Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
16.06.21
16:11 Uhr
SPD

Serpil Midyatli zu TOP 15: Trauer braucht einen Ort

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 16. Juni 2021
Serpil Midyatli: Trauer braucht einen Ort TOP 15: Gedenken an die Opfer der Corona-Pandemie (Drs. 19/2988) „Die Inzidenzen sinken, die Temperaturen steigen… seit Tagen schon erleben wir, wie wir Stück für Stück unseren Alltag zurückbekommen. Automatisch fühlen wir uns freier. Die Stimmung steigt. Familie und Freunde treffen, gemeinsam EM schauen, grillen. Alles zwar noch mit Bedacht, aber es ist wieder möglich. Vor wenigen Tagen haben wir den Geburtstag meines Vaters gefeiert. Das erste Mal seit August waren alle meine Geschwister und ich gemeinsam bei meinen Eltern und konnten meinen Vater hochleben lassen. Es war ein glücklicher Moment. Doch neben dem Glück empfand ich auf einmal Trauer. Trauer um all die Kinder, die nie wieder einen Geburtstag mit ihrem Vater feiern können. Trauer um die Menschen, die nicht mehr unter uns sind. Um all die Väter, Mütter, Geschwister, Freundinnen und Kolleginnen, die für immer fehlen werden. An vielen Geburtstagstafeln in Schleswig-Holstein, in Deutschland und auf der Welt wird künftig ein Platz leer bleiben. Ein geliebter Mensch wird für immer fehlen. Viele konnten sich nicht einmal richtig von ihren Liebsten verabschieden. Die Pandemie und vor allem das hohe Ansteckungsrisiko haben es nicht erlaubt. Ich glaube, dass eine Phase der Trauer mit großer Wucht auf uns zukommen wird. Denn noch befinden wir uns in einem Zustand der Bekämpfung der Pandemie. Wie bekomme ich meine Impfung? Wie geht die Schule nach den Ferien weiter? Kann ich wieder normal arbeiten? Wie geht es meiner Firma? Diese Fragen beschäftigten uns im Hier und Jetzt. Aber mit jedem Schritt in die Normalität kommen mehr Momente, in denen wir spüren, was wir verloren haben. Es werden die Familienfeiern, Partys und Geburtstage sein, bei denen Menschen fehlen, die uns so wichtig sind. Die Phase der Verarbeitung ist noch nicht vorbei. Und Trauer braucht einen Ort. Daher sollten wir als Gesellschaft auch Orte des Gedenkens schaffen. Ein Raum, einen Ort, wo wir an all die Menschen erinnern können, zusammenkommen können, um inne zu halten. Unsere Gesellschaft wird nach der Pandemie nicht mehr so sein wie vorher. Das Erlebte hat uns geprägt und so manche Gewissheit genommen. Daher brauchen wir als Gesellschaft dieses Gedenken, diese Reflexion. Wir wollen mit dem Ort des Gedenkens reflektieren, was und vor allem wer uns durch die Pandemie getragen hat, um daraus Schlüsse zu ziehen. Denn seien wir ehrlich: Wir waren nicht darauf vorbereitet und niemand hatte wirklich Vorkehrungen getroffen. Natürlich: Schleswig-Holstein ist besser als andere Länder durch die Krise

1 gekommen. Aber längst nicht alles ist gut gelaufen. Die Aufarbeitung wird uns noch beschäftigen. Und wir sollten Schlüsse daraus ziehen. Zum Beispiel sollten wir für uns klären, welche dringend notwendigen medizinischen Produkte in Europa produziert werden sollen, wie wir unsere Gesundheitsversorgung stärken, und wie wir das Beschäftigen im Gesundheitsbereich besser bezahlen. Ein Gedenkort sollte deshalb auch Mahnung an uns als Landtag sein. Es kann wieder eine Pandemie geben. Wir sollten uns besser darauf vorbereiten. Und wir sollten uns die wichtigste Lektion immer wieder ins Gedächtnis rufen. Das stärkste Mittel gegen die Pandemie war nicht der Impfstoff. Es war der Zusammenhalt. Gerade hier in Schleswig-Holstein. Wir sind so gut durch die Pandemie gekommen, weil die Menschen zusammengehalten haben und sich in der überwältigenden Mehrheit solidarisch gegenseitig unterstützt und somit auch geschützt haben. Der Gedenkort soll diese große Leistung würdigen und uns in Erinnerung rufen, dass die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des gegenseitigen Respekts zu unseren politischen Kernaufgaben gehört. Dieses Parlament hat die wichtigen Entscheidungen in der Pandemie in großer Einigkeit getroffen. Man kann sagen, dass wir unsere Krisenfestigkeit bewiesen haben. Ich bin stolz darauf, dass wir uns in Schleswig-Holstein unterhaken und zusammenarbeiten, wenn es ernst wird. Auf dieser Grundlage ist unser Land entstanden. Seit Jahrhunderten müssen wir hier schon zusammenarbeiten, um uns mit Deichen vor Sturmfluten zu schützen. Dieses Erbe ist stark in uns. Und in der Pandemie hat sich das ausgezahlt. Weil dieses Parlament in der Pandemie eine so starke und wichtige Rolle hatte, sollte es auch Verantwortung für die Ausgestaltung des Gedenkortes übernehmen. Angesiedelt wird das beim Landtagspräsidenten, der ein Gremium einberufen, das über die Gestaltung letztendlich entscheiden wird. Ich freue mich sehr, dass es uns wieder einmal gelungen ist, in diesem hohen Hause, gerade bei solch sensiblen Themen Einigkeit zu zeigen. Das macht das SH Parlament aus. Dafür großen Dank an alle demokratischen Parteien. Schleswig-Holstein hält zusammen, wenn es darauf ankommt. Und der Landtag hält zusammen, wenn es um Schleswig-Holstein geht.“



2