Der Landtag hat sich mit breiter Mehrheit für einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt stark gemacht und will auch den medizinischen Bereich stärker in den Blick nehmen. „Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss höchste Priorität in unserer Gesellschaft haben“, sagte die SPD-Spitzenpolitikerin Serpil Midyatli. Ein gefordertes, mit 350.000 Euro ausgestattetes Landespräventionsprogramm zum Schutz der Kinder vor sexualisierter Gewalt lehnten CDU, Grüne und FDP aber ab.
Der Landtag verabschiedete stattdessen einstimmig einen Alternativantrag der Koalitionsfraktionen, der die Landesregierung auffordert, mit den gestern im Haushalt zusätzlich bereitgestellten 140.000 Euro bestehende Projekte zur Prävention weiter zu entwickeln. Minister Garg betonte, in Schleswig-Holstein gebe es mittlerweile ausgeprägte Strukturen und Einrichtungen wie Petze oder Pro Familia, um den Schutz von Minderjährigen zu gewährleisten. Und: Für das laufende Jahr habe das Land eine Reihe von Fortbildungsveranstaltungen zum Thema sexualisierte Gewalt auf den Weg gebracht.
Mehr Augenmerk bei ärztlichen Untersuchungen
Ebenfalls einstimmig fiel das Votum für einen Antrag von CDU, Grünen und FDP aus, sich auf Bundesebene für eine Anpassung des fünften Sozialgesetzbuches einzusetzen, um dort die besonderen Belange der Kinder und Jugendlichen ausdrücklich zu erwähnen. Dabei geht es um die medizinische Versorgung. Auffälligkeiten, etwa blaue Flecken am Körper, müssten automatische Handlungsweisen auslösen, heißt es in dem Papier.
Mitberaten wurde außerdem der Tätigkeitsbericht der Beschwerdestelle für Kinder und Jugendliche. Dort sind die Eingaben 2018/2019 im Vergleich zu 2016/2017 um fast 200 auf 615 gestiegen. Dies ergibt sich aus dem jüngsten Bericht der Ombudsfrau in der Kinder- und Jugendhilfe, Samiah El Samadoni, der dem Sozialausschuss zur abschließenden Beratung überwiesen wurde. In etwa 1200 stationären Einrichtungen im Land sind laut der Ombudsfrau El Samadoni knapp 7000 Kinder und Jugendliche untergebracht.
SPD: Beteiligung funktioniert nicht in der Krise
Katja Rathje-Hoffmann (CDU) warnte in der Debatte, eine Situation wie in der Jugendeinrichtung Friesenhof in Dithmarschen, wo offenbar über Jahre unhaltbare Zustände herrschten, dürfe sich nicht wiederholen. „Miteinander reden ist ganz, ganz wichtig“, sagte sie und verwies auf den neuen Online-Zugang zur Beschwerdestelle. Unter www.beschwerdich.sh könnten sich Kinder und Jugendliche allgemeine Infos und eine Selbsteinschätzung ihrer Lage einholen. Zudem gebe es einen Zugang zur Beratung durch Messanger-Dienste.
Die Sozialdemokratin Midyatli warf der Jamaika-Koalition vor, die Verantwortung „wieder einmal auf den Bund“ zu schieben und konstatierte, die bisherigen Beteiligungskonzepte für Kinder und Jugendlichen funktionierten nicht in der Krise. Daher müssten neue Formen der Beteiligung geschaffen und Konzepte erweitert werden. „Besonders gefährdet sind Kinder mit Behinderung.“ Einigen Jugendhilfeeinrichtungen warf sie „Ignoranz“ vor. Dort würden Rechte von Kindern und Jugendlichen „geschnitten“, manche Kinder würden nicht vernünftig beschult. „Hier müssen wir die Gesetze ändern“, forderte die Sozialdemokratin.
SSW: „Perspektive junger Menschen mitdenken“
Marret Bohn (Grüne) wies die Kritik der SPD umgehend zurück. Es sei „nicht fair“ den Eindruck zu erwecken, dass es keine vernünftige Beschulung gebe. Zudem betreffe der Gewaltschutz alle Kinder und sei daher Aufgabe des Bundes. Die Gesundheitspolitikerin der Grünen wies zudem auf die Spätfolgen von misshandelten Kindern hin. Gerade im Bereich Schule müsse daher mehr getan werden. Und Dennys Bornhöft (FDP) betonte, Kinder und Jugendlichen seien die größten Leidtragenden der Pandemie. „Jedes dritte Kind weist mittlerweile psychische Auffälligkeiten auf“, mahnte er.
Dem schloss sich Jette Waldinger-Thiering (SSW) an. Sie mahnte, dass Kinder und Jugendliche gerade in der Krise nicht vernünftig „mitgenommen“ worden seien. „Wir müssen künftig die Perspektive junger Menschen mitdenken.“ Es müsse zudem höchste Priorität haben, Familien durch die Krise zu begleiten. Das betreffe gerade sozial benachteiligte Kinder, so Waldinger-Thiering.