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19.11.20
12:55 Uhr
SPD

Stefan Weber zu TOP 10: Vermögen aus nachrichtenlosen Konten soll dem Allgemeinwohl zu Gute kommen

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 19. November 2020
Stefan Weber: Vermögen aus nachrichtenlosen Konten soll dem Allgemeinwohl zu Gute kommen TOP 10: Mittel aus nachrichtenlosen Bankkonten für gemeinnützige Zwecke sowie Start-ups nutzen (19/2335, AltA 19/2578)
„Die Geldinstitute in Deutschland haben einen brisanten Schatz. Nachrichtenloses Vermögen, oft von Verstorbenen, deren Erben nichts davon wissen. Genaue Summen liegen zwar nicht vor, es gibt aber Schätzungen. Derzeit könnten in der Bundesrepublik Deutschland bis zu neun Milliarden Euro auf nachr ichtenlosen Konten der Geldinstitute liegen. Nachrichtenlosen Konten sind Konten, bei denen zu den Berechtigten der Konten seit längerer Zeit kein oder überhaupt kein Kontakt mehr besteht. Eine allgemeingültige Definition gibt es aber nicht. In den meisten europäischen Staaten gibt es Regelungen zu nachrichtenlosen Konten. In Deutschland gibt es keine. Hier gelten aktuell die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen zwischen Geldinstitut und den Kunden. Grundsätzliche Pflichten der Geldinstitute aus den Kontoverträgen sind Kontoführung, Abwicklung von Überweisungen, Information der Kunden mit Kontoauszügen und Rechnungsabschlüsse. Die Kunden ihrerseits sind aus dem Vertrag verpflichtet, vereinbarte Entgelte zu zahlen. Mangels Beendigung z.B. durch Kündigung besteht der Kontovertrag auch dann fort, wenn über einen längeren Zeitraum kein Kontakt zwischen Geldinstitut und Kunden besteht. Und auch wenn keine Zahlungen mehr ein- oder ausgehen. Wie erfährt das Geldinstitut beispielsweise über den Tod des Kontoinhabers? Wie erfährt die Bank von einem Nachlassfall? Im Optimalfall melden die Erben den Tod der betreffenden Person an das kontoführende Geldinstitut. Dazu müssen sie der Bank ihre Legitimation, in der Regel einen Erbschein, nachweisen. Das ist der Idealfall, ohne Kenntnis vom Tod des Kontoinhabers wird das Konto in Deutschland mindestens 30 Jahre weitergeführt. Denn nach 30 Jahren verbucht der Finanzdienstleister das Geld von nachrichtenlosen Konten als Gewinn, auch wenn sich das bilanziell kaum lohnt. Dieses Vorgehen ist rechtlich zulässig. Es beruht auf einer handels- und steuerbilanziellen Sichtweise, dass nach 30 Jahren die Inanspruchnahme durch einen nicht mehr erreichbaren Kunden unwahrscheinlich ist. So fallen die Gelder den Banken bzw. Sparkassen zu. Deutschland steht im Vergleich zu vielen europäischen Staaten, wie beispielsweise Dänemark, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Schweiz und Frankreich hintenan. Selbst in Jersey gibt es Regelungen für nachrichtenlose Konten. Die Schweiz zum Beispiel hat im Internet ein zentrales Register, wo die Schweizer Banken Namen bzw. Nummern von Konten, die seit sehr langer Zeit nachrichtenlos sind, veröffentlichen. Nach Fristablauf wird das Geld an die Schweizer Bundesverwaltung übergeben. In Großbritannien werden nicht abgerufene Gelder aus der Meldeliste beispielsweise für gemeinnützige Zwecke verwendet. Wir brauchen nach dem Beispiel anderer europäischer Staaten ein Meldesystem für nachrichtenlose Konten. In Deutschland ist es auch für Erbenermittler und Nachlasspfleger sehr schwierig, gesicherte Informationen über den vollen Umfang von Vermögenswerten bei den Finanzinstituten zu erhalten. Wir brauchen einen guten und angemessenen gemeinnützigen Einsatz für das Geld, das aus nachrichtenlosen Konten in eine öffentlich-rechtliche Stiftung übertragen werden sollte. Die Verwendung der Mittel sollte unter Beteiligung der Zivilgesellschaft erfolgen und gemeinnützig für Sozial-, Klimaschutz- und Umweltprojekte eingesetzt werden. Start-ups gehören nicht dazu. Ich kann wirklich nicht erkennen, wieso


1 ausgerechnet Start-up-Förderung aus diesen Mitteln erfolgen sollte und somit Mittel der Gemeinnützigkeit vorenthalten. Sowas kann sich vermutlich nur Jamaika in Schleswig-Holstein ausdenken. Es geht auch nicht an, dass nachrichtenloses jüdisches Vermögen stillschweigend einbehalten werden kann. Denn die Vermutung liegt nahe, dass zumindest Teile der in nachrichtenlosen Konten verbliebenen Mittel ehemalige Vermögenswerte von Opfern des NS-Regimes darstellen, die heute nicht mehr zugeordnet werden können. Deshalb sollten Gelder aus der zu gründenden Stiftung für nachrichtenlose Konten auch für Projekte zur Erinnerung an die Opfer und Gräueltaten des NS-Regimes verwendet werden. Stimmen Sie unserem Antrag zu.“



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