Die Landesregierung will trotz hoher Inzidenz-Werte Bildungseinrichtungen in Schleswig-Holstein nur in absoluten Ausnahmefällen schließen. Offene Schulen seien für Kinder und Jugendliche „von enormer Bedeutung“, betonte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) in einer emotional geführten, rund 150 Minuten dauernden Schuldebatte. „Kinder und Jugendliche haben schon genug in der Pandemie gelitten“, ergänzte Sozial- und Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP).
Die SPD hatte die Debatte mit der Forderung unterlegt, das Umswitchen vom Präsenzunterricht auf Wechsel- und Distanzunterricht an den Schulen zu erleichtern. Ein entsprechender Antrag fand jedoch keine Mehrheit. Martin Habersaat (SPD) hielt der Landesregierung „wenig ernsthafte Beschäftigung“ mit dem Thema vor.
SPD: Regierung ohne Konzepte
Hunderte Lehrkräfte und tausende Schüler hätten sich in den ersten Wochen des Jahres infiziert. Die Inzidenz sei bei den Fünf- bis 14-Jährigen am höchsten. Eltern, Kinder und Jugendliche verlangten daher Antworten auf ihre Sorgen und Fragen. Die Jamaika-Koalition nehme das nicht ernst, habe keine Konzepte und betrachte die Situation und die Vorschläge der SPD „unterkomplex“, so Habersaat: „Zwischen `Schule auf´ und `Schule zu´ liege eine Fülle der Möglichkeiten.“
Karin Prien erklärte, in allen Bildungseinrichtungen werde auf höchstmöglichen Schutz geachtet. So gebe es aktuell in 450 von 800 Schulen im Land keine oder maximal zwei Corona-Fälle. Jede Woche würden fast eine Million Tests an Schulen abgenommen. Sie sei „stolz“ nicht nur darüber, dass Impfteams nun auch für das Boostern an Schulen fahren und Schleswig-Holstein hier eine Vorreiterrolle einnehme, sondern auch über die Transparenz. So könnten Bürger online über ein Dashboard die Infektionszahlen an Schulen einsehen.
Gesundheitsminister Garg sagte, bei den Menschen, die 60 Jahre und älter sind, seien 92,3 Prozent mindestens zweimal und 81,8 Prozent schon drei Mal geimpft. Bei den 12- bis 17-Jährigen liegt die Quote der mindestens zweimal Geimpften ihm zufolge bei 71,1 Prozent.
Neue Regeln für Kita-Mitarbeiter
Die Landesregierung will nun auch ein auf die Omikron-Virusvariante adaptiertes Schutzkonzept im Bereich der Kindertagesstätten im Land einführen, kündigte Garg an. Demnach müssen sich auch Geboosterte drei Mal die Woche testen. Wo möglich sollen Kohorten gebildet werden. Ein Antrag der Jamaika-Koalition, der diese Maßnahmen lobt, wurde von CDU, Grünen und FDP bei Enthaltung des SSW angenommen.
Bei den Schulen wollen Landesregierung und Jamaika-Koalition an den derzeitigen Regeln festhalten – auch hier mit der Testpflicht für alle Beschäftigten unabhängig vom Impfstatus. Schülerinnen und Schüler, die entweder selbst ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben oder mit einer Person mit einem erhöhten Risiko zusammenleben, haben weiter die Möglichkeit der Beurlaubung.
Fraktionsübergreifender Gesetzentwurf zu Prüfungen
Tobias von der Heide (CDU) lobte das „Corona-Management“ der Landesregierung und erklärte, „Kinder haben ein Recht auf Kindheit und Jugendliche ein Recht auf Jugend“. Beide Gruppen hätten zudem „ein Recht auf Bildung“. Daher sei Präsenzunterricht wichtig. Abschlussprüfungen und Zeugnisse müsse es auf jeden Fall geben, so von der Heide. Ein entsprechender Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes von Jamaika-Koalition, SPD und SSW wurde an den Bildungsausschuss überwiesen und am Tag nach der Grundsatzberatung einstimmig angenommen.
Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben verwies auf die hohe Zahl von Suizid-Versuchen von Jugendlichen im Frühjahr 2021. „Wir wissen, dass psychische Probleme und die Bildungsgerechtigkeit massiv gelitten haben und der Druck in den Familien gestiegen ist“. Kinder und Jugendliche bräuchten möglichst viel Normalität und Alltag. Dazu gehörten auch Kita- und Schulbesuche. Dort müssten aber mehr Flexibilität und Regeln umgesetzt werden. Eltern hätten in der Regel keine Möglichkeit, die Kinder von zuhause zu betreuen.
Diskussion um Lolli-Tests
Anita Klahn (FDP) hielt der SPD vor, mit der Debatte um Schulschließungen Bildungsungerechtigkeiten zu verschärfen. Es gehe vielmehr darum, „in Pandemiezeiten zur Normalität zurückzukehren“. Verordnungen sollten mit Augenmaß reduziert werden. „Omikron sorgt hoffentlich dafür, dass die pandemische in eine endemische Lage ausläuft“, so Klahn.
PCR-Pooltests mit oder ohne die sogenannten Lollies lehnten Jamaika-Koalition und SSW ab. Dafür gebe es in den Laboren nicht genügend Kapazitäten. Hier hätten andere Personen, etwa in Gesundheits- und Pflegeberufen, Vorrang und „nun mal nicht asymptomatische Kinder aus Pooltestungen“, so Jette Waldinger-Thiering (SSW). Die Folge seien „weitreichende Klassen- und Schulschließungen mit jeder Menge frustrierter junger Menschen, die zu Hause sitzen und tagelang auf die Testergebnisse warten“. Gesundheitsminister Garg betonte, Lolli-Schnelltests seien aus wissenschaftlicher Erkenntnis nicht geeignet.
AfD-Antrag scheitert
Anträge des fraktionslosen Abgeordneten Frank Brodehl, ungeimpfte Kinder und Jugendliche von 2G-Regelungen auszunehmen, und des Zusammenschlusses der AfD-Abgeordneten, lückenhafte Erfassungen in den Gesundheitsämtern und unzureichende Übermittlungen von Infektionsdaten an Landes- und Bundesstellen zu beseitigen, scheiterten. Jörg Nobis (AfD) kritisierte fehlende oder falsche Daten und forderte ein zentrales anonymisiertes Meldeportal, auf das Ärzte, Teststellen, Gesundheitsämter, Krankenhäuser jederzeit Zugriff haben sollten.