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23. Mai 2025 - Mai-Plenum

SPD will „Neustart“ nach Ministerinnenwechsel

An Schleswig-Holsteins Schulen gibt es nach Ansicht der Sozialdemokraten einen immensen Handlungsbedarf, den die neue Bundesbildungsministerin Karin Prien hierzulande hinterlassen habe. Nachfolgerin Doris Stenke (beide CDU) soll einen „Neustart“ wagen.

Martin Habersaat
Wünscht sich Zauber des Neuanfangs: Martin Habersaat (SPD).
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Mit guten Wünschen und einem umfangreichen Forderungskatalog der Opposition startet Bildungsministerin Dorit Stenke (CDU) in ihre neue Aufgabe. SPD und FDP riefen die Ministerin, die zu Beginn der Mai-Tagung vereidigt worden war, zu einem „Neustart“ auf. Stenkes Vorgängerin, die jetzige Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU), habe zahlreiche Baustellen hinterlassen, so der Sozialdemokrat Martin Habersaat: „Nutzen Sie den Zauber des Neuanfangs, um in der schleswig-holsteinischen Bildungspolitik die Dinge künftig anders zu machen als bisher.“ Die neue Ressortchefin kündigte jedoch an, keinen „radikalen Schnitt“ vorzunehmen: „In der Bildungspolitik hilft nicht der Neustart, sondern die kluge Weiterentwicklung.“

Habersaat listete eine Reihe von Problemfeldern auf: Es gebe zu viele Lehrer ohne abgeschlossene Ausbildung, der Unterrichtsausfall sei zu hoch, die Zahl der Schulabbrecher habe sich deutlich erhöht, die Inklusion werde „rückabgewickelt“, der Abi-Schnitt habe sich verschlechtert, das Land sei nicht auf die Ganztagsgrundschule vorbereitet, und Fälle von Mobbing und Gewalt häuften sich. Die Schule dürfe nicht nur Basiskompetenzen vermitteln, sondern müsse ein positives Lernklima schaffen: „Wir müssen über die Kultur des Zusammenlebens an unseren Schulen sprechen.“

Wachsende Gewalt besorgniserregnd

 

Martin Balasus
Bildung hat laut Martin Balasus (CDU) im Land erste Priorität.
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

„Mehr Tempo, mehr Klarheit, mehr Mut“ mahnte Anne Riecke (FDP) an. Der Anspruch auf einen Ganztagsplatz an den Grundschulen ab Sommer 2026 sei eine „Riesenchance für die Bildungsgerechtigkeit“. Die Landesregierung liefere in diesem Bereich jedoch ein „Paradebeispiel für politische Konzeptlosigkeit“ ab. Zudem sei die wachsende Gewalt „besorgniserregend“. Riecke forderte, die Datenbank GEMON (Gewaltmonitoring) auszuweiten und auch Beleidigungen und sexuelle Übergriffe zu erfassen. „Wir müssen aus dem Blindflug herauskommen, Gewalt an Schulen ist keine Randerscheinung“, sagte Riecke.

An den Schulen gelte das Motto „Null Toleranz gegenüber Gewalt“, stellte Ministerin Stenke klar, und diese Einstellung zeige sich nicht beim Eintrag in eine Datenbank, sondern im alltäglichen Handeln der Lehrkräfte. Unterstützung für betroffene Schulen zu bieten sei wichtiger, als viele Daten zu erfassen. Beim Thema Ganztagsfinanzierung verwies die Ministerin auf die Verständigung des Landes mit den kommunalen Spitzenverbänden aus dem Jahr 2023: „Das Land hält sich an sein Versprechen.“ Sie sehe den Ganztag als Chance für die Schulen, „eine neue Lern- und Lehrkultur zu entwickeln“, betonte Stenke. Als zentrale Projekte der kommenden Zeit nannte sie die flächendeckende Sprachstanderhebung für alle Viereinhalbjährigen und die Lernstanduntersuchung LEA SH an Grundschulen in den Fächern Deutsch und Mathematik.

Schwierige Haushaltslage

 

Malte Krüger
Malte Krüger (Grüne) sprach von schwierigen Rahmenbedingungen.
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

„In Schleswig-Holstein hat Bildung Priorität Nummer eins, und das wird auch in Zukunft so bleiben“, merkte Martin Balasus (CDU) an. In den vergangenen Jahren habe die Koalition viel erreicht, etwa das Perspektivschulprogramm und die Ausweitung von Basiskompetenzen in Klasse 1 und 2, „Wir in Schleswig-Holstein liefern ordentliche Arbeit ab“, so Balasus - ansonsten wäre Ex-Ministerin Prien nicht ins Bundeskabinett berufen worden.

„Die Rahmenbedingungen sind derzeit alles andere als einfach“, verwies Malte Krüger (Grüne) auf die Haushaltslage. Er sprach sich dafür aus, Vertretungslehrkräften eine Festanstellung zu ermöglichen,  wenn sie eine Weiterbildung machen. Auch seine Fraktion wolle „echte Inklusion“, so Krüger, aber dafür gebe es aktuell nicht ausreichend Lehrer. Einen „Neustart“ hielt Jette Waldinger-Thiering (SSW) nicht für nötig. Sie mahnte aber eine bessere Kommunikation zwischen dem Ministerium, den Schulträgern und den Schulen an: „Hören Sie den Schulen und den Kommunen gut zu!“ Eine „valide Faktengrundlage zu Gewaltvorfällen“ sowie Schulsozialarbeit seien zwar wichtig, aber das Problem sei eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, die nicht nur von der Schule geleistet werden könne.   

Der SPD-Antrag wurde abgelehnt, zwei Anträge der FDP sowie Gegenentwürfe der Koalition wurden an den Bildungsausschuss überwiesen.

 

Jette Waldinger-Thiering
Jette Waldinger-Thiering (SSW) hält keinen Neustart in der Bildungspolitik für nötig.
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Nach dem Wechsel an der Spitze des Bildungsministeriums fordert die SPD von der neuen Ressortchefin Dorit Stenke einen „Neustart“. Unter Stenkes Vorgängerin Karin Prien (beide CDU) habe Schleswig-Holstein „in den vergangenen Jahren negative Entwicklungen zu verzeichnen“ gehabt. „Es braucht daher schnelle, effektive und flächendeckende Lösungen, denn die anzugehenden Herausforderungen sind immens“, so die Sozialdemokraten.

Die SPD listet eine Reihe von Punkten auf, die nun angegangen werden müssten. So seien die Gymnasien auf die 2026 bevorstehende Rückkehr zum G9-Abi mit einem 13. Jahrgang nicht ausreichend vorbereitet. Es gebe zu viele Lehrer ohne abgeschlossene Ausbildung, die Quote betrage landesweit zwölf Prozent, an Grundschulen 17,3 Prozent. Der Unterrichtsausfall sei an den allgemeinbildenden Schulen seit 2016 um 26 Prozent und an den Berufsschulen sogar um 88 Prozent gestiegen. Insgesamt falle jede achte Stunde aus. Auch die Zahl der Schulabbrecher habe sich deutlich erhöht – von 7,5 auf 11,4 Prozent. Auf die Ganztagsgrundschule, die 2026 mit der 1. Klasse beginnt, sei das Land nicht gut vorbereitet, und die Zahl der Gewalttaten an den Schulen habe sich erhöht.

Liberale schließen mit Einzelanträgen an

Die letzten beiden Punkte greift die FDP mit eigenen Anträgen auf. Die Liberalen fordern mehr Geld für den Ganztagsausbau: Der Bund müsse sich zusätzlich finanziell beteiligen, und das Land müsse garantieren, dass es „mindestens 75 Prozent des tatsächlichen Investitionsbedarfs pro Schüler“ übernehme. Ab dem Schuljahr 2026/27 haben Grundschul-Eltern einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung ihrer Kinder. Die Schulen sollen dann fünf Tage in der Woche für acht Stunden geöffnet sein und maximal vier Wochen im Jahr geschlossen bleiben. Um die Schulen dafür fit zu machen, will das Land 85 Prozent der Investitionskosten übernehmen. 196 Millionen Euro stehen für diesen Zweck zur Verfügung. Allerdings: Der Topf ist überbucht, und die kommunalen Landesverbände als Vertretung der Schulträger drohen mit einem Gang vors Landesverfassungsgericht, um das Land finanziell in die Pflicht zu nehmen.

Auch das Thema Gewalt bringt die FDP zur Sprache. Laut dem Gewaltmonitoring des Landes (GEMON) hat sich die Zahl der gemeldeten Vorfälle innerhalb eines Schuljahres nahezu verdoppelt. Allerdings nutze nur jede fünfte Schule diese Datei, so die Freidemokraten. Deswegen soll GEMON nach Willen der FDP „vereinfacht und effizienter“ werden. Und: Die Schulleiter sollen auch Gewalt-Geschehnisse in die Datenbank eintragen, die nicht mit einem zeitweiligen Ausschluss, einer Versetzung in die Parallelklasse oder einem Schulverweis geahndet worden sind. Bislang ist GEMON auf diese Fälle beschränkt.

Blick in Statistiken

Die Zahl der bei GEMON gemeldeten Vorfälle ist laut Bildungsministerium vom Schuljahr 2022/23 zum Schuljahr 2023/24 von 611 auf 1.136 gestiegen. Das Ministerium weist darauf hin, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik bei den „Vorfällen im Rahmen der Tatörtlichkeit Schule“ nur eine geringe Steigerung von 1.292 im Jahr 2023 auf 1.313 im Jahr 2024 aufweist.

Zum Thema:
Plenum Februar 2024 (Ganztag mit Kultur und Sport)
Plenum Dezember 2024 (Rechtsanspruch auf Ganztag umsetzen)
Plenum Juli 2024 (Kinder- und Jugendgewalt)
März 2024 (Anhörung im Ausschuss)

Antrag / Top 30

Neustart in der Bildungspolitik – den Rest der Legislatur im Interesse unserer Schülerinnen und Schüler nutzen
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 20/3178 (neu)

Antrag / Top 37

Verlässliche Planbarkeit beim Ganztag sicherstellen
Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 20/3201

Antrag / Top 38

Gewaltvorfälle sicher erfassen
Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 20/3202