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24. September 2021 – September-Plenum

Landtag begrüßt globale Steuerreform

Der Beschluss der G20-Länder für eine weltumspannende Reform der Unternehmenssteuern findet in Kiel bei allen Landtagsfraktionen Zustimmung. Es gibt aber auch noch Skepsis.

Unternehmenbesteuerung EU-Kommission Pressekonferenz Gentiloni, Paolo
Paolo Gentiloni, EU-Wirtschaftskommissar, stellt im Juni 2021 auf einer Pressekonferenz in Brüssel die Reformpläne für eine Reform der Unternehmensbesteuerung vor. Foto: ap-pool/dpa, virginia_maya

Der Landtag begrüßt fraktionsübergreifend das im Juli auf Ebene der OECD und der G20-Staaten erarbeitete Zwei-Säulen-Modell zur Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung. Die Landesregierung soll das Konzept nun auf allen Ebenen unterstützen und voranbringen, heißt es in einem interfraktionellen Antrag, dem auch der Zusammenschluss der AfD zustimmte. 

Geplant sind zwei Neuerungen. Zum einen sollen alle international tätigen Unternehmen mindestens 15 Prozent Steuern zahlen – egal wo sie ihren Sitz in der Welt haben. Es würde sich also nicht mehr lohnen, Gewinne in Steueroasen zu verlagern. Beim zweiten Teil der Reform geht es um die Verteilung des Steuerkuchens unter den Ländern. Große Unternehmen sollen nicht mehr nur in ihrem Mutterland besteuert werden, sondern auch da, wo sie gute Geschäfte machen.

Genaue Ausprägungen müssen noch erarbeitet werden

Beate Raudies (SPD) erklärte, damit zahlten nicht nur der Händler an der Ecke und das mittelständische Unternehmen „sondern auch das 10.000 Kilometer entfernte Konzern die gleichen Steuern“. Trotz des fraktionsübergreifenden Antrags und des grundsätzlichen Lobs am Zwei-Säulen-Modells gab es auch Kritik. Ole-Christopher Plambeck (CDU) und Lasse Petersdotter (Grüne) bemängelten: Es fehle noch die abschließende Definition der Bemessungsgrundlage. Zudem seien einzelne Sektionen wie die Finanzbranche und Digitalkonzerne von den Regelungen womöglich ausgenommen. Annabell Krämer (FDP) und Lars Harms (SSW) wiesen darauf hin, dass bislang nur ein Grundsatzbeschluss vorliege.

Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) begrüßte ebenfalls das Zwei-Säulen-Modell sowie die „breite“ Einigkeit im Plenum. Das geltende Steuerrecht sei angesichts der internationalen Entwicklung „nicht mehr zeitgemäß“ und „unfair“. Gewinnverlagerung dürfe nicht „zu Lasten der Daseinsfürsorge“ gehen. Auch Heinold konstatierte, es komme nun „auf die finale technische Umsetzung“ an. Das werde die Landesregierung konstruktiv begleiten, versprach sie.

In einem gemeinsamen Antrag begrüßen SPD, CDU, Grüne, FDP und SSW die im Juli hergestellte Einigung auf Ebene der OECD und der G20-Staaten auf ein Zwei-Säulen-Modell zur Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung. Die großen Industrie- und Handelsländer verständig sich in Venedig darauf, weltweit Steueroasen auszutrocknen und von großen digitalen Unternehmen mehr Steuern zu verlangen. Jetzt appellieren die Fraktionen an die Landesregierung, „die Umsetzung der Einigung in nationales, europäisches und internationales Recht auf allen Ebenen zu unterstützen und voranzubringen.“

In den vergangenen Jahrzehnten waren die Staaten weltweit gefangen in einem Wettrennen nach unten: Im Kampf um die Ansiedlung großer Firmen senkten sie ihre Unternehmenssteuern immer weiter. Dabei habe es Ländern Ressourcen genommen, die sie eigentlich besser in die Bürger und in Infrastruktur, also in Schulen, Krankenhäuser oder in die Rente, gesteckt hätten. Letztlich zahlten global agierende Konzerne – besonders große Digitalunternehmen wie Amazon und Google – oft kaum Steuern, weil sie Gewinne in Steueroasen verschoben oder mit Tricks Milliarden sparten.

Die Zwei-Säulen-Lösung

Geplant sind nun zwei Neuerungen: Alle international tätigen Unternehmen sollen - egal wo sie ihren Sitz haben – mindestens 15 Prozent Steuern zahlen. Dabei wird keinem Staat ein Steuersatz vorgeschrieben. Aber zahlt ein Unternehmen mit seiner Tochterfirma im Ausland weniger Steuern, kann der Heimatstaat die Differenz einkassieren. Es würde sich also nicht mehr lohnen, Gewinne in Steueroasen zu verlagern.

Beim zweiten Teil der Reform geht es um die Verteilung des Steuerkuchens unter den Ländern. Große Unternehmen sollen nicht mehr nur in ihrem Mutterland besteuert werden, sondern auch da, wo sie gute Geschäfte machen. Das betrifft auch die Digitalkonzerne, die durch Internetverkäufe oder Werbeklicks dort hohe Gewinne machen, wo sie gar keine Niederlassung haben. Nach den bisherigen Regeln müssen sie dort keine Steuern zahlen. Das soll sich ändern, an der genauen Formel für die Verteilung wird aber noch gearbeitet.

Umsetzung noch nicht in trockenen Tüchern

Die neuen Verteilungsregeln sollen nur für große und hochprofitable Konzerne gelten. Wie viele deutsche Unternehmen darunterfallen, ist unklar. Stärker aber dürften die großen amerikanischen Digitalkonzerne wie Google und Apple betroffen sein, die dann mehr Steuern in Europa zahlen müssten.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) rechnet allein durch die Mindeststeuer mit 150 Milliarden Dollar Steuer-Mehreinnahmen weltweit. Die Umverteilung könnte den sogenannten Marktstaaten noch mal mehr als 100 Milliarden Dollar bringen. Gesicherte Angaben für Deutschland gibt es nicht: Die ifo-Wissenschaftler rechnen mit 0,7 bis 0,9 Milliarden Euro durch die Umverteilung, nach EU-Angaben könnten die Mindeststeuer außerdem 5,7 Milliarden Euro für Deutschland einbringen.

Nach dem Grundsatzbeschluss der G20-Staaten, dem im Juli von 132 der 139 OECD-Staaten auf Arbeitsebene zugestimmt hatten, sollen jetzt noch Detailfragen geklärt werden. EU-Abweichler könnten ein Problem werden, und auch eine klare Mehrheit des US-Kongresses ist nicht ausgemacht. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hofft, dass die Reform 2023 in Kraft tritt. Für die neuen Verteilungsregeln soll ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag geschlossen werden. Die Mindeststeuer muss in den Staaten einzeln umgesetzt werden.

(Stand: 20. September 2021)

Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung weiter voranbringen
Antrag der Fraktionen von  der SPD, CDU, Grünen, FDP und der Abg. des SSW – Drucksache 19/3294(neu)