
Birte Pauls (SPD): „Immer mehr Menschen haben Probleme, eine Hausarztpraxis zu finden.“
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Foto: Landtag, Sönke Ehlers
In einer lebhaften Debatte diskutierte der Landtag über die Zukunft der ambulanten Versorgung. Hintergrund ist, dass viele Hausärztinnen und Hausärzte bald in den Ruhestand gehen und Nachfolger fehlen. Nach Angaben der SPD-Fraktion bevorzugen Jüngere eher eine Anstellung statt einer eigenen Praxis. Besonders in ländlichen Regionen drohen dadurch Versorgungslücken. Gemeinsam mit FDP und SSW fordert die SPD deshalb ein Landesprogramm für kommunale Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und ein Konzept, das auch Telemedizin, Delegation ärztlicher Leistungen und neue Arbeitsmodelle berücksichtigt.
Birte Pauls (SPD) schilderte die bereits heute spürbaren Folgen des Ärztemangels: „Immer mehr Menschen haben Probleme, eine Hausarztpraxis zu finden“, sagte sie und verwies darauf, dass viele deshalb in die Notaufnahmen ausweichen müssten. Rund 30 Prozent der Hausärztinnen und Hausärzte seien zudem bereits über 60 Jahre alt, doch eine Nachfolge lasse sich oft nicht finden – ein Problem, das sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen werde. Als Lösung nannte Pauls kommunale MVZ, die dort einspringen könnten, wo Praxen nicht mehr nachbesetzt würden. „Wir brauchen diese MVZ nicht flächendeckend, aber dort, wo die Versorgung nicht mehr gewährleistet werden kann, muss der Staat handeln“, betonte sie.
Vielfalt der Träger ausschlaggebend

Warnte vor einer zu starken Konzentration auf nur einen Lösungsansatz: Hauke Hansen (CDU).
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Die CDU warnte hingegen vor einer zu starken Konzentration auf diesen einen Lösungsansatz. Hauke Hansen erinnerte daran, dass es in Schleswig-Holstein über 3.000 Arztpraxen, aber nur neun kommunale MVZ gebe. „Ein Fokus alleine darauf wäre falsch“, sagte er. Stattdessen brauche es eine Vielfalt an Trägern – von kommunal bis kirchlich – und mehr digitale Angebote sowie Telemedizin, um Praxen zu entlasten.
Auch die Grünen betonten, dass es nicht nur um einzelne Einrichtungen gehe, sondern um strukturelle Fragen und Fehler im System. Jasper Balke sprach von einer „Divergenz zwischen dem, was auf dem Papier steht, und dem, was bei den Menschen ankommt“. So liege die Versorgungsquote bei Psychotherapeuten in Lübeck rechnerisch bei 110 Prozent – Termine seien dennoch schwer zu bekommen. MVZ könnten Anreize schaffen, entscheidend sei aber ein Gleichgewicht zwischen verschiedenen Trägerformen.
„Versorgung wird anders aussehen“

Strukturelle Fragen und Fehler im System sieht Jasper Balke (Grüne).
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Heiner Garg (FDP) stellte klar, dass nicht jede Ärztin und jeder Arzt, der in den Ruhestand geht, ersetzt werden könne. „Wir könnten die Versorgung sichern – wenn wir den Mut haben, den Menschen zu sagen, dass sie in Zukunft etwas anders aussehen wird als in den vergangenen Jahrzehnten“, erklärte er. Scharf kritisierte er die Kürzung der Mittel für den Versorgungssicherungsfonds. Zudem forderte er mehr Offenheit für die Delegation ärztlicher Leistungen und warb für neue Modelle wie kommunale MVZ und genossenschaftlich getragene Strukturen, die Impulse für die Versorgung geben könnten. SSW-Fraktionschef Christian Dirschauer warnte vor „existenzbedrohenden Ausmaßen“ des Ärztemangels in einigen Regionen und forderte ebenfalls ein Landesprogramm für MVZ.
Finanzministerin Kerstin von der Decken (CDU) betonte, MVZ seien ein Baustein unter mehreren. Daneben müssten unter anderem nichtärztliche Fachgruppen gestärkt, Abrechnungsmodelle angepasst und die Zusammenarbeit der Berufsgruppen ausgebaut werden, im Einklang mit dem Bund. „Wir begrüßen in Schleswig-Holstein jeden Vorstoß, der die Versorgung neu denkt.“ Die Debatte endete mit der einstimmigen Überweisung des Antrags in den Sozialausschuss.

Finanzministerin Kerstin von der Decken (CDU): „Wir begrüßen in Schleswig-Holstein jeden Vorstoß, der die Versorgung neu denkt.“
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