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§ 59

Beschlußfähigkeit

(1) Der Landtag ist beschlußfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist. Die Beschlußfähigkeit wird angenommen, solange sie nicht vor einer Abstimmung oder Wahl angezweifelt wird.

(2) Wird die Beschlußfähigkeit angezweifelt, so ist sie durch Namensaufruf oder Zählung der Abgeordneten festzustellen.

(3) Eine Abstimmung oder Wahl, die infolge Beschlußunfähigkeit nicht durchgeführt werden kann, wird in der nächstfolgenden Sitzung nachgeholt. Dabei bleibt ein bereits gestellter Antrag auf namentliche Abstimmung bestehen.

Kommentar

1. Feststellung und Vermutung der Beschlussfähigkeit (Absatz 1)

1.1  Der Landtag ist nach Artikel 22 Abs. 3 LV beschlussfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist. Die Mehrheit der Mitglieder des Landtags ist die Mehrheit seiner gesetzlichen Mitgliederzahl (Artikel 22 Abs. 4 LV). Die gesetzliche Mitgliederzahl ergibt sich aus Artikel 16 Abs. 2 LV i. V. m. § 1 Abs. 1 LWahlG. Gegenwärtig handelt es sich um 69 Abgeordnete. Diese Zahl kann sich durch Überhang- und Ausgleichsmandate von Wahlperiode zu Wahlperiode ändern. Das Nähere regelt das Landeswahlgesetz.

1.2  Die Beschlussfähigkeit wird von der Präsidentin oder dem Präsidenten zu Beginn der ersten Sitzung einer Tagung festgestellt (§ 50 Abs. 2). Ihr Fortbestand wird sodann angenommen, solange sie nicht vor einer Abstimmung oder Wahl angezweifelt wird (Absatz 1 Satz 2).

Die Beschlussfähigkeit muss also zur rechten Zeit, nämlich unmittelbar vor einer Abstimmung oder Wahl, angezweifelt werden. Dies gilt auch für Abstimmungen über Geschäftsordnungsanträge. Dies kann also weder während der Beratung über einen Gegenstand noch während einer bereits laufenden Abstimmung geschehen. Der Zeitkorridor für die Anzweifelung der Beschlussfähigkeit ist sehr schmal. Er ist nicht unbedingt schon dann eröffnet, wenn die Präsidentin oder der Präsident festgestellt hat: „Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.“ Nach dieser Feststellung können nämlich noch geschäftsleitende Bemerkungen von der Präsidentin oder dem Präsidenten gemacht, persönliche Bemerkungen abgegeben oder aus dem Haus das Wort zur Geschäftsordnung erbeten und erteilt werden. Auf Antrag ist zudem unmittelbar vor der Abstimmung der Beratungsgegenstand zu verlesen, über den abgestimmt werden soll (§ 61 Abs. 1 Satz 2). Erst nach dieser Verlesung oder, wenn der Antrag nach § 61 Abs. 1 Satz 2 nicht gestellt wird, nach der Ankündigung der Präsidentin oder des Präsidenten „Wir kommen jetzt zur Abstimmung“ muss die Anzweifelung der Beschlussfähigkeit erfolgen. Die Präsidentin oder der Präsident sollte nach der genannten Ankündigung deshalb eine kurze Pause lassen, bevor sie oder er mit der Formulierung der Abstimmungsfrage „Wer dem Antrag ... seine Zustimmung geben will ...“ beginnt; denn mit dem Beginn der Formulierung der ersten Abstimmungsfrage ist das Haus in die Abstimmung eingetreten, so dass die Beschlussfähigkeit des Hauses nicht mehr angezweifelt werden kann.

Ist während der Beratung oder nach ihrem Schluss, aber noch vor dem Zeitpunkt „unmittelbar vor der Abstimmung oder der Wahl“ die Beschlussfähigkeit des Hauses angezweifelt oder die Anzweifelung angekündigt worden, liegt zwar eine Anzweifelung zum rechten Zeitpunkt und damit eine wirksame Anzweifelung nicht vor, die Präsidentin oder der Präsident sollte aber in diesem Fall aus Gründen parlamentarischer Fairness unmittelbar, bevor sie oder er die erste Abstimmungsfrage stellen will und damit das Haus in die Abstimmung eintritt, die Abgeordnete oder den Abgeordneten, die oder der die Beschlussfähigkeit angezweifelt hat oder deren Anzweifelung angekündigt hat, fragen, ob sie oder er seine Anzweifelung der Beschlussfähigkeit nunmehr vortragen wolle.

2. Anzweifelung der Beschlussfähigkeit (Absatz 2)

Die Anzweifelung der Beschlussfähigkeit wird häufig als Mittel der Opposition wahrgenommen, die regierungstragende Mehrheit „vorzuführen“. Tatsächlich kann es aber der regierungstragenden Mehrheit auch dazu dienen zu verhindern, dass der Landtag im Falle zufälliger Mehrheitsverhältnisse Beschlüsse fasst, die nicht die Auffassung der Landtagsmehrheit widerspiegeln. Diese Notwendigkeit besteht im Schleswig-Holsteinischen Landtag allerdings regelmäßig bereits aufgrund sog. Pairing-Abkommen zwischen regierungstragenden und Oppositionsfraktionen nicht.

Ist die Beschlussfähigkeit angezweifelt worden, so ist durch Namensaufruf oder Zählung der Abgeordneten festzustellen, ob sie gegeben ist oder nicht (Absatz 2). Dabei wird die oder der die Beschlussfähigkeit anzweifelnde Abgeordnete in jedem Fall mitzuzählen sein, auch wenn sie oder er unmittelbar nach der Anzweifelung den Sitzungssaal verlässt. Umgekehrt spricht aber nichts dagegen, auch Abgeordnete mitzuzählen, die erst im Verlauf des Namensaufrufs oder der Zählung den Sitzungssaal betreten. Dies hätte nämlich – mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Anzahl der abgegebenen Stimmen – auch im Falle der Durchführung der Abstimmung oder Wahl geschehen können. Mitzuzählen sind im Übrigen auch Abgeordnete, die sich enthalten oder erklären, nicht an der Abstimmung teilzunehmen (§ 61 Abs. 2 Satz 3).

3. Folgen der festgestellten Beschlussunfähigkeit (Absatz 3)

Ein trotz festgestellter fehlender Beschlussfähigkeit gefasster Beschluss des Landtags ist unwirksam.

Hat die Präsidentin oder der Präsident zu Beginn der ersten Sitzung einer Tagung die Beschlussunfähigkeit des Landtags festgestellt (§ 50 Abs. 2) oder ist die Beschlussfähigkeit des Hauses im weiteren Verlauf der Tagung angezweifelt worden und daraufhin die Beschlussunfähigkeit durch Namensaufruf oder Zählung der Abgeordneten festgestellt worden (Absatz 2), hebt die Präsidentin oder der Präsident die Sitzung sofort auf und verkündet Zeit, Ort und Tagesordnung der nächsten Sitzung (§ 50 Abs. 4). Konnte wegen der auf Anzweifelung hin festgestellten Beschlussunfähigkeit des Landtags eine Abstimmung oder eine Wahl nicht durchgeführt werden, wird sie in der nächstfolgenden Landtagssitzung nachgeholt (Absatz 3 Satz 1). Die nächstfolgende Landtagssitzung kann auch die erste Sitzung einer außerordentlichen Tagung des Landtags sein. Vor der Nachholung der Abstimmung oder der Wahl findet eine neue Beratung nicht statt. Ein von mindestens 18 Abgeordneten oder einer Fraktion gem. § 63 Abs. 2 Satz 1 gestellter Antrag auf namentliche Abstimmung behält dabei seine Wirksamkeit (Absatz 3 Satz 2).

Kommentar zur Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages

Stand: 16. Februar 2023

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