Im Lande lebende Jesiden, denen in ihrer irakischen oder syrischen Heimat die Verfolgung durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) droht, sollen in Schleswig-Holstein eine dauerhafte Zuflucht finden. Das hat der Landtag einstimmig gefordert. Konkret ruft das Landesparlament das Bundesinnenministerium auf, eine Landesaufnahmeanordnung für Jesiden (auch „Êzîden“ genannt) zu erlassen. Darüber hinaus bittet der Landtag das Berliner Ministerium um einen zeitlich befristeten deutschlandweiten Abschiebestopp für Jesiden.
Die Jesiden bilden eine religiöse Minderheit im Norden Syriens und des Iraks sowie im Süden der Türkei. Der IS hat seit 2014 zahlreiche Jesiden ermordet, versklavt oder aus ihrer Heimat vertrieben. Die Vereinten Nationen und der Bundestag haben die Verfolgung der Jesiden als Völkermord eingestuft. Trotzdem würden Jesiden immer noch abgeschoben, sagte Lars Harms (SSW), der das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Dies gelte nach der Öffnung von Abschiebungsmöglichkeiten insbesondere für irakische Jesiden. Es sei „nicht zumutbar“, so Harms, „Menschen zehn Jahre nach einem Völkermord zurück ins Land der Täter zu schicken“. Er rief die Bundesregierung auf, die Familienzusammenführung für Jesiden zu erleichtern.
„Wir hätten 2014 alle mehr machen müssen“
Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) berichtete, sie habe in einem Brief an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) um Unterstützung für eine Landesaufnahmeanordnung für alle Jesiden gebeten, die zum Stichtag 16. Oktober 2024 in Schleswig-Holstein gelebt haben. Aktuell entscheide das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Einzelfall über den Aufenthalt von Jesiden, seit 2017 werde nicht mehr von einer Gruppenverfolgung ausgegangen. „Die Bedrohung ist noch nicht vorbei“, betonte Seyran Papo (CDU). Jesiden hätten kein eigenes Staatsgebiet, und sie seien auf das Wohlwollen der jeweiligen Regierungen angewiesen.
Viele Jesiden lebten immer noch unter „elenden“ Bedingungen in Flüchtlinmgslagern, so Eka von Kalben (Grüne). Angesichts vermehrter Rückführungen in den Irak in jüngster Zeit steige bei vielen Jesiden in Deutschland die Angst. „Wir hätten 2014 alle mehr machen müssen“, sagte Serpil Midyatli (SPD) – der Völkermord an den Jesiden sei damals zu wenig beachtet worden. Gerade Frauen und Mädchen werde bis heute unvorstellbares Leid angetan, so Midyatli. Sie würden verkauft, vergewaltigt und verschleppt. Noch immer gebe es 2.700 Frauen, „von denen keiner weiß, wo sie sind“. Die SPD-Fraktionsvorsitzende forderte über den Koalitionsantrag hinaus ein Landesaufnahmeprogramm, damit 500 Jesiden aus der Region nach Schleswig-Holstein kommen können.
Integrationsbericht wird im Innenausschuss vertieft beraten
Auch Bernd Buchholz (FDP) unterstütze den Vorstoß. Er wies zugleich darauf hin, dass der Bundesbeauftragte für weltweite Religionsfreiheit, der SPD Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe, von einer verbesserten Sicherheitslage in der Region ausgehe, da die IS-Herrschaft weitgehend zurückgedrängt worden sei. Zudem fördere das Auswärtige Amt Projekte zum Wiederaufbau und zur Rückkehr in die jesidischen Heimatgebiete. „Wenn die Rückkehr möglich ist“, so Buchholz, „werden wir beim Bundesinnenministerium Schwierigkeiten mit unserem Antrag haben“.
Der Landtag beriet zudem über den Regierungsbericht zu Integration und Teilhabe und überwies ihn an den Innen- und Rechtsausschuss.