Der öffentliche Personenverkehr zu Wasser und auf der Schiene steht im Fokus einer breiten Verkehrsdebatte. Im Mittelpunkt dabei: Die von der Landesregierung angepeilten Ziele, mehr Pendler zum Umstieg auf die Bahn zu überzeugen. Dies ist auch der Schwerpunkt des neuen Nahverkehrsplan, den Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) im Plenum vorstellen wird. Ein weiteres Thema ist die derzeit in Insolvenz verkehrende Elbfähre zwischen Brunsbüttel und Cuxhaven. Hier fordert der AfD-Zusammenschluss die Härtefallkommission auf, „ihre abschlägige Entscheidung zu überprüfen und der Betreibergesellschaft Zugang zu Corona-Hilfen zu gewähren“.
Die Fähre „Greenferry I“ war am 1. März 2021 gestartet, sie fährt zwischen Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und Cuxhaven in Niedersachsen täglich im Drei-Stunden-Takt. Wegen der Corona-Beschränkungen war das Geschäft zu Ostern und Pfingsten nicht so wie von den Betreibern erhofft angelaufen. Im November meldete die Elbferry GmbH & Co. KG Insolvenz wegen drohender Zahlungsunfähigkeit an, hielt aber den Fährbetrieb aufrecht. Als Grund für den Insolvenzantrag nannte ein Sprecher des Betreibers, dass die erhofften Corona-Hilfen ausgeblieben seien und die Härtefallkommission in Schleswig-Holstein einen abschlägigen Bescheid erteilt habe.
Pendler vom Bahnfahren überzeugen
Mit dem neuen Nahverkehrsplan für die kommenden fünf Jahre, den Minister Buchholz (FDP) in Grundzügen bereits im Sommer öffentlich vorstellte, wollen Landesregierung und Nahverkehrsverbund deutlich mehr Menschen in die Züge locken als vor der Corona-Pandemie. „Unser Ziel ist es, das Nahverkehrsaufkommen gegenüber 2019 um 20 Prozent zu steigern bis 2026“, sagte Buchholz. Pünktlichkeit und Verlässlichkeit sollen besser werden und künftig alle Bahnstationen barrierefrei sein. Gegenüber 2019 sind laut Verkehrsverbundes NAH.SH die Fahrkarten-Erlöse im Zuge der Pandemie 2020/21 um 250 Millionen Euro gesunken.
Die Nahverkehrsplanungen fußen auf einem Gutachten, dass Potenziale und Machbarkeiten auf den Bahnstrecken untersucht hat. Nach Angaben von Buchholz könnte der Bahnverkehr 2030 komplett dieselfrei laufen. Möglich machen soll das der Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke von Itzehoe nach Sylt und der geplante landesweite Einsatz von 55 Batterie-Zügen auf Nebenstrecken. Das Land will zudem bis 2027 unter anderem das Angebot zwischen Hamburg und Lübeck verbessern, die Zugverbindungen zwischen Kiel und Preetz aufstocken, die Strecke von Niebüll nach Dagebüll elektrifizieren und neben der Strecke Kiel-Schönberger Strand auch die Trassen Wrist-Kellinghusen und Rendsburg–Rendsburg-Seemühlen reaktivieren.
Nicht alles machbar
Zudem sollen die S-Bahnen im Hamburger Rand in kürzeren Abständen fahren. Wichtig seien auch die Fertigstellung der S4 über Ahrensburg nach Bad Oldesloe (geplant 2029) und der Bau der der S4 West bis nach Elmshorn, sagte Buchholz. Als Problem haben die Gutachter ausgemacht, dass die Strecken von Hamburg nach Westerland, nach Flensburg und nach Kiel alle über Elmshorn laufen. Helfen soll der zweigleisige Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke Neumünster-Bad Oldesloe. Mit den bereits finanzierten und weiteren angedachten Projekten beläuft sich das mögliche Investitionsvolumen in den nächsten zehn Jahren laut Buchholz auf knapp vier Milliarden Euro.
Der Verkehrsminister räumte ein, dass sich in den kommenden Jahren nicht alle Bahnstrecken angehen ließen. Eine Finanzierungslücke bestehe beispielsweise noch für einen Ausbau der Strecke Kiel-Lübeck. Vom Bund erhält das Land jährlich etwa 300 Millionen Euro an Regionalisierungsmitteln für den öffentlichen Nahverkehr ‒ Tendenz steigend. Vor Corona waren im Norden laut Ministerium werktags rund 150.000 Menschen mit dem Zug unterwegs, den Bus nutzten demnach jährlich rund 190 Millionen Menschen.
Ältere Anträge vor Abstimmung
Weiterhin stehen im Zuge der Debatte zwei zum Thema gehörende Anträge der Koalitionsfraktionen vor der Annahme. Ein zwei Jahre alter Antrag stützt die Bestrebungen, mehr Pendler auf die Schiene zu locken. Der andere Antrag, der bereits 2017 debattiert worden war, hält den weiteren Betrieb der Bäderbahn in der Lübecker Bucht „in Ergänzung zur zweigleisigen Neubautrasse für wirtschaftlich nicht realisierbar“ und spricht sich für die Entwicklung eines Konzepts aus, welches „zusätzliche Nahverkehrsangebote für den Bereich der bisherigen Bäderbahn enthält“. Entsprechende Ursprungsanträge der SPD-Fraktion waren nach den Ausschussberatungen abgelehnt worden.
(Stand: 13. Dezember 2021)
Debatten bei Antragstellungen:
März 2019 (S-Bahn-Pendler)
November 2017 (S-Bahn Lübeck, Bäderbahn)
Weitere vorherige Debatte zum Thema:
Juni 2021 (S-Bahn-Taktungen)