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9. November 2018 – Gedenkmonat „14 / 18 / 18“

Finissage mit Überraschungs­moment

Für Staunen sorgte an diesem Abend nicht nur das Motiv des letzten enthüllten Gemäldes. Bei einer Finissage zum Ausklang des Gedenkmonats 14/18/18 überraschte der Künstler Uwe Appold mit einem Geschenk an „alle Schleswig-Holsteiner“.

Landtagspräsident Klaus Schlie und Künstler Uwe Appold vor dem letzten Gemälde des fünfteiligen Zyklus
Landtagspräsident Schlie (l.) und Künstler Appold vor dem fünften und letzten Gemälde des Bilderzyklus mit dem Titel „Graben der Bajonette“ Foto: Landtag, Vivien Albers

Mit der Enthüllung des fünften und somit letzten Gemäldes wurde der Abschluss des Gedenkmonats zum Ende des ersten Weltkrieges vor 100 Jahren im Landeshaus eingeläutet. Dort ist der fünfteilige Zyklus mit der zugehörigen Ausstellung noch bis Montag zu sehen. Zunächst betonte Appold in einem Gespräch vor rund 70 Gästen, in dem er über seine künstlerische Auseinandersetzung mit den Krieg Rede und Antwort stand, dass ihm jede der vergangenen Sonderveranstaltungen des Gedenkmonats in gleicher Weise im Gedächtnis bleiben würde. Teil der Gesprächsrunde war diesmal auch Stefan Richter, der für die Kollagearbeiten aus altem Zeitungspapier, die neben Appolds Gemäldezyklus ausgestellt waren, mit diesem zusammen gearbeitet hatte.

Nach einem musikalischen Beitrag der Band Radio Retro, die bereits die Sonderveranstaltung „The Sound of War“ mitgestaltet hatte, trat Appold vor der letzten Gemäldeenthüllung auf die Bühne: „Ich möchte den Schleswig-Holsteinern meinen Zyklus schenken, um an die Errungenschaften der Demokratie zu erinnern, sie zu erhalten, zu pflegen und zu hegen“. Symbolisch besiegelten Landtagspräsident Klaus Schlie und der Künstler die Übergabe der der fünf großformatigen Gemälde an den Landtag durch einen Handschlag. Schlie würdigte Appold daruaffolgend mit der Worten, er habe mit dem Überreichen seines Bilderzyklus einen Beitrag zur Demokratie und die Unantastbarkeit der Menschenwürde geleistet, der auch an die künftigen Generationen weiter gegeben werden könne.

„Was befindet sich in der Tasche des toten Soldaten?“

Mit dieser ungeklärten Frage entließ Uwe Appold die faszinierten Gäste in die Ungewissheit. Das letzte Gemälde des Künstlers zeigt einen verschütteten Soldaten, der, so Appold, „stellvertretend für alle Opfer des ersten Weltkrieges, egal welcher Nation“ stehe. Im Fokus: Seine Tasche. Sein Schicksal teilt der unbekannte Infanterist mit vielen Millionen Soldaten und Zivilisten, die im ersten Weltkrieg ihr Leben ließen. Ob sich in der Tasche des toten Soldaten „ein Liebesbrief oder der Milchzahn eines Kleinkindes“ befand, ließ der Künstler bewusst offen. „Legen Sie in Gedanken das in die Tasche hinein, was Ihnen Hoffnung gibt“, bemerkte Uwe Appold abschließend. Auch künftige Generationen sollten sich diese für den Erhalt der Demokratie und ein geeinigtes Europa bewahren.

Ein ausführliches Interview mit dem Flensburger Künstler Uwe Appold erscheint in der nächsten Ausgabe der Landtagszeitung im Dezember.

Vergangene Veranstaltungen im Überblick

30. Oktober: Vortrag im Landeshaus – vom Kämpfer zum Helfer

Krieg früher und heute – was hat sich verändert? Einen Vortrag des Marinehistorikers Michael Epkenhans zu diesem Thema haben am Montagabend rund 90 Gäste im Landtag verfolgt. Unter dem Titel „Vom Stellungs- zum Drohnenkrieg. Der Krieg und seine Folgen früher und heute“ geht Prof. Dr. Michael Epkenhans, Marinehistoriker und Spezialist für den Ersten Weltkrieg, vor allem Fragen über Veränderungen in der Kriegsführung nach und beleuchtet die Folgen von Krieg und seine Wahrnehmung in der Gesellschaft im Wandel der Zeit. Nach einem kurzen Abriss über das Kriegsgeschehen zwischen 1914 und 1918 mit Blick auf den Alltag im Krieg – für deutsche Soldaten, aber auch für die Bevölkerung im eigenen Land – schlägt Epkenhans den Bogen in die Gegenwart. Beispiele sind Bundeswehr-Einsätze im Kosovo, Afghanistan oder Mali.

Die entscheidende Veränderung, so Epkenhans‘ These: Besonders seit dem „War on Terror“ nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sei eine asymmetrische Kriegsführung in den Fokus gerückt. So gebe es in „modernen“ militärischen Auseinandersetzungen „keine klare Gegenüberstellung von Freund und Feind“ mehr. Durch die computer- und drohnengesteuerte Kriegsführung von heute habe sich auch Wahrnehmung verändert – und das nicht nur für die Soldaten, so der Militärhistoriker. Krieg sei heute weniger im Bewusstsein der Menschen verankert, er scheine buchstäblich „in die Ferne gerückt“ zu sein, beobachtet Jan Schlürmann, Historiker und Redenschreiber im Landtag, der durch die anschließende Diskussion führt.

Viertes Bild zeigt zerstörtes Dorf

Mit Blick auf die Akzeptanz von Kriegen in der Gesellschaft stellt Epkenhans fest: Während etwa im Ersten Weltkrieg die „Verteidigung des Vaterlandes“ im Vordergrund gestanden habe, „sehen Deutsche ihre Soldaten heute lieber als Helfer statt als Kämpfer“ – etwa in der Seenotrettung, bei Ausbildungsmissionen oder Friedenseinsätzen.

Im Anschluss an die vierte Sonderveranstaltung zum Gedenkmonat „14/18/18“ enthüllte der Maler Uwe Appold das vorletzte Bild seines fünfteiligen Zyklus. Es zeigt ein Trümmerfeld, das das vom Krieg zerstörte französische Dorf Fleury darstellen soll. Während des Gedenkmonats im Landeshaus werden vom 11. Oktober bis 11. November im Rahmen von Sonderveranstaltungen nach und nach alle Bilder des Künstlers Appold enthüllt. Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist kostenfrei. 

22. Oktober: Kino-Premiere im Landtag

Liebe und Leid liegen nah beieinander: Der Film „Frantz“ rührt bei der dritten Sonderveranstaltung zu der Ausstellung im Rahmen des vom Landtag veranstalteten Gedenkmonats „14 / 18 /18“ viele Zuschauer zu Tränen. Mit dem Spielfilm von François Ozon aus dem Jahr 2016 wurden nach der Auftaktlesung vor zwei Wochen und einem Konzert vergangene Woche menschliche Schicksale im und nach dem Ersten Weltkrieg beleuchtet. Der mehrfach für Filmpreise nominierte und ausgezeichnete Spielfilm „Frantz“ zeigt eine Liebesgeschichte in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg – eng angelehnt an das die gesamte Ausstellung begleitende Thema „Opfer“. Mehr als 100 Gäste verfolgten die „Kino-Premiere“ im Landeshaus. Es war der erste Kinofilm, der im Landtag zu sehen war.

Im Anschluss enthüllte der Maler und Bildhauer Uwe Appold sein drittes, großformatiges Gemälde, das sich dem Fort Douaumont in Verdun aus der Vogelperspektive weiter annähert – das erste Gemäldes aus dem Jahr 1914 ist aus 1000 Meter gemalt, das jetzt enthüllte aus dem Jahr 1916 aus 400 Metern, wie der Künstler erläutert. „Im Jahr 1916 wurden die Weichen zur industriellen Vernichtung gestellt“, betonte Appold zu seinem Bild, für das er auch echte Materialien aus Verdun verwendet hat. Laut dem Künstler wurden Menschen in der „totalen Schlacht“ bei Verdun nur noch als Material angesehen. Daher sei das Jahr 1916 ein Sinnbild für den Schrecken von über 17 Millionen Toten, die im ersten Weltkrieg ihr Leben verloren.

16. Oktober: Wie klingt das Kriegsjahr 1915?

Imposant untermalt von zwei Trommlern lässt der Maler und Bildhauer Uwe Appold das Hereinbrechen des Ersten Weltkriegs mit Auszügen aus Arnold Zweigs Roman „Erziehung vor Verdun“ aufleben. Nach der Auftaktlesung zum Gedenkmonat stand an diesem Abend unter dem Motto „The Sound of War“ eine musikalische Herangehensweise an die Tragödien des vor 100 Jahren beendeten Kriegs auf dem Programm. Knapp 100 Gäste verfolgten im Schleswig-Holstein-Saal die literarisch-musikalische Performance des Flensburger Künstlers.

Der sich ins unermessliche steigernde Trommelwirbel erinnerte an das Kanonenfeuer, das Millionen Soldaten in den Schützengräben das Leben kostete und die sogenannten Kriegszitterer hervorbrachte. Anschließend ließ die Band „Radio Retro“ mit zeitgenössischen deutschen Schlagern, französischen Chansons, Soldatenliedern, Tondokumenten und Hintergrundgeschichten die Vor- und Nachkriegsjahre aufleben. Die vier Musiker entführten das Publikum mit mal träumerisch verspielten, dann wieder mitreißenden Tönen in eine Zeit der Gegensätze zwischen Mut und Hoffnung, Verzweiflung und Zerstörung.

Künstler von Landschaftsbeschreibungen fasziniert

Zum Abschluss der Veranstaltung enthüllte Appold das zweite Bild seines fünfteiligen Gemäldezyklus „14 / 18“, das sich dem Fort Douaumont im Jahr 1915 aus der Vogelperspektive annähert. Laut Appold hatte sich die deutsche Armee in diesem Jahr auf das Bollwerk in Verdun eingeschossen: „Es hatte Prestige-Gründe, warum nicht Kolonialsoldaten, sondern ausschließlich deutsche und französische Soldaten an dieser Festung eingesetzt worden waren.“ Die „faszinierenden Landschaftsbeschreibungen“ des Schriftstellers Arnold Zweig haben den Maler nach seinen eigenen Worten bei der Gestaltung seiner Gemälde inspiriert.

11. Oktober: Die Entwicklung des modernen Opferbegriffs

Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe zum Gedenkmonat „14 / 18 / 18“ am 11. Oktober hat sich die Geschichtsprofessorin Svenja Goltermann der Fragestellung gewidmet, wie sich das heutige Bild des Opfers entwickelt hat. Die Züricher Professorin las vor rund 50 Zuhörern im Schleswig-Holstein-Saal des Landeshauses Auszüge aus ihrem neuesten Buch. Unter dem Titel „Opfer. Wahrnehmung von Krieg und Gewalt in der Moderne“ hat sich Goltermann mit der Frage beschäftigt, wie es dazu kam, „dass wir Menschen, die eines unnatürlichen Todes starben, als Opfer bezeichnen“.

Nach ihren Erkenntnissen hat sich die „Figur des Opfers“, wie wir sie heute kennen, im 20. und 21. Jahrhundert herausgebildet: Mit den modernen Gesellschaften sei das das Bedürfnis entstanden, die Verluste zu zählen und die Toten zu identifizieren. Und auch in der Politik habe sich der Anspruch entwickelt, „Tote erkennbar zu machen“. Gerade durch die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs habe sich der Opferbegriff entscheidend verändert, analysiert die Geschichtsprofessorin. Laut Goltermann wurde der Begriff nach und nach ausgeweitet, von Soldaten auf die zivile Bevölkerung, von körperlichen Verletzungen bis zur Anerkennung des Traumas als seelische Wunde.

Umgang mit Kriegsopfern hat „gegenwärtige Dimension“

Christian Meyer-Heidemann, Landesbeauftragter für politische Bildung, spannte in seiner Ansprache den Bogen zum heutigen Gedenken an den „Großen Krieg“, der, so sagte er, „bislang ungekannte Maßstäbe von Grausamkeiten setzte“. Es müsse darum gehen, Zusammenhänge und Langzeitfolgen des Krieges aufzuzeigen. Dabei sei vor allem die Auseinandersetzung mit an Leib und Seele zerstörten Kriegsopfern und mit zerstörten Landschaften unbedingt relevant – „sie hat auch eine ganz entscheidende gegenwärtige Dimension“, so Meyer-Heidemann.

Im Anschluss an die Lesung enthüllte der Künstler Uwe Appold das erste Bild seines fünfteiligen Gemäldezyklus 14/18, das sich dem Schlachtfeld bei Verdun aus heutiger Sicht widmet.