Nach Bekanntgabe ihrer ursprünglichen Pläne für eine Zentralisierung der Fachgerichte im Land hatte es massive Proteste gegeben. Nun passt Justizministerin Kerstin von der Decken ihr Reformvorhaben an. Die Zahl der Arbeits- und Sozialgerichte will die CDU-Politikerin weniger stark reduzieren als zunächst angekündigt. Die Oppositionsfraktionen kritisierten in einer von der FDP initiierten Debatte das Vorgehen Ministerin mit scharfen Worten. Die Bandbreite reichte von „Blamage“ bis hin zu der Einschätzung, ein Justizirrtum sei gerade noch vermieden worden.
So sollte die Zahl der Erstinstanzen der Arbeits- und Sozialgerichte zunächst von neun auf zwei sinken. Nun sind acht Gerichtsstandorte geplant. Die künftigen Sozialgerichte in Kiel und Itzehoe sollen Zweigstellen in Schleswig und Lübeck erhalten, die künftigen Arbeitsgerichte in Kiel und Lübeck auswärtige Kammern in Flensburg und Itzehoe. In der Debatte bedankte Ministerin von der Decken sich bei der Justiz für „zahlreiche konstruktive Stellungnahmen“, sie habe in all ihren Gesprächen um eine Mitwirkung gebeten und „immer betont, dass wir gemeinsam Lösungen finden werden“.
FDP: Ministerin hat das Vertrauen der Justiz zerstört
Somit verliert wohl nur Neumünster sein Arbeitsgericht. Das Arbeitsgericht Elmshorn wird als auswärtige Kammer nach Itzehoe verlagert. Das Landessozialgericht wird im Gebäude des Oberverwaltungsgerichts in Schleswig angesiedelt, das Landesarbeitsgericht und das Finanzgericht im Gebäude des Amtsgerichts in Kiel. Nach dem zwei Tage der Debatte vorgestellten Entwurf soll es zu einer Konzentration von aktuell 17 auf 10 Gebäude kommen. Beispielsweise werden einzelne Außenstellen zusammengelegt. Das nun gemeinsam entwickelte, angepasste Konzept einer Fachgerichtsstrukturreform führe zu Flächeneinsparungen und Effizienzsteigerungen, sagte von der Decken, ohne Zahlen zu nennen.
Er sei zufrieden, die Zentralisierung der Fachgerichtsbarkeit sei vom Tisch, sagte der FDP-Abgeordnete Bernd Buchholz, der den Vorgang die vielleicht größte Blamage der schwarz-grünen Landesregierung bezeichnete. Mit selbstbewusster Haltung habe die Justiz dafür gesorgt, dass „die unsinnigen Pläne“ nicht umgesetzt werden. „Den Bedürfnissen der Rechtssuchenden wird es nicht gerecht, wenn sich die Justiz aus der Fläche zurückzieht.“ Die Ministerin habe das Vertrauen der Justiz zerstört und für viel unnötige Verunsicherung gesorgt. Sie solle sich bei allen Beteiligten entschuldigen.
Grüne: Vernünftige Lösungen erarbeitet
Sie habe im Vorfeld der Debatte viel von Scheitern gehört und gelesen, so die CDU-Abgeordnete Marion Schiefer. „Aber wenn man Veränderungsbedarfe erkennt und annimmt, ist das kein Scheitern sondern verantwortliches Handeln und dann siegt die Vernunft.“ Das Justizministerium habe keine Burgmentalität entwickelt, sondern sich mit Vorschlägen auseinandergesetzt, verteidigte auch Jan Kürschner (Grüne) das Vorgehen. „Nun hat man vernünftige Lösungen erarbeitet, die große Einsparungen für den Landeshaushalt bringen werden.“
Von einer „Irrfahrt des gesamten Kabinetts“ sprach hingegen der SPD-Abgeordnete Marc Timmer. „Von Richterverbänden, Gewerkschaften und Sozialverbänden hat es unisono heftigen Gegenwind gegen die Reform gegeben.“ Alles sei ohne die Einbeziehung und Einwilligung der Betroffenen gelaufen. „Es ist schon merkwürdig sich nun hier hinzustellen und den Eindruck zu vermitteln, alles prima, läuft, wie geplant“, so Timmer.
Die ganze Aufregung sei berechtigt, denn die zunächst anvisierte Sparreform hätte vermutlich sogar zu Mehrkosten geführt, konstatierte SSW-Fraktionschef Lars Harms (SSW). Die neuen Vorschläge müssten nun mit den Beteiligten diskutiert werden, „auch mit den normalen Beschäftigten“.