung“, so Girnau. In Deutschland sei dies „mit dem aktuellen Personal“ nicht möglich. Deswegen sei das Smiley-System derzeit nicht übertragbar.

Kontrolleure überlastet?

Eine zusätzliche Belastung für die Gesundheitsämter der Kreise befürchtete Sönke E. Schulz vom Landkreistag. „Rückfragen der Verbraucher zu Kontrollen und Kontrollfrequenz“ könnten dazu führen, dass „die Zeit fehlt für die eigentliche Kontrolltätigkeit“. Wenn das Land diese Extra-Aufgabe beschließe, dann müsse es auch das Geld dafür zur Verfügung stellen, so Schulz.

In Schleswig-Holstein gebe es 75 Fachkräfte, so Angela Sus vom Verband der Lebensmittelkontrolleure - bei 45.000 Betrieben. Die Behördenmitarbeiter müssten nicht nur die Hygiene prüfen, sondern auch Bauvorhaben begleiten, Neu-Gastwirte beraten oder die Angaben auf der Speisekarte prüfen. Das „Pottkieker-Gesetz“ könne zu einem höheren Zeitaufwand führen – und damit zu weniger Kontrollen. „Das Gesetz kann für das Tagesgeschäft eine immense Auswirkung haben“, mahnte auch Christian Dirschauer (SSW), denn die Lebensmittelkontrolle sei personell „nicht üppig“ ausgestattet. Diese Beobachtung hat auch die Sozialdemokratin Metzner gemacht: „Die Kommunen bemühen sich händeringend darum Kontrolleure einzustellen, aber sie finden keine.“  

Der Ausschuss berät den Entwurf weiter.