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Seit Ende 2022 präsentiert Landtagspräsidentin Kristina Herbst ihre Hospitationen bereits auf Instagram; über 20 Reels sind so entstanden. Die Clips zeigen jedoch keine schicken Führungen durch hergerichtete Räumlichkeiten, sondern den jeweiligen Arbeitsalltag, den Herbst – oft in passender Montur – tatkräftig begleitet.
Frau Herbst – die unterschiedlichen Unternehmen in Schleswig-Holstein in diesem Format zu präsentieren – allein das wäre ja schon ein spannender Inhalt für Instagram. Doch die Reihe hat einen tieferen Sinn. Welchen?
Sie soll ganz einfach zeigen, dass die Präsidentin des Landtags keineswegs eine abgehobene Person ist. Also niemand, der nicht wüsste, was die Menschen bewegt und umtreibt, sondern ganz im Gegenteil. Daher habe ich die Reihe auch ganz bewusst so benannt: „Die da oben oder eine von uns“. Ich glaube, wenn man die Menschen dort abholt, wo sie arbeiten und viel Zeit verbringen, an Orten, mit denen sie sich besonders identifizieren, ist das eine gute und besondere Art, ins Gespräch zu kommen. Und sie wertzuschätzen, für die Arbeit, die sie leisten.
Werden denn da bestimmte Unternehmen ausgesucht – gibt es also Richtlinien oder Ähnliches, die erfüllt werden müssen, um einen Besuch zu erhalten?
Im Grunde nicht. Wir versuchen natürlich, dass es schleswig-holsteinische Unternehmen sind, von der Branche her ist das aber vollkommen unterschiedlich. Das kann Handwerk oder Pflege sein, aber auch Krankenhaus oder Industrie, da bin ich völlig offen. Am Anfang war ich auch noch diejenige, die gefragt hat: „darf ich kommen?“. Mittlerweile kommen die Anfragen aus den Unternehmen und so soll es ja auch sein. Nur kann es inzwischen ein wenig dauern, bis ein Termin gefunden werden kann.
Wie kann man sich den Start der Reihe vorstellen, gab es da einen Auslöser, einen bestimmten Moment?
Tatsächlich begann alles mit dem Unternehmen „Löwe Scheren“ und einem Empfang im Rahmen der Kieler Woche. Dort kamen wir ins Gespräch. Ich erzählte von meiner Idee und davon, gern einmal eine solche Reihe auf Instagram zu starten. „Ja super, dann fang doch gleich bei uns an“, war die Antwort. So ging es los.
Welche Intentionen stecken denn hinter der Idee?
Mir ist es wichtig, dass Politik nahbar ist. Das eben nicht diese Hürde und dieses Gefühl entsteht, Politik könne man nicht ansprechen und Politik bekomme nicht mit, was auf der Welt oder innerhalb der Gesellschaft wirklich los ist. Denn so ist es nicht. Ich bin ja nicht vom Himmel gefallen, sondern eine ganz normale Bürgerin, wie jede andere auch. Tatsächlich im Moment mit dem Privileg ein besonderes Amt ausüben zu dürfen, aber ein Amt in das mich wiederum die Bürgerinnen und Bürger gewählt haben, quasi als Gemeinschaftsleistung. Kurz gesagt: Die Serie soll dazu beitragen, den Eindruck „Politik ist so weit weg“, ein Stück weit zu überwinden.
Kürzlich hat es im Landeshaus sogar ein Netzwerktreffen mit einigen besuchten Unternehmen gegeben – geht die Initiative inzwischen über die eigentlichen Besuche hinaus?
Das war im Prinzip eine Idee, die auch im Rahmen eines Besuchs entstanden ist, nach dem Motto, „wo waren sie denn schon überall?“. Ich bekam die Rückmeldung, dass einige Unternehmen sich sehr für die Arbeit anderer interessieren. Da habe ich mir gedacht, wenn so ein Interesse besteht, könnte man die Beteiligten doch zusammenbringen und sehen, was daraus wird. Das ganze Projekt ist also absolut frei, sich auch in andere Richtungen zu entwickeln.
Sie sind zufrieden mit dem Verlauf der Serie, wie steht es denn mit dem Feedback aus den Unternehmen selbst?
Die Rückmeldungen sind bisher durchweg sehr positiv. Viele äußerten sich zu Beginn zwar skeptisch und konnten nicht ganz einschätzen, was das Ganze eigentlich soll. Doch schließlich wird dann aber schnell bemerkt, dass diese Nahbarkeit, die ich ja herstellen will, auch wirklich gelingt.
Zudem entsteht mit jedem Reel ja auch eine kleine Reportage über das Unternehmen selbst, mit entsprechend positiver Außenwirkung. Ein Beispiel ist hier vielleicht mein Besuch in einem Hospiz. Natürlich erst einmal ein schweres Thema, das mit vielen Berührungsängsten behaftet ist. Doch letztendlich gehören Leben und Tod zusammen und der Reel auf Instagram konnte vielleicht etwas dazu beitragen, die Scheu vor diesem Bereich ein wenig abzubauen. Das Feedback jedenfalls, von den Nutzern wie auch von der Einrichtung selbst, war gerade hier überaus positiv.
Bleiben die Gespräche während einer Hospitation denn eigentlich rein fachlich oder kommen auch schon einmal politische Themen zur Sprache?
Das ist sehr unterschiedlich und kommt immer auch darauf an, wie das Unternehmen den Tag gestaltet. Wenn ich beispielsweise einzelne Abteilungen besuchen darf und dort die unterschiedlichen Arbeitsbereiche kennenlerne, komme ich natürlich auch mit den dort arbeitenden Menschen ins Gespräch. Manche trauen sich dann und fragen etwas, andere sind eher zurückhaltend und warten ab, was ich überhaupt will. Aber gerade über das ‚doing‘ und das Gespräch über die Arbeit kommen dann auch mal politische Fragen auf – zum Beispiel nach meiner eigentlichen Arbeit. Manche konzentrieren sich aber auch nur auf ihre Tätigkeiten, das ist natürlich sehr typbedingt.
Gibt es bei ihren Hospitationen Dinge, die Sie für sich persönlich mitnehmen?
Ja, oft ist das wirklich der Fall. So sehe ich das Handwerk inzwischen mit anderen Augen. Ich bekam von meinem Vater zum Auszug einen Werkzeugkasten mit auf den Weg, und bin sicher keine Frau mit zwei linken Händen. Aber bei einigen Unternehmen war ich schon sehr beeindruckt. Ein Beispiel ist die Firma Robbe & Berking, dort werden Bestecke und andere Dinge aus Silber hergestellt. Was da noch alles mit der Hand gemacht wird, ist wirklich faszinierend. Jedes Stück wird individuell bearbeitet – dass das so viel Detailarbeit ist, das war mir zuvor nicht klar. Andererseits ein Treppenbauer wie Bünning, der mit einer hochtechnisierten Fertigung arbeitet. Dort durfte ich sehen, wie sehr und mit welcher Geschwindigkeit sich das Handwerk durch den technologischen Fortschritt verändert und weiterentwickelt.
Und in zwischenmenschlicher Hinsicht?
Da erinnere ich mich an meinen Tag in der Lubinus-Klinik mit den Schwestern und Pflegern vor Ort. Es heißt ja, dass in diesem Bereich oft über zu niedrige Löhne geklagt würde, doch dieses Thema war in unseren Gesprächen überhaupt nicht präsent. Was mir gesagt wurde, war: „Frau Herbst, das, was wir wirklich brauchen sind verlässliche Arbeitszeiten“. Die Aufteilung der Schichten zwischen dem Stammteam und Kräften aus der Zeitarbeit sei ein großes Problem, wurde mir berichtet. Und dass für die fest angestellten Kräfte oft nur die ungünstigen Schichten übrigblieben. Zu uns wird meist getragen, mit mehr Geld würde man die Probleme lösen können. Doch in diesem Fall war es spannend zu hören, dass nicht Geld das Problem ist, sondern Verlässlichkeit und Wertschätzung. Nur ein Beispiel, das mich sehr beeindruckt hat.
Eine andere Frage ist die nach dem Feedback der User auf Instagram.
Also, die Kommentare sind bisher alle positiv und was ich dann vor allem spannend finde, ist, wenn sich ein Unternehmen meldet und sagt, „ich möchte aber auch mal, dass ihr zu uns kommt, wir machen auch etwas Tolles“. Eigentlich habe ich noch nie eine negative Rückmeldung bekommen, was ja auch einmal ganz schön ist, denn mit solchen Projekten eckt man häufig auch an. Aber es wird bisher wirklich mit Wertschätzung betrachtet.
Darf verraten werden – welche Hospitationen sind noch geplant?
Natürlich, einige Unternehmen stehen auch schon fest. Was man schon sagen kann: Es ist ein Besuch bei Scandlines geplant, dort werden wir mit der „Schleswig-Holstein“ dann dänische Gewässer befahren, das finde ich auch einmal ganz spannend. Außerdem werde ich einmal im Städtischen Krankenhaus in Kiel sein. Und ansonsten? Es ist noch einiges in Planung, in jedem Monat steht etwas an, einfach dem Landtag (@landtag_sh) folgen und weiter die Reels schauen.
Das Interview führte Michael Neubauer, Pressereferat Landtag Schleswig-Holstein.
Zur Instagram-Reihe "Die da oben oder eine von uns – #herbsthospitiert"