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17.06.21
11:12 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zum Energiewende- und Klimaschutzgesetz Schleswig-Holstein

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin TOP 9+35+44+61 – Änderung des Energiewende- und Claudia Jacob Klimaschutzgesetzes Schleswig-Holstein Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt die Vorsitzende der 24105 Kiel Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Eka von Kalben: Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 217.21 / 17.06.2021

Es ist höchste Zeit für entschlossenes Handeln Sehr geehrte Damen und Herren,
„nach dem Pandemiejahr, das schon für so viele Umbrüche gesorgt hat, dürfte die Sehn- sucht nach Normalität bei vielen groß sein.“
So schreibt es die Frankfurter Rundschau in einem Kommentar zur Benzinpreisdebatte und den Grünen. Aber für den Klimaschutz gilt das altbekannte Zitat von Erich Fried, mehr als je zuvor: „Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt.“
Ich bin sehr froh über das klare Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das uns Rücken- deckung für eine konsequente Klimaschutzpolitik gibt. Und vor allem danke ich den en- gagierten Menschen – auch aus Schleswig-Holstein von Pellworm – für den Weg nach Karlsruhe.
Das oberste Gericht fordert uns auf, wirksame Maßnahmen zur Begrenzung des Klima- wandels zu ergreifen. Und zwar schnell – wesentlich schneller als es bisher der Klima- schutzfahrplan der Bundesregierung vorsah. Und, das gehört zur Wahrheit dazu, auch schneller, als unser eigener Fahrplan es bis jetzt vorsieht. Denn wir haben uns drange- koppelt an diesen Fahrplan des Bundes und den der EU.
Ich danke dem Minister für den Bericht und den vorliegenden Gesetzentwurf, der die Verbändeanhörung ja bereits durchlaufen hat und jetzt in die parlamentarische Beratung geht. Nach dem bahnbrechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und den da- rauffolgenden, hektischen Aktivitäten, die das in Berlin ausgelöst hat, freue ich mich, dass wir hier im Land nicht nur über Ziele reden. Wichtig ist, dass die Maßnahmen zu den Zielen passen, sonst gibt es Klimaschutz nur auf dem Papier.
Die Bewältigung des Klimawandels erfordert nicht nur den Umbau der Energiesysteme, der Wirtschaft, des Verkehrs und der Landwirtschaft, sie erfordert auch Veränderungen Seite 1 von 3 im Privaten: in der Lebensführung einer und eines jeden von uns. Einigen Menschen macht das Angst, sie befürchten, auf der Strecke zu bleiben. Solche Sorgen nehmen wir sehr ernst. Das Soziale muss beim Klimaschutz mitgedacht werden.
Und ja, es ist so, dass die Grünen bisher die einzige Partei in Deutschland ist, die kon- krete Konzepte für die soziale Abfederung des CO2-Preises vorgelegt hat. Darum, liebe SPD, legen Sie konkrete Konzepte vor, beteiligen Sie sich an der Lösung – aber schüren Sie nicht die Ängste der Menschen vor Veränderung, vor Benachteiligung durch den Kli- maschutz. Das wäre die falsche Botschaft.
Denn diejenigen, die unter steigenden Lebensmittelpreisen aufgrund von Dürre leiden, das sind die Armen. Diejenigen, die der Hitze in den Städten nicht entfliehen können, das sind die Armen. Diejenigen, denen weltweit die Lebensgrundlage genommen wird, das sind die Armen. Deshalb ist Klimaschutz nicht unsozial, sondern kein Klimaschutz ist un- sozial.
Lassen Sie mich noch einmal an die Szenarien des Fraunhofer-Instituts aus Februar letz- ten Jahres erinnern, die die Landesregierung in Auftrag gegeben hatte. Darin wird be- schrieben, was wir tun müssen, um die notwendigen Ziele der 95-prozentigen Reduktion von CO2 bis 2050 zu erreichen.
Das Szenario würde bedeuten: Für den Gebäudesektor müssen wir die Sanierungsrate mehr als verdoppeln. Für die Wärmeversorgung braucht es den Ausstieg aus Heizöl bis 2030 und bis 2050 gar keine fossilen Energieträger mehr, also auch kein Erdgas. Und wir müssen das Fünffache der aktuellen Menge an Strom aus erneuerbaren Energien erzeu- gen. Das klingt unmöglich, ist aber notwendig.
Wenn wir also die Ziele im Land und im Bund ernst nehmen, dann müssen jetzt die ent- sprechenden Maßnahmen eingeleitet werden. Ich weiß, manche meinen, wir können nicht auf solche Szenarien setzen, weil wir nicht wissen, was der technische Fortschritt in den nächsten 20 Jahren bringt. Vielleicht löst sich das Klimaproblem dann ja auf. So war es im Bundestag zu hören. Aber im Ernst? Wollen wir das Aussitzen? Wollen wir uns Zeit lassen? Sagen wir dann unseren Nachkommen: Sorry, ging nicht anders. War zu teuer, war zu unbequem und wir hatten keinen gesellschaftlichen Rückhalt. Das ist mir zu wenig, damit kann ich bei meinen Kindern und Enkeln nicht ankommen.
Liebe SPD, Sie haben zur Photovoltaik, einen Antrag vorgelegt. Das Thema ist uns auch sehr wichtig und die von Ihnen geforderte Verordnung oder der Erlass ist bereits in Arbeit. Was Ihnen sicher bekannt ist, weil der auch schon in der Verbändeanhörung war. Für uns hat es Vorrang, das Potential von Dachflächen und anderen bereits versiegelten Flä- chen für Photovoltaik soweit wie möglich zu nutzen. Ein erster Schritt ist die PV-Pflicht für Parkflächen und Nichtwohngebäude, die unser Gesetzentwurf vorsieht.
Parallel dazu kann und soll auch der Ausbau der Freiflächen-PV erfolgen. Dass dies na- turverträglich möglich ist, hat uns zuletzt auch wieder die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Beate Jessel, in einem Vortrag auf unserer digitalen Klimakonferenz in der vorvergangenen Woche bestätigt. Es kommt aber darauf an, wo und wie es gemacht wird. Wildwuchs sollte es nicht geben. Dafür wird der Erlass Sorge tragen. Ehrgeizige Ziele festlegen ist das eine, und das zu tun ist auch grundsätzlich gut. Aber die andere Seite ist die Zielerreichung, das sind die konkreten Maßnahmen, um den vorgesehenen Entwicklungspfad auch zu erreichen. Und zwar so, dass andere Zielsetzungen nicht unter die Räder kommen.

2 Denn, meine Damen und Herren, auch der Naturschutz und der Artenschutz sind kein nice-to-have, sondern überlebensnotwendig. Das mag sich noch nicht jeder und jede vor- stellen können, aber unser Überleben hängt von der Artenvielfalt ab. Darum wurde auch in 2012 der Weltbiodiversitätsrat gegründet, der analog zum Weltklimarat arbeitet. Klima- schutz und Artenschutz sind nicht per se Gegensätze. Auch die Artenvielfalt leidet unter dem Klimawandel und eine intakte Natur schützt unser Klima.
Wir stehen vor Herausforderungen und Zielkonflikten, aber, ich wiederhole es: Soziales und Klimaschutz ist kein Gegensatz. Artenschutz und Klimaschutz ist kein Gegensatz. Und ich ergänze dazu: Klimaschutz ist auch keine Gefahr für die Wirtschaft, sondern – im Gegenteil – ihre Chance, sich zukunftsfähig aufzustellen. Für die eine Branche ist es leichter als für die andere, da braucht es Innovation, Förderung und Unterstützung durch den Staat. Aber ich bin sicher, dass es funktionieren wird und wir in eine CO 2-arme, digi- tale Welt hineinwachsen. Da möchte ich, dass Schleswig-Holstein ganz vorne mit dabei ist.
Ein paar Worte noch zum Bericht. Ja, wir müssen feststellen, dass wir nicht alle unsere Ziele erreicht haben. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, bis 2020 gegenüber 1990 die Emis- sionen um 40 Prozent zu reduzieren, haben aber nur 31 Prozent erreicht. Wir haben aber keinen Grund, uns deshalb Asche aufs Haupt zu streuen. Wir sind weiterhin Energiewen- deland Nummer 1 und exportieren einen erheblichen Teil der im Land erzeugten Strom- menge aus erneuerbaren Energien. Das taucht in der Bilanz nicht auf.
Auch der Ausbau der Windkraft geht voran, und dass die SPD hier wieder mit ihrer altbe- kannten Leier daherkommt - der Verzögerung bei der Windkraftplanung, die wir nicht be- streiten, aber deren Gründe ja hinreichend bekannt sind und hier schon oft erörtert wur- den – zeigt nur, dass es sonst wenig zu kritisieren gibt.
Eine Herausforderung, der wir uns in Zukunft stärker stellen müssen, sind auch die Treib- hausgasemissionen in der Landwirtschaft. Hier geht es vor allem um Methan und Lach- gas, die eng mit dem Rinderbesatz einerseits und der Düngung andererseits zusammen- hängen.
Weil wir ein Agrarland sind, schlagen diese Emissionen bei uns weit stärker zu Buche als in anderen Bundesländern und im Bundesdurchschnitt. Aber es gibt Möglichkeiten, diese Emissionen zu senken und verschiedene Forschungsinstitute haben dazu Gutachten vor- gelegt. Zum Beispiel das Thünen-Institut der Bundesregierung, aber auch hier im Land laufen Forschungsprojekte, was ich sehr begrüße.
Und eine weitere Besonderheit zeichnet unser Land aus, die in Hinblick auf den Klima- schutz von Bedeutung ist. Das ist unser Reichtum an Mooren. Darin liegt auch ein wich- tiger Ansatz für den Klimaschutz und leider taucht dieser ganze Bereich der Landnutzung und Landnutzungsänderung in der Bilanz nicht auf. Aber jede Tonne eingespartes CO2 trägt zum Klimaschutz bei, egal ob in der Statistik erfasst oder nicht.
Ich bedanke mich bei der Landesregierung für den Bericht und den Gesetzentwurf. Ich wünsche uns allen dazu eine gute Beratung und auch der Bundesregierung Mut zum Handeln. Die Debatte wird nicht einfach, aber wir müssen sie führen und wir müssen jetzt handeln. Denn sonst rauben wir der jungen Generation Entwicklungschancen und stellen sie letztlich vor unlösbare Aufgaben.
Vielen Dank. ***
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