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§ 48

Teilnahme der Landesregierung und der Präsidentin oder des Präsidenten des Landesrechnungshofs

(1) Die Mitglieder der Landesregierung, ihre Beauftragten sowie die Präsidentin oder der Präsident des Landesrechnungshofs haben zu den Sitzungen des Landtages Zutritt; den Mitgliedern der Landesregierung ist auf Wunsch das Wort zu erteilen.

(2) Der Landtag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, die Anwesenheit jedes Mitglieds der Landesregierung zu verlangen.

Kommentar

1. Zutritts- und Rederecht der Regierung, Zutritt der Präsidentin oder des Präsidenten des Landesrechnungshofs (Absatz 1)

1.1  Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident, die Landesministerinnen und Landesminister sowie deren Beauftragte haben nach Absatz 1, der insoweit die Regelung des Artikels 27 Abs. 2 Satz 1 LV aufnimmt, jederzeit Zutritt zu den Sitzungen des Landtags. Dies gilt auch für die nichtöffentlichen Sitzungen. Für die Sitzungen der Ausschüsse vgl. § 16 Abs. 4 und Artikel 27 Abs. 2 Satz 2 LV.

Im Plenarsaal sind Plätze nicht nur für die Mitglieder der Landesregierung (Regierungsbank), sondern auch für die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, für die Regierungssprecherin oder den Regierungssprecher sowie für die Präsidentin oder den Präsidenten des Landesrechnungshofs vorgesehen. Während beamtete Staatssekretärinnen und Staatssekretäre sowie Regierungssprecherinnen und Regierungssprecher als Beauftragte der Landesregierung im Sinne von Absatz 1 angesehen werden können, gilt dies naturgemäß für die Präsidentin bzw. den Präsidenten des Landesrechnungshofs nicht. Im Gegensatz zu den Mitgliedern der Landesregierung und ihren Beauftragten hat diese oder dieser kein verfassungsmäßig abgesichertes Zutrittsrecht zu den Sitzungen des Landtags. Absatz 1 drückt insoweit nur eine langjährige Geschäftsordnungspraxis aus, die allerdings der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Landesrechnungshofs keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch einräumen kann, weil die Regelungen der Geschäftsordnung rechtliche Bindungen nur für und zwischen den Mitgliedern des Landtags erzeugen.

Das Zutrittsrecht beinhaltet für die Beauftragten der Landesregierung – anders als für die Mitglieder der Landesregierung (wegen deren Rederechts) – keinen Anspruch auf Zutritt zum Plenarsaal, solange sie (etwa von der Besuchertribüne aus) den Ablauf der Sitzungen und alle Reden unmittelbar beobachten bzw. mitanhören können. Im Plenarsaal selbst ist ein Platz auf der Regierungsbank für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesregierung reserviert, so dass für jeden Tagesordnungspunkt eine Begleitung der Mitglieder der Landesregierung möglich ist. Darüber hinaus wird das Informationsbedürfnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesregierung inzwischen auch durch die Videoübertragungen der Plenartagungen im Internet befriedigt.

1.2  Im Gegensatz zur Regelung des Artikels 43 Abs. 2 GG haben nur die Mitglieder der Landesregierung, also Ministerpräsidentin oder Ministerpräsident und die Landesministerinnen und Landesminister (Artikel 33 Abs. 1 Satz 2 LV), und nicht auch ihre Beauftragten, zu denen auch die beamteten Staatssekretärinnen und Staatssekretäre gehören, das Rederecht im Landtag. Wann den Mitgliedern der Landesregierung von der Sitzungspräsidentin oder dem Sitzungspräsidenten das von ihnen erbetene Wort erteilt wird, steht in deren oder dessen pflichtgemäßem Ermessen. Nachdem in Artikel 27 Abs. 3 LV und darauf folgend in Absatz 2 das Wort „jederzeit“ gestrichen worden ist, braucht die Sitzungspräsidentin oder der Sitzungspräsident dem Mitglied der Landesregierung auf dessen Wortmeldung hin nicht unmittelbar nach der gerade laufenden Rede im Plenum das Wort zu erteilen. Dem Sinn des verfassungsrechtlich abgesicherten Rederechts der Mitglieder der Landesregierung wird es jedoch nur gerecht, wenn das das Wort begehrende Mitglied der Landesregierung dieses auch während der Beratung des Tagesordnungspunktes erhält, zu dem es sprechen möchte. Interorganfreundlichem Verhalten wird es oft entsprechen, wenn die Sitzungspräsidentin oder der Sitzungspräsident dem das Wort erbittenden Mitglied der Landesregierung dieses möglichst bald, d. h. unter Umständen auch unter Durchbrechung der Rednerliste, erteilt.

Das Rederecht der Regierung ist nicht auf den aufgerufenen Tagesordnungspunkt oder überhaupt auf einen auf der Tagesordnung stehenden Beratungsgegenstand beschränkt. Möchte das Mitglied der Landesregierung nicht zu dem aufgerufenen Tagesordnungspunkt sprechen, dürfte es in der Regel angebracht sein, ihm das Wort nach Erledigung des gerade behandelten Tagesordnungspunktes zu erteilen. Dies hat Auswirkungen auf die Redeberechtigung der Fraktionen (vgl. § 52 Abs. 4, § 58). Auf Zwischenrufe sowie Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen nach § 53 erstreckt sich das Rederecht der Landesregierung nicht.

2. Zitierrecht des Landtags (Absatz 2)

2.1  Nach Artikel 27 Abs. 1 LV hat der Landtag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, die Anwesenheit jedes Mitglieds der Landesregierung – also der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten und der Landesministerinnen und Landesminister (Artikel 33 Abs. 1 Satz 2 LV) – bei seinen Sitzungen zu verlangen. Diese Regelung wiederholt Absatz 2. Für die Sitzungen der Ausschüsse trifft § 16 Abs. 5 eine besondere Regelung.

Die so Zitierten haben nicht nur in Person zu erscheinen, sondern sie müssen auch aktiv an der Sitzung teilnehmen, das heißt, Rede und Antwort stehen. Dies folgt aus Sinn und Zweck des Artikels 27 Abs. 1 LV sowie dem Gesamtzusammenhang des in der Landesverfassung geregelten Verhältnisses von Parlament und Regierung (vgl. insbesondere Artikel 29 Abs. 1 LV, der die Mitglieder der Landesregierung unmittelbar verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen im Landtag nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten).

Der Antrag nach Absatz 2 ist an einen bestimmten Verhandlungsgegenstand gebunden. Die Anwesenheitspflicht beschränkt sich daher auf die Beratungsgegenstände, zu denen das Regierungsmitglied herbeigerufen wurde (Klein, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 43 RN 68). Da das Rederecht der Regierung nicht tagesordnungsgebunden ist (vgl. Artikel 27 Abs. 3 LV), also auch außerhalb der Tagesordnung wahrgenommen werden kann, wird das Zitierrecht nicht nur im Rahmen der Tagesordnung als zulässig angesehen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Antragsteller klarstellen, zu welchem Gegenstand das Regierungsmitglied herbeigerufen werden soll; das betreffende Regierungsmitglied kann dann ggf. eine von den Antragstellern gewünschte Regierungserklärung abgeben (Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 42 GO-BT, Erl. b). Der Antrag kann grundsätzlich frühestens zu Beginn der Sitzung gestellt werden, weil erst dann feststeht, ob das Regierungsmitglied, dessen Anwesenheit gewünscht wird, abwesend ist, und spätestens bis zur Eröffnung der die Beratung des Gegenstandes abschließenden Abstimmung. Wenn der Verhandlungsgegenstand ohne die Anwesenheit des zitierten Regierungsmitglieds abschließend behandelt wird, ist der Zitierbeschluss mit dem Ende der Sitzung, in der er gefasst worden ist, erledigt (Ritzel/Bücker/Schreiner, aaO., § 42 GO-BT, Erl. f).

2.2  Der Antrag auf Zitierung wurzelt in Artikel 27 Abs. 1 LV, entspricht aber einem Geschäftsordnungsantrag und ist wie ein solcher zu behandeln (Ritzel/Bücker/Schreiner, aaO., § 42 GO-BT, Erl. a). Daraus folgt, dass das Wort hierzu gem. § 54 Abs. 1 außer der Reihe der Wortmeldungen unverzüglich zu erteilen ist. Der Antrag ist, wenn er von einem Viertel der Mitglieder des Landtags gestellt wird, sofort zur Abstimmung zu bringen; zulässig sind vorher nur Bemerkungen zu diesem Antrag. Werden im Zuge der Bemerkungen zur Geschäftsordnung weitere Geschäftsordnungsanträge gestellt (z. B. Absetzung oder Vertagung eines Tagesordnungspunktes), so hat der Zitierantrag gem. § 62 Satz 3 als zuerst gestellter Antrag Vorrang. Soweit es gewünscht ist, kann die Sitzung bis zur Anwesenheit des Mitglieds der Landesregierung unterbrochen werden; eine Pflicht hierzu besteht jedoch nicht.

2.3  Artikel 27 LV, § 48 Abs. 2 überlassen es nicht allein der Minderheit, über die Zitierung eines Mitglieds der Landesregierung zu entscheiden. Wird der Antrag von einem Viertel der vorgesehenen Mitgliederzahl gestellt, ist der Landtag verpflichtet, diesem Begehren zu folgen und das in dem Antrag benannte Mitglied der Landesregierung durch entsprechenden Beschluss herbeizuzitieren. Die Mehrheit trifft also gegenüber dem ordnungsgemäßen Antrag der Minderheit eine Folgepflicht (vgl. das Abstimmungsverfahren bei der Zitierung des Wirtschaftsministers Dr. Rohwer am 11.12.2003, PlenProt 15/102, S. 7807; Zitierung des Ministerpräsidenten Albig, PlenProt 18/127 vom 22. September 2016, S. 10675).

In Frage kommt für eine solche Abstimmung etwa folgende Formulierung:

„Es ist ein Antrag gestellt worden, die Ministerpräsidentin/den Ministerpräsidenten/ die Ministerin/den Minister … zu zitieren.

Dazu weise ich auf Folgendes hin:

Nach Artikel 27 Abs. 1 der Landesverfassung hat der Landtag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, die Anwesenheit jedes Mitglieds der Landesregierung zu verlangen.

Der Antrag ist von den Mitgliedern der …-Fraktion(en) gestellt worden.

(Ggf.: Da somit ein Viertel der Mitglieder des Landtags den Antrag stellt, hat der Landtag die Pflicht, die Anwesenheit von Ministerpräsidentin/Ministerpräsident/ Ministerin/ Minister … zu verlangen.)

Ich lasse nunmehr über den Antrag abstimmen.“

Wird das Quorum von einem Viertel der Mitglieder des Landtages erreicht, kommt auch in Betracht, entsprechend der Folgepflicht einen impliziten Beschluss des Landtages herbeizuführen:

„Es ist ein Antrag gestellt worden, die Ministerpräsidentin/den Ministerpräsidenten/ die Ministerin/den Minister … zu zitieren.

Dazu weise ich auf Folgendes hin:

Nach Artikel 27 Abs. 1 der Landesverfassung hat der Landtag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, die Anwesenheit jedes Mitglieds der Landesregierung zu verlangen.

Der Antrag ist von den Mitgliedern der …-Fraktion(en) gestellt worden.

Da somit ein Viertel der Mitglieder des Landtags den Antrag stellt, hat der Landtag die Pflicht, die Anwesenheit von Ministerpräsidentin/Ministerpräsident/ Ministerin/ Minister … zu verlangen.

Ich gehe davon aus, dass der Landtag seiner verfassungsrechtlichen Pflicht aus Artikel 27 Abs. 1 der Landesverfassung nachkommen will.

Ich sehe keinen Widerspruch.

Damit hat der Landtag beschlossen, die Ministerpräsidentin/den Ministerpräsidenten/ die Ministerin/den Minister … zu zitieren.“

2.4  Die Pflicht zum Erscheinen entfällt, wenn das Fernbleiben des Regierungsmitglieds gerechtfertigt ist, etwa aus Gründen einer schwerwiegenden Erkrankung oder wegen Inanspruchnahme durch verfassungsrechtlich höher zu bewertende Pflichten (Klein, aaO., Art. 43 RN 64 ff.).

Geschäftsordnungsmäßig ist die Tatsache, dass die zitierte Person dem Beschluss offensichtlich nicht folgen kann, allerdings ohne Bedeutung (Ritzel/Bücker/Schreiner, aaO., § 42 GO-BT, Erl. d). Zwar steht auch das Zitierrecht nach Absatz 2 unter dem Vorbehalt des generell geltenden Missbrauchsverbots; von einer solchen Bewertung wird allerdings angesichts der parlamentarischen Verantwortung der Landesregierung nur äußerst zurückhaltend Gebrauch gemacht werden können. Das Parlament kann in einem Beschluss seine Missbilligung darüber zum Ausdruck bringen, dass das Regierungsmitglied andere Verpflichtungen für wichtiger hält, als an der Beratung eines Gegenstandes, für den es zuständig ist, teilzunehmen. Zudem kommt ein Organstreitverfahren gem. Artikel 51 Abs. 2 Nr. 1 LV vor dem Landesverfassungsgericht in Betracht.

Kommentar zur Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages

Stand: 5. Januar 2023

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