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27.03.19
12:40 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zur Vorstellung der Eckpunkte zur Kita-Reform

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 2 – Vorstellung der Eckpunkte zur KiTa-Reform Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt die kitapolitische Sprecherin und Vorsitzende der 24105 Kiel Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Eka von Kalben: Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 140.19 / 27.03.2019

Qualität steigern, Eltern und Kommunen entlasten
Sehr geehrte Damen und Herren,
Schleswig-Holstein soll zum familienfreundlichsten Bundesland werden. Diesen Satz haben wir uns 2017 in den Koalitionsvertrag geschrieben. Deshalb haben wir die Re- form des Kitagesetzes zum Leitprojekt der Koalition gemacht.
Qualität steigern, Eltern und Kommunen entlasten. Das hört sich so einfach an – vor al- lem, wenn man dafür am Anfang der Koalition schon einmal fast eine halbe Milliarde Euro festlegt. Dass der Teufel aber im Detail steckt und, dass das Finden eines Kom- promisses immer auch bedeutet, dass nicht alle Interessenvertretungen 100% glücklich sind; das hat der Reformprozess gezeigt.
Ich danke allen: den Trägern, den Kommunen, den Mitarbeiter*innen in der Verwaltung und vor allem den ehrenamtlich arbeitenden Elternvertreter*innen, die sich in diesen Prozess eingebracht haben. In diesen erarbeiteten Eckpunkten steckt viel Arbeit aller Beteiligten. Umso bemerkenswerter fand ich eine Einladung, der ich letzte Woche nach Husum folgte. Die Landeselternvertretung geht nämlich schon einen Schritt weiter und entwirft die Vision für die Kita 2025. Lassen Sie mich kurz einen Blick in diese Vision werfen, wie ich sie mir wünsche.
Meine Version sieht so aus: Wir befinden uns im Jahre 2025. Ich habe einen Rechtsan- spruch auf einen KiTa-Platz und ich habe auch überhaupt gar kein Problem, einen KiTa-Platz für mein Kind zu finden. Ich kann auch frei wählen, ob ich mein Kind wohnor- tsnah oder eher in der Nähe meines Arbeitsplatzes unterbringen möchte. Dann kann ich aus einem bunten Angebote an KiTas auswählen. Genauso wie die Gesellschaft immer vielfältiger wird, werden es auch die KiTas; religiöse, interreligiöse oder säkulare KiTas oder auch NaturKiTas – der Ausgestaltung sind keine Grenzen gesetzt.
Wenn ich in der KiTa ankomme, komme ich in helle, lichte Räume mit ausreichend Seite 1 von 4 Lärmschutz, es gibt eine eigene Küche und gutes Essen – mit oder ohne Schweine- fleisch, natürlich bio und regional. Es ist nicht nur ein schöner Lernort für die Kinder, sondern auch ein sehr guter Arbeitsplatz für Erziehende. Deren hochwertige Ausbildung war bezahlt und sie genießen eine hohe Anerkennung in der Gesellschaft, was sich auch in ihrem Gehalt widerspiegelt. Diese KiTa ist das Gegenteil von einem Aufbewah- rungsort für Kinder. Hier herrscht Bildungsgerechtigkeit von Anfang an, inklusiv und in- tegrativ. Bildung für nachhaltige Entwicklung wird gelebt und es gibt auch schon für die Kleinsten Partizipationsmöglichkeiten. Und zur Krönung ist das alles kostenlos.
Auf dem Fachtag habe ich zwar gelernt, dass Eltern Qualität auch durchaus was wert ist, trotzdem bleibt Beitragsfreiheit langfristig unser Ziel. Wie beim Studium, so auch bei der KiTa: Bildung muss auf allen Ebenen kostenlos sein.
Das war die Version für 2025, nun zurück ins Jahr 2019. Wir sind in Schleswig-Holstein in der Oberliga, was den Ausbau an Plätzen angeht, aber im Mittelfeld bei der Qualität, und leider in vielen Orten auf dem Abstiegsplatz bei den Elternbeiträgen. Und wir haben ein unübersichtliches Finanzierungssystem im Land, sodass die Situation für die Eltern je nach Wohnort sehr unterschiedlich ist. Sowohl im Bereich Kita und erst Recht bei der Kindertagespflege. Ich sagte es schon: wir wollen das familienfreundlichste Bundesland werden. Diese KiTa-Reform mit insgesamt einer Milliarde Euro mehr aus Landes-und Bundemitteln ist ein Beginn.
Meine Vorredner*innen haben bereits auf unser drei-Säulen-Modell hingewiesen: Höhe- re Qualitätsstandards, gedeckelte Elternbeiträge und ergänzend eine einheitliche Sozi- alstaffel und Geschwisterermäßigung sowie eine höhere Landesfinanzierung um die Kommunen von den steigenden Kosten zu entlasten. Drei Säulen, die wir nicht gegen- einander ausspielen. Drei Säulen, die uns wichtig sind für ein gutes Kitasystem in Schleswig-Holstein. Drei Säulen, die hoffentlich auch ein Beitrag dazu sind, genügend Erzieher und Erzieherinnen für unsere Kinder zu gewinnen.
Die erste Säule: Qualitätssteigerung. Die ein oder andere Stimme war an der Stelle skeptisch: Warum denn noch mehr Geld in Qualität? Die Kinder seien doch wunderbar aufgehoben im derzeitigen System. Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass wir die frühkindliche Bildung noch längst nicht ernst genug nehmen. Die Anforde- rungen an die Erziehenden sind deutlich gestiegen. Sowohl an die Eltern als auch an die professionell Erziehenden. Die Verweildauer in den Kitas macht auch deutlich, dass die Belastung sehr hoch ist. Wenn wir dem Fachkräftemangel im Bereich der Erzie- her*innen begegnen wollen, müssen wir für Entlastung sorgen. Und das bedeutet mehr Personal pro Kind.
Das mag paradox klingen. Mehr Personal, wenn wir jetzt schon zu wenig Stellen ha- ben? Ist es aber nicht: Flensburg hat es vorgemacht. Durch die Erhöhung der Grund- steuer konnten drei Kräfte pro Gruppe finanziert werden und daraufhin wurde der Standort auch für ausgebildete Erzieher*innen attraktiv.
An dieser Stelle möchte ich auch gleich auf einen Vorwurf eingehen, der erhoben wer- den könnte: Was haben denn die Kinder, Eltern und Erzieher*innen in den Kitas von der Reform wo der Standard schon über denen der neu festgelegten sind? Nun, wenn die Kommune nichts ändert, gar nichts. Das Geld für Qualitätssteigerung und Beitragssen- kung erhält sie genauso wie alle anderen Kommunen. Es wäre ja extrem unfair, wenn nur die Kommunen die Entlastungssummen erhielten, die weniger Geld für Kita ausge- ben. Wenn nun aber die Städte wie Flensburg oder Norderstedt ihren eigenen Anteil nicht absenken, dann bin ich sicher, dass es in Kitas und auch bei den Elternbeiträgen
2 genügend Möglichkeiten gibt, weitere Verbesserungen vorzunehmen.
Kommen wir zur zweiten Säule, der Entlastung der Eltern: dem vermutlich härtesten po- litischen Streitpunkt in der Debatte. Um noch einmal klar zustellen, weil eine Kollegin hier neulich etwas anderes behauptet hat: Uns Grüne muss man nicht von der Beitrags- freiheit für alle Kitakinder überzeugen. Wir wollen, dass Bildung von der Wiege bis zur Bahre kostenfrei ist. Punkt. Aber wir wollen eben auch, dass sie gut ist. Und wir wissen auch, dass wir den Euro nur einmal ausgeben können. Und wir machen keine Verspre- chen, die wir nicht halten können. Und zwar nachhaltig.
Deshalb wissen wir, dass wir die 230 Millionen, die die komplette Beitragsfreiheit kosten würde, zurzeit nicht haben. Wenn Sie einen Vorschlag haben, woher das Geld kommen soll, können wir uns darüber austauschen. Dann brauchen wir zwar immer noch Mehr- heiten. Aber sei's drum. Ich wüsste selbst bei einer absoluten Mehrheit der Grünen Par- tei hier im Haus nicht, wie wir diese Summe finanzieren könnten.
Ein wirklich schwieriges Thema ist dagegen die Frage des Durchschnitts. Wir sprechen davon, dass wir die Elternbeiträge senken. Dem ist auch so, und zwar im Durchschnitt erheblich mit 60 Millionen Euro jährlich, und das dynamisiert also steigend mit der An- zahl der Kinder. Das bedeutet für einzelne Gemeinden eine gute Botschaft für die Eltern und Ersparnisse von bis zu 300 Euro im Monat. Für viele Eltern, zum Beispiel auch hier in Kiel, bedeutet es keine Entlastung und durch den Wegfall des Krippengeldes sogar eine vorrübergehende Mehrbelastung. Das ist ärgerlich und führt natürlich zu Unmut. Meine sehr kinderfreundliche Mitarbeiter*innenschaft in der Fraktion hat davon schon ein Lied gesungen.
Die Wahrheit ist aber auch, und ich erwähnte es schon im Bereich Qualität, dass die Städte, die jetzt schon niedrigere Beiträge haben, das Geld trotzdem zur Senkung der Beiträge bekommen. Eine Stadt wie Kiel soll ca. 30 Millionen Euro vom Kitakuchen be- kommen. Das bedeutet doch, dass sie die Beiträge noch weiter senken kann. Vielleicht sogar bis zur Beitragsfreiheit. Ich gönne auch den SPD-regierten Städten diesen Erfolg. Denn es geht hier doch in erster Linie um die Eltern und ihre Kinder.
Wenn wir also die Deckelung von oben haben, und zwar bei den unter 3-Jährigen auf maximal 288 Euro und bei einem über 3-Jährigen auf maximal ca. 233 Euro für ein 8- stündige Betreuung, dann ist es genauso wichtig, dass wir eine gute und einheitliche Sozialstaffel für diejenigen haben, die diese Beiträge nicht zahlen können. Und, dass wir Familien mit mehreren Kindern durch eine Geschwisterregelung entlasten. Und zwar eine Regel, die alle Betreuungskosten einbezieht, die Kitabeiträge, die Kosten in der Kindertagespflege und in der Schulbetreuung. Das ist zurzeit nicht so. Da wird jedes Kind als Einzelkind betrachtet, wenn es in unterschiedlichen Betreuungen ist. Ich freue mich, dass die Arbeitsgruppe noch diese Woche dieses so wichtige Thema bearbeiten wird.
Kommen wir zur dritten Säule, den Kommunen. Ohne die Kompromissbereitschaft von Gemeinden und Kreisen, sich auf ein einheitliches System einzulassen, würden diese Eckpunkte heute nicht vorliegen. Dafür danke ich allen Beteiligten und ausdrücklich den Vertretungen der kommunalen Spitzenverbände. Aber auch den vielen oft ehrenamtli- chen Politiker*innen und Bürgermeister*innen, die dafür sorgen, dass die Kinderbetreu- ung in den Kommunen schon so ausgebaut ist, wie bisher. Und wir wissen, dass der Bedarf gerade auch nach ganztägiger Betreuung auch im Krippenbereich stetig wächst, an sich ja eine gute Nachricht. Als ich hier 2012 anfing, haben wir uns ständig über die Herausforderungen des demographischen Wandels ge-
3 beugt. Jetzt reden wir über Flächen für Wohnungen und den Ausbau der Kitas. Gut so, ich finde es super, auch wenn’s schwierig ist.
Und auch die Definition des Rechtsanspruchs auf 5 Stunden statt wie bisher 4 Stunden ist wirklich wichtig und gut. Mit vier Stunden können Eltern noch nicht einmal eine Halb- tagsstelle annehmen und die Kinder sind kaum eingegrooved und müssen sich schon wieder trennen. Herr Garg und alle Vorredner*innen haben auf die Millionen hingewie- sen, die das Land in das Kitasystem stecken wird. Das klingt erstmal nach riesigen Summen, sind es auch. Die Wahrheit ist aber auch, dass der Hauptanteil der Kitakosten bei den Kommunen bleiben wird. Und, dass deshalb nicht jede Kommune „Hurra!“ schreien wird. An der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen kann nur etwas durch ein gerechteres System bei der Verteilung der Steuermittel geändert werden. Das wiederum liegt nicht in der Hand dieses Parlamentes sondern des Bundestages in Ber- lin.
Was noch? Uns ist die Tagespflege besonders wichtig. Hier gibt es endlich einheitliche Standards. Wir verabschieden uns damit von der Ideologie „KiTa auf der einen Seite, Tagespflege auf der anderen“. Tagespflegepersonen leisten einen wichtigen Beitrag zur Erziehung unsere Kinder und haben deswegen auch ein Recht auf eine anständige Be- zahlung, gleichzeitig sollen Eltern nicht mehr belastet werden, wenn sie sich für die Ta- gespflege entscheiden.
Meine Damen und Herren, die vorliegenden Eckpunkte machen deutlich, dass diese Regierung auf dem richtigen Weg ist. Und ich freue mich, dass sie diese Eckpunkte in Zusammenarbeit mit allen Akteur*innen erarbeitet hat. Ich weiß, dass noch viele Fragen offen bleiben, die wir auf der Agenda haben: Die Fragen der Inklusion, die Fragen der Schulbetreuung, die Übergangsregelungen, die Sozialermäßigungen, die Erzie- her*innenausbildung und vermutlich noch mehr. Aber dieser Prozess macht doch sehr deutlich, dass die Verfolgung eines gemeinsamen Ziels zusammen mit allen Beteiligten Erfolg haben kann.
Und manchmal muss man sich ehrgeizige Ziele stecken: Als ich 2011 mit Ines Strehlau im Wahlkampf unterwegs war, wurden wir für die Idee einer Reform des kommunalen Finanzausgleichs ausgelacht. Und wir haben uns daran gemacht. Als ich 2016 im Wahlkampf von einer KiTa-Reform sprach und die Sozialministerin Ahlheit einen letter of intend geschrieben hat, wurde gesagt, dass das alles viel zu schwierig sei, die Kom- munen machten da eh nicht mit. Und jetzt stehen wir hier in den Startlöchern für eine Reform, die finanzielle Entlastung und Transparenz der Finanzströme und mehr Quali- tät bringt. Ich möchte dafür dem Sozialministerium und dem Staatssekretär meinen herzlichen Dank aussprechen. Ich kann nur ahnen wieviel Arbeit in diesem Projekt steckt. Ich freue mich auf die parlamentarische Zusammenarbeit im Herbst – mit Ihnen und den Interessenverbänden!
Auf das meine Version von richtig guter KiTa bis 2025 Realität werde!
Danke!
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