Unterschiede zwischen den Geschlechtern spielen in der medizinischen Versorgung häufig nur eine untergeordnete Rolle. So reagieren Frauen und Männer aufgrund verschiedener physiologischer Faktoren etwa unterschiedlich auf Krankheiten und Medikamente. Vor diesem Hintergrund sind sich alle Fraktionen im Landtag einig, dass im Bereich der sogenannten geschlechtersensiblen Medizin dringender Handlungsbedarf besteht. Allerdings herrscht über den besten Weg dahin noch Dissens. Dies wurde in einer Debatte zum Thema deutlich, der zwei in Nuancen unterschiedliche Anträge von SPD und den Koalitionsfraktionen zugrunde lagen. Am Ende verständigte sich das Plenum darauf, beide Vorlagen im Gesundheitsausschuss zu beraten mit dem Ziel, sich auf ein überfraktionelles Papier zu einigen.
Schwerpunkte der heutigen Debatte im Plenum rankten etwa um die Bereiche Aus- und Fortbildung, Forschung oder Prävention. Grundsätzlich sollten Diagnostik und Therapie besser auf die biologischen oder soziokulturellen Unterschiede zwischen den Geschlechtern eingehen. „Es gibt erhebliche Lücken in der Versorgung und vor allem in der Datenlage“, sagt die SPD-Abgeordnete Birte Pauls. Auch deshalb müsse das Wissen um geschlechtersensible Medizin besser vermittelt werden ‒ „deshalb braucht das Land einen Lehrstuhl für diesen Bereich der Medizin“, lautet eine ihrer Forderungen.
Sozialausschuss will Pilot-Projekt besuchen
Pauls Appell, auch die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in diesem Bereich zu stärken, unterstrich der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Hauke Hansen (CDU). „Hier gibt es viel Luft nach oben“, sagte er. So bleibe ein Herzinfarkt bei Frauen oft unerkannt, weil die Symptome völlig anders sind als bei Männern. Jasper Balke (Grüne) prangerte an, dass „der Mann viel zu lang die Norm in Medizin und der Forschung war“, Heiner Garg (FDP) drängte auf eine „personalisierte Gender-Medizin“, und Jette Waldinger Thiering (SSW) nannte es „beschämend für unser Land“, dass eine Frau nachweislich eine schlechtere Behandlung bekommt. Das bedeute auch, so Waldinger-Thiering: „Eine Frau verbringt rund 20 Jahre ihres Lebens in schlechter Gesundheit, der Mann fünf Jahre weniger.“
CDU-Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken versprach, sich weiter für die geschlechtersensible Medizin einzusetzen. Sie nannte es ein Erfolg, dass die Konferenz der Gesundheitsministerinnen und -minister vergangene Woche einmütig an Bundesgesundheitsministerin Nina Warken appelliert hat, die Strukturen in Medizin und Forschung zu verbessern. In der Debatte gab die SPD-Gesundheitspolitikerin Pauls zudem bekannt, dass der Sozialausschuss nach Kärnten (Österreich) reisen wird, um sich über ein dort laufendes Pilot-Projekt zur Gender-Medizin zu informieren.