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26. Januar 2024 – Januar-Plenum

„Hundertprozentige Sicherheit wird nicht möglich sein“

Ein Jahr nach Brokstedt debattiert die Landespolitik über politische Konsequenzen in puncto Sicherheit. Die Innenministerin sieht viele Verbesserung seit dem tödlichen Zugattentat, skizziert aber auch Grenzen.

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Blumengestecke und Kränze liegen in Brokstedt am Gedenkstein auf dem Bahnsteig für die Opfer der Messerattacke. Foto: dpa, Christian Charisius

Nach der Messerattacke von Brokstedt am 25. Januar 2023 sei es darum gegangen, „alle in unserer Macht stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um solche Gräueltaten in Zukunft zu verhindern“ – das erklärte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) in ihrer Bilanz ein Jahr nach dem tödlichen Angriff in einem Regionalexpress. Zahlreiche Anstöße aus einem Zehn-Punkte-Papier der Koalitionsfraktionen seien umgesetzt oder in die Wege geleitet worden, so die Ministerin. Die Opposition sah hingegen noch erheblichen Handlungsbedarf.

Im Januar 2023 hatte der staatenlose Palästinenser Ibrahim A. im Regionalzug von Kiel nach Hamburg auf andere Fahrgäste eingestochen. Eine 17-Jährige und ein 19-Jähriger wurden getötet, und es gab mehrere Schwerverletzte. In der Kritik stand nach dem Tötungsdelikt die mangelhafte Kommunikation von Ausländer- und Sicherheitsbehörden in Schleswig-Holstein, Hamburg und NRW über den mutmaßlichen Täter, der bereits mehrfach wegen Körperverletzung und Drogendelikten auffällig gewesen war.

Es muss weiter gearbeitet werden

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Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU): „Uns ist bewusst, dass wir noch einiges weiter umsetzen müssen“ Foto: Sönke Ehlers

Inzwischen seien Informationen über ausländische Mehrfach- und Intensivtäter länderübergreifend verfügbar, betonte Sütterlin-Waack. Zudem habe das Land zusätzliche Stellen bei Staatsanwaltschaften und Gerichten geschaffen, um Strafverfahren zu beschleunigen. Die psychosoziale Begleitung von Straftätern nach der Haft sei verbessert worden, es gebe mehr Sicherheitspersonal in Zügen sowie Videotechnik an einigen Bahnhöfen.

Gemeinsam mit Hamburg habe Schleswig-Holstein einen Vorstoß für mehr Waffenkontrollen an Bahnhöfen in die Innenministerkonferenz eingebracht, und die rechtliche Grundlage für Waffenverbotszonen an Bahnhöfen werde vorbereitet. „Uns ist bewusst, dass wir noch einiges weiter umsetzen müssen“, merkte die Ministerin an: „Aber eine hundertprozentige Sicherheit wird nicht möglich sein.“

Opposition mit harscher Kritik

„Was konkret umgesetzt ist, ist ernüchternd“, erwiderte Bernd Buchholz (FDP), der die Debatte mit dem Berichtsantrag angestoßen hatte. Beim mangelhaften Informationsaustausch zwischen den Behörden sei es „bisher an keiner Stelle zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen gekommen“. In Schleswig-Holstein würden Waffenverbotszonen lediglich geprüft, während Hamburg dies am Hauptbahnhof bereits eingerichtet habe. Die Ausländerbehörden seien nach wie vor „alle komplett überlastet“. Buchholz forderte, deren Aufgaben teilweise beim Land zu zentralisieren.

Auch Niclas Dürbrook (SPD) machte Defizite aus: „Ein bundesweites Messerverbot in den Zügen lässt auf sich warten.“ Zudem sei Schleswig-Holstein aktuell „weit entfernt“ von einer Einrichtung wie der Hamburger GERAS (Gemeinsame Ermittlungsstelle zur Rückführung ausländischer Straftäter). Lars Harms (SSW) rief dazu auf, die Zusammenarbeit der Behörden weiter zu verbessern. Im Fall Ibrahim A. seien sieben Ämter beteiligt gewesen, „und keines hatte wirklich alle Informationen vorliegen“. An dieser Stelle müssten die Zuständigkeiten gebündelt werden. Harms forderte zudem ein Punktesystem zur einheitlichen Bewertung ausländischer Straftätern.

Resozialisierung und Prävention

„Wir haben schnell die Problematik des Daten- und Informationsaustausches ausgemacht“, stellte Birte Glißmann (CDU) fest, „aber das sind richtig dicke Bretter, die man Bohren muss“. Außerdem müsse genau geprüft werden, an welchen Bahnhöfen es ein Waffen- und Kriminalitätsproblem gebe, um dann Verbotszonen auszurufen. „Resozialisierung und Prävention sind der beste Ansatz für mehr Sicherheit in unserem Land“, betonte Jan Kürschner (Grüne). Die Stärkung der Gewaltpräventionsambulanz sei der bedeutsamste Schritt, gewesen. Kürschner forderte außerdem Bewährungshilfe auch für entlassene U-Häftlinge.

Am Nachmittag des 25. Januars 2023 hatte ein Mann im Regionalzug von Kiel nach Hamburg ein Messer gezogen und auf Fahrgäste eingestochen. Zwei junge Menschen starben, vier wurden schwer verletzt. Der 34 Jahre alte Palästinenser Ibrahim A. steht wegen der Taten seit Juli 2023 vor dem Landgericht Itzehoe. Er muss sich wegen Mordes verantworten. Jetzt fordert die FDP-Fraktion die Landesregierung auf, über die Umsetzung des kurz nach dem Attentat vorgelegten „10-Punkte-Papiers – Schlussfolgerungen nach dem tödlichen Angriff im RE 70“ sowie zu den übrigen Beschlüssen im Nachgang zu der Tat zu berichten.

Die Landesregierung hatte nach der Tat Handlungsfelder erkannt, die auch politisch aufgearbeitet werden müssten. Die Regierungsfraktionen aus CDU und Grünen legten kurz nach dem Attentat ein 10-Punkte-Papier mit dem Titel „Schlussfolgerungen nach dem tödlichen Angriff im RE70“ vor. Die darin beschriebenen Maßnahmen unter anderem: Eine allgemeine Erhöhung der Sicherheit im ÖPNV, die Verbesserung der Gewaltprävention, einen besseren Informationsfluss zwischen Behörden, sowie beschleunigte Strafverfahren und Abschiebungen von Straftäterinnen und Straftätern.

Gedenkfeier in Brokstedt

Die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg erarbeiteten zudem gemeinsame Vorschlägen zur Verbesserung der Sicherheit in Zügen und auf Bahnhöfen sowie zum Umgang mit ausländischen Intensivtätern. Diese wurden im Juni 2023 im Rahmen einer Innenministerkonferenz in Berlin vorgestellt.

Ein Jahr nach der tödlichen Messerattacke von Brokstedt waren gestern Angehörige, Politiker, Vertreter von Kirchen und Bahn sowie viele mitfühlende Menschen zu einer Gedenkfeier in Brokstedt zusammengekommen. Bürgermeister Clemens Preine, Ministerpräsident Daniel Günther, Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack, Justizministerin Kerstin von der Decken (alle CDU) und Verwandte der beiden jungen Todesopfer legten am Donnerstag Kränze an einem erst kürzlich aufgestellten Gedenkstein am Bahnsteig nieder. „In ewiger Liebe“ steht dort mit den Namen der 17-jährigen Ann-Marie, ihrem zwei Jahre älteren Freund Danny und zwei verbundenen roten Herzen.

(Stand: 25. Januar 2024)

Debatten zum Thema:
Februar 2023 (Sicherheit)
Februar 2023, (Aufklärung; Newsticker, 22.02./11:25)

Antrag

Top 29:
Berichtsantrag zur Umsetzung der Brokstedt Beschlüsse
Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 20/1794