100 Jahre nach dem Kieler Matrosenaufstand hat eine breite Mehrheit im Landtag den Einsatz der Marinesoldaten vom November 1918 gewürdigt. Der Widerstand tausender Seeleute gegen ihre Offiziere sei „Teil des historischen Fundaments unserer heutigen Bundesrepublik“, heißt es in einem gemeinsamen Antrag von SPD, Jamaika und SSW. „Zahlreiche demokratische und soziale Errungenschaften, die bis heute nachwirken“, hätten ihren Ursprung im Herbst 1918. Einzig die AfD ging auf Gegenkurs und warnte vor einer „Instrumentalisierung von Geschichte“.
Er habe „allerhöchsten Respekt“, so SPD-Fraktionschef Ralf Stegner, vor dem „beispielhaften Mut“ der Matrosen im „Kampf für eine bessere und freiere Gesellschaft“. Errungenschaften wie Rede- und Pressefreiheit und das allgemeine, gleiche Wahlrecht für Männer und Frauen gingen auf den Aufstand 1918 zurück. Auch heute gelte die Lehre: „Demokratie ist kein Automatismus, sondern muss erkämpft werden“, auch gegen „Geschichtsverdreher“ von rechts. Deswegen ruft der Landtag die Landesregierung auf, die aktuelle Wanderausstellung des Landes zum Matrosenaufstand zu erhalten.
AfD: Rote Matrosen keine demokratischen Vorbilder
Frank Brodehl (AfD) sah im Widerstand der Kieler Matrosen „eine Triebfeder neben anderen“ auf dem Weg zur Republik. Das Kriegsende sei „schon besiegelt“ gewesen und die Abdankung des Kaisers „hatte mit den Kieler Ereignissen kaum etwas zu tun“. Zudem sei die Demokratisierung des Reiches bereits mit den Reformen von Anfang Oktober 1918 eingeleitet worden. Die Matrosen seien gewalttätig gewesen und hätten die Sowjet-Diktatur als Vorbild gehabt. „Das entspricht nicht unserem heutigen Verständnis von Demokratie“, so Brodehl.
Die Matrosen widersetzten sich Ende Oktober 1918 dem Befehl der Marineleitung, trotz der bereits feststehenden Kriegsniederlage noch einmal in den Kampf gegen die Briten zu ziehen. In Kiel befreiten sie inhaftierte Meuterer und schlossen sich mit Werft- und Fabrikarbeitern zusammen. Arbeiter- und Soldatenräte übernahmen die Macht in der Stadt. Der Funke sprang auf andere Städte über und erreichte Berlin. Am 9. November verkündete Reichskanzler Max von Baden die Abdankung Kaiser Wilhelms II., am selben Tag rief der sozialdemokratische Abgeordnete Philip Scheidemann von einem Fenster des Reichstags die Republik aus. Zwei Tage später endete der Erste Weltkrieg.
Weitere Stimmen aus dem Plenum:
Tobias Koch (CDU):
„Was als Meuterei begann, wurde Ausgangspunkt der Novemberrevolution und beschleunigte die Abdankung des Kaisers und den Übergang zur Weimarer Demokratie.“
Eka von Kalben (Grüne):
„Wir demokratischen Fraktionen sind uns einig, wie wichtig der Aufstand nicht nur für die Gesellschaft vor 100 Jahren war. Deutsches Heldentum war den Matrosen weniger wichtig als der Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit.“
Christopher Vogt (FDP):
„Die Geschehnisse in Kiel haben Weltgeschichte geschrieben. Von Kiel ging damals ein wesentlicher Anstoß zum Ende des Krieges, zur Abdankung des Kaisers und zur Abschaffung des Adelsstandes aus.“
Lars Harms (SSW):
„Die Forderungen der Soldaten beinhalteten nicht nur eine Militärreform, sondern auch wesentliche Punkte, die wir heute noch unterschreiben können: etwa Redefreiheit und die Abschaffung der Zensur.“
Bildungsministerin Karin Prien (CDU):
„Es ist in diesem Jahr gelungen, ein wichtiges, oft nicht ausreichend gewürdigtes Ereignis in der Geschichte in den Blickpunkt zu rücken. Wir müssen Demokratie stärker erklären und unermüdlich für sie werben. “