Mit ihrem Appell an die Landesregierung, sich für mehr Tarifbindung im Land einzusetzen, hat die SPD eine rund 90-minütige Grundsatzdiskussion über die Arbeitsmarktpolitik in Schleswig-Holstein ausgelöst. Nur ein starkes Tarifsystem helfe gegen Niedriglohn und prekäre Beschäftigungsverhältnisse, begründete Wolfgang Baasch (SPD) den Vorstoß seiner Partei. Nicht einmal 50 Prozent der Betriebe in Deutschland seien derzeit an Tarifverträge gebunden. Auch die Landesregierung müsse daher mehr für flächenmäßige Tarifverträge tun, forderte Baasch.
Im Kern ging es auch um das ehemalige Tariftreue- und Vergabegesetz, das im Januar 2019 von der Jamaika-Koalition verändert wurde. Schon damals beklagten SPD und SSW den Abbau von Sozialstandards und Nachhaltigkeit. „Das Schleifen des Tariftreue- und Vergabegesetzes durch die Jamaika-Regierung in Schleswig-Holstein war hier ein total falsches Signal“, wiederholte Baasch nun die Kritik. Der SSW schloss sich dem an.
Minister: Forderungen sind „bodenlose Frechheit“
Das ehemalige Tariftreue- und Vergabegesetz sei nicht praktikabel, viel zu bürokratisch gewesen und habe nicht kontrolliert werden können, hielten CDU, Grüne und FDP dagegen. Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) nahm den SPD-Antrag auseinander. „Wir haben an den Tarifvergaberichtlinien nichts, aber auch gar nichts geändert. Sich hier dann mit diesen Forderungen hinzustellen, ist eine bodenlose Frechheit“, erboste er sich. Zwar sei eine hohe Tarifbindung auch im Sinne der Landesregierung, allerdings sei die Kopplung von Auftragsvergaben nur an Unternehmen, die einen Tarifvertrag haben, „laut EU-Recht gar nicht zulässig“, unterstrich der Minister.
Der Antrag wurde mit den Stimmen von CDU, Grünen, FDP und AfD abgelehnt.
Stimmen aus dem Plenum:
Lukas Kilian (CDU)
Es ist bedenkenswert, wenn jemand immer wieder gegen die gleiche Wand rennt. Die SPD begleitet die Regierungsarbeit nicht kritisch-konstruktiv, sondern holt retortenhaft denselben Antrag zum dritten oder vierten Mal heraus. Das Unternehmerbild, das Sie hier predigen, sollte Ihnen peinlich sein. Wir haben einen Vergabemindestlohn und wollen das mittelstandsfreundlichste Bundesland in Deutschland werden.
Joschka Knuth (Grüne)
Der SPD-Antrag ist ein Schaufenster-Antrag. Selbstverständlich garantieren Tarifverträge gute Arbeit, faire Löhne, regeln Arbeitszeiten, Urlaub und betriebliche Altersvorsorge und stärken die Gesellschaft. Aber: Immer weniger Menschen sind Mitglied einer Gewerkschaft. Die weißen Flecken in der Tariflandschaft werden immer größer. Wenn wir etwas für Tarifbindung tun wollen, dann auf Bundesebene mit einem Bundestariftreuegesetz.
Kay Richert (FDP)
Das Tariftreuegesetz ist gescheitert, es war ein Misserfolg. Niemand hat sich an das Gesetz gehalten, weil es zu unübersichtlich war. Die Abschaffung des Gesetzes zugunsten einer einfachen und gerechten Verordnung war ein Segen für die Arbeitnehmer. Der SPD-Antrag ist ein Wiedergänger-Antrag. Bei dem, was wir hingegen gemacht haben, wissen Betriebe woran sie sind.
Volker Schnurrbusch (AfD)
Das ist eine reichlich fruchtlose Debatte. Täglich grüßt das Murmeltier. Worin mag der politische Nutzen liegen, wenn der Landtag einen solchen Beschluss fassen würde? Zur Debatte gehört eine ehrliche Bestandsaufnahme. Gewerkschaftsbindung unter deutschen Arbeitnehmern beträgt bundesweit nur noch 15 Prozent. Die große Zeit der Gewerkschaften ist nun einmal vorbei.
Lars Harms (SSW)
Der Antrag ist bitternötig, wenn man sich die Mieten oder Armutszahlen anschaut. Ohne Tarifbindung und Mindestlohn haben Menschen kaum die Chance, ihr Leben eigenständig und würdig gestalten zu können. Ein Arbeitsplatz allein schützt nicht mehr vor Armut. Wenn es um gute Löhne und Arbeitsbedingungen geht, sind Tarifverträge natürlich von großer Bedeutung. Die Forderung der SPD können wir nur unterstützen.