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Ekkehard Klug: Die Hochschulen werden mit Pseudoreformen ins Abse its gestellt
F.D.P. L a n d t a g s f r a k t i o n Schleswig-Holstein 1 Christian Albrecht Pressesprecher V.i.S.d.P. F.D.P. Fraktion im Nr. 331/99 Schleswig- Holsteinischen Landtag Landeshaus, 24171 Kiel Kiel, Mittwoch, 17. November 1999 Postfach 7121 Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497 Sperrfrist: Redebeginn E - Mail: fraktion@fdp-sh.de Internet: http://www.fdp-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!Ekkehard Klug: Die Hochschulen werden mit Pseudoreformen ins Abseits gestelltIn seinem Redebeitrag zu TOP 4 (Hochschulgesetz, 2. Lesung) sagte der bildungspolitische Sprecher der F.D.P.-Landtagsfraktion, Dr. Ekkehard Klug: Presseinformation „Nach welchen Kriterien die rot-grüne Koalition in Schleswig-Holstein Hochschulpolitik betreibt, hat der Abgeordnete Jürgen Weber in den „Kieler Nachrichten“ vom 13. November d.J. mit bemerkenswerter Offenheit kundgetan.Mit Blick auf den „Unmut“, der in der SPD-Landtagsfraktion angesichts der „harschen Kritik“ des Kieler Uni-Rektorats an der Hochschulgesetznovelle aufgekommen sei, heißt in diesem KN-Artikel:„Es gebe deshalb in der Fraktion Überlegungen, einen Teil der zusätzlichen vier Millionen Mark aus der Nachschiebeliste des Haushaltes, die für die Universität gedacht sind, auf reformfreundlichere Hochschulen umzuverteilen“.Das, meine Damen und Herren, ist die Selbst-Demaskierung von Herrschenden, die kritische Einwände als Majestätsbeleidigung empfinden und deshalb daran denken, Landesmittel gegen politisches Wohlverhalten zu verteilen.Das, meine Damen und Herren, ist die Selbst-Demaskierung von Herrschenden, die damit zeigen, dass sie von der Bedeutung funktionsfähiger Hochschulen für die Zukunft unseres Landes so wenig verstehen wie ein Schaf von der Relativitätstheorie.Das, meine Damen und Herren, ist die Selbst-Demaskierung einer hochmütig und selbstgerecht gewordenen Staatspartei SPD, die sich meilenweit entfernt hat von Anfängen ihrer Regierungsarbeit.Es war der damalige Ministerpräsident Björn Engholm, der Ende 1989 in einer bemerkenswerten Grundsatzrede vor der Evangelischen Akademie in Bad Segeberg ausgeführt hat: „ Politik ist nicht omnipotent, darf nicht omnipotent sein und auch nicht so tun, als sei sie es. (...) 2 Ein Stück Zurückdrehen des manchmal überbordenden politischen Prozesses gehört für mich zu einer guten Zukunft Schleswig-Holsteins, Bürger sind in diesem Denken keine Untertanen, wir Politiker sind keine Fürsten“.Heute, meine Damen und Herren, zehn Jahre nach diesen Worten Björn Engholms, favorisiert die schleswig-holsteinische SPD den kurzen politischen Prozess mit einer Universität, deren Rektorat die der von ihm erwartete Untertanenrolle im neuen sozialdemokratischen Obrigkeitsstaat nicht gerecht werden mag.Armes Schleswig-Holstein, wie tief bist Du unter dieser selbstgefälligen Staatspartei SPD inzwischen gesunken! Dabei ist der Gegenstand, an dem sich zuletzt die Kritik der Uni-Rektorate von Kiel und Lübeck entzündet hat, bemerkenswert genug.In den Änderungsanträgen, die SPD und Grüne zuletzt noch in die Ausschußberatung eingespeist hat, feiern alt-68er Spinnereien fröhliche Urständ.Hier bestätigt sich, was der Kieler SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels am 25. August im „Hamburger Abendblatt“ festgestellt hat: „Die schleswig-holsteinische SPD ist programmatisch auf dem Stand der 70er-Jahre“.Ohne jegliche Rücksicht auf das Ansehen und die Attraktivität unseres Landes als Hochschul- und Wissenschaftsstandort wollen SPD und Grüne durchsetzen, dass künftig auch Studierende, nichtwissenschaftliche Mitarbeiter oder wissenschaftliche Mitarbeiter ohne Professorenstatus zu Prorektoren gewählt werden können.Sie machen damit die schleswig-holsteinische Hochschulpolitik weit über die Landesgrenzen hinweg zum mitleidigen Gespött all jener, die solche Rückfälle in alt-68er Spinnereien bislang nur als Gegenstand satirischer Romane für denkbar hielten.Sie widersprechen der eigenen Ankündigung - etwa nachzulesen in der Begründung des Gesetzentwurfes vom April 1999 - die Hochschulleitungen stärken zu wollen, indem sie nun auch die Rektorate im Ansatz zu gemischt zusammengesetzten Gremien der Gruppenuniversität machen und indem sie sie durch neue Abwahlvorschriften tendenziell nachhaltig schwächen.Was hier stattfindet, ist ein weiterer Schritt in die Richtung auf eine „Landwirtschaftskammerisierung“ der Hochschulen: In der Hoffnung, auf diese Weise eine ihrer hochschulpolitischen Linie genehmere Zusammensetzung und Ausrichtung der Hochschulleitungen zu erwirken, drehen SPD und Grüne ohne Rücksicht auf die Handlungsfähigkeit und den Ruf unserer Hochschulen an der Hochschulgesetzgebung.Wir lehnen den vorliegenden Gesetzentwurf daher prinzipiell ab.Wir kündigen an, dass wir die kritisierten Vorschriften des Gesetzes unmittelbar nach der Landtagswahl vom 27. Februar 2000 wieder aufheben werden, um dann gemeinsam mit den Hochschulen sinnvolle, zukunftsgerichtete Reformschritte neu zu entwickeln. Für die Anpassung des Landeshochschulgesetzes an das Hochschulrahmengesetz haben wir Zeit bis zum August 2001. Diese Frist brauchen wir nicht einmal auszuschöpfen, um in der kommenden Wahlperiode ein echtes Reformgesetz zu verabschieden.Zu den Teilen der HSG-Novelle, die wir nach wie vor ablehnen, gehört auch die von SPD und Grünen vorgesehenen Drittelparität im Konsistorum der Hochschulen. 3 Schwerpunkt der künftigen Hochschulreform muss die Befreiung der Hochschulen von staatlicher Gängelung sein:Ich nenne dazu folgende Beispiele:• Studien- und Prüfungsordnungen in eigener Verantwortung erlassen zu können, d.h. ohne Genehmigungsvorbehalt des Staates, will sagen: der Kultusbürokratie.• Professorinnen und Professoren berufen zu können, ohne dass die Ministerien im Personalverfahren von der Stellenausschreibung bis zur Ernennung mitreden.• Über einen ausreichend dotierten Globalhaushalt mit mehrjähriger Planungssicherheit und Übertragbarkeit der Mittel zu verfügen, statt in das Korsett eines kameralistischen Haushaltswesens eingezwängt zu sein.Einer der Kritikpunkte gegen den vorliegenden Gesetzentwurf, der auch im Rahmen der Anhörung wiederholt zur Sprache gebracht worden ist, besteht darin, dass die mit der Neufassung des Hochschulrahmengesetzes verbundenen Möglichkeiten zu einer konsequenten Deregulierung im Hochschulbereich nicht nur nicht ausgeschöpft worden sind, sondern durch viele neue Vorschriften sogar konterkariert werden.Welches Denken demgegenüber nach wie vor im Kieler Wissenschaftsministerium vorherrscht, ist mir in der vergangenen Woche in einem Gespräch mit dem Rektor der Universität Flensburg deutlich geworden: Als ich zu meinem großen Erstaunen hören musste, dass die Hochschulabteilung des Ministeriums der Flensburger Uni rechtliche Schritte gegen deren neues Logo angedroht habe: ein Logo, das unter der bisherigen Hochschulbezeichnung „Bildungswissenschaftliche Hochschule Flensburg“ am Rande eines grafischen Symbols die Worte „Universität Flensburg“ enthält.Ich frage Sie:• hat nicht der Landtag bereits in der vergangenen Wahlperiode der Bildungswissenschaftlichen Hochschule Flensburg die Zusatzbezeichnung „Universität“ verliehen ? • Was geht eigentlich in einem Ministerium vor, das sich mit derartigen wissenschaftsbürokratischen Albernheiten beschäftigt?Ein anderes Beispiel zur Umsetzung bzw. Nicht-Umsetzung neuer Vorschriften des Hochschulrechts.Die HSG-Novelle ermöglicht neue Abschlüsse, „Bachelor“ und „Master“. Statt den Hochschulen Freiräume bei der Etablierung solcher neuen Studiengänge zu geben, betreibt das Ministerium auch hier in altgewohnter Weise Detailsteuerung.Am 3. November habe ich vom Rektor der Fachhochschule Kiel erfahren, das Ministerium wolle generell neue „Bachelor“- Studiengänge nur dann genehmigen, wenn dafür bisherige Diplom- Studiengänge wegfallen. Die FH Kiel hingegen möchte beide Studiengänge parallel anbieten. Abgesehen davon, dass ich dies für sehr vernünftig halte, sehe ich überhaupt keinen Grund für die genannte Eingriffe des Ministeriums in das Entscheidungsverfahren der Hochschule.Auf meine Frage nach der zu erwarteten Akzeptanz der neuen berufsqualifizierenden Bachelor- Abschlüsse hat der Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz in der Anhörung im Bildungsausschuß festgestellt, eine Prognose darüber wage er nicht abzugeben. Gerade angesichts solcher auch von Fachleuten eingeräumten Unsicherheiten wäre es doch völliger Unfug, bewährte Diplom-Studiengänge bei der Einführung der neuen Abschlüsse so mir nichts, dir nichts aufzugeben. 4 Ich persönlich bin eher skeptisch und rate daher zu einer vorsichtigen Strategie, d.h.zu einem eher experimentiellen und zunächst auf ausgesuchte Studienfächer beschränkten Vorgehen.Ich möchte dazu folgende Anmerkungen machen:1. Eine Kannibalisierung bewährter Diplom-Studiengänge zugunsten neuer 6-semestriger Abschlüsse, deren „Akzeptanz“ auf dem Arbeitsmarkt heute niemand voraussagen kann, wäre das Dümmste, was man tun könnte. Das gilt erst recht für die Ingenieurwissenschaften.2. Die neuen Studiengänge sind bereits hochschulrechtlich verankert worden, bevor man überhaupt wusste und sich darüber geeinigt hatte, wie sie konzeptionell gestaltet werden sollen. Solche Sturzgeburten bedürfen oft besonderer Pflege und Betreuung, bis sie lebensfähig werden.3. Es gibt Beispiele dafür, dass die neuen B.A.-Studiengänge an manchen Hochschulen nichts anderes sind als leicht retouchierte, etwa abgespeckte Diplom- oder Magisterstudiengänge. - Was soll das?4. Die Münchener TU-Professorin Jean K. Gregory hat im vergangenen Jahr in einem bemerkenswerten Vortrag an der Christian-Albrechts-Universität darauf hingewiesen, dass der „Bachelor of Science“-Grad in den USA nur insoweit berufsqualifizierend sei, „als man irgend einen Job damit bekommt, z.B. als Aufseher in einer Fabrik“. Wer als Ingenieur tätig werden wolle, von dem werde in den Staaten der M.Sc. (Master of Science) verlangt. Damit aber entfiele de facto auch der Zeitvorteil eines „kurzen“ Bachelor-Studienganges.5. Aus Großbritannien wird berichtet, dort seien die Immatrikulationen für Bachelor of Science- Studiengänge 1998 und 1999 um mehr als 80% zurückgegangen - weil sich immer mehr Studierende für den höherwertigeren Master-Studiengang einschreiben.Da in Deutschland der Master-Grad nach den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz nicht in einem grundständigen Studiengang, sondern nur im Anschluss an einen berufsqualifizierenden Abschluss - etwa den „Bachelor“ - erworben werden kann, ergäbe sich bei einer vergleichbaren Entwicklung hierzulande eher eine Verlängerung als eine Verkürzung der Gesamtstudienzeit.6. Wenn man schon die neuen Abschlüsse unter der Losung von der „Internationalisierung“ des deutschen Hochschulwesens propagiert - weshalb hat die KMK dann für sie nur ein nationales und nicht ein internationales Akkreditierungsverfahren vorgesehen?Mein Fazit lautet: In dieser Frage sollte man sich an das alte Motto halten: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“.Meine Damen und Herren, grundsätzliche Übereinstimmung haben wir darüber, dass die Hochschulen mit Globalhaushalten und neuen Verfahren der Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln Freiräume erhalten sollen, die sie vom Korsett einer kameralistischen Haushaltspraxis befreien.Was die amtierende Landesregierung hier in der Praxis zustande gebracht hat, läuft jedoch dem Grundgedanken einer gestärkten Hochschulautonomie im Finanzbereich und neuer Formen der Finanzkontrolle absolut zuwider.Es ist widersinnig, den Hochschulen mit der vorliegenden HSG-Novelle die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung vorzuschreiben, aber gleichzeitig durch das Ministerium mit Hochschulen des Landes Zielvereinbarungen zu erarbeiten, in denen die Einführung einer Kostenrechnung erst ab 2001 festgeschrieben wird und dabei auch noch den Vorbehalt zu formulieren (ich zitierte aus dem Zielvereinbarungsentwurf für die Universität Kiel, Seite 18 b: „Voraussetzung dafür ist, dass das Land entsprechende Verfahren im Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen zur Verfügung stellt“. 5Im Klartext heißt das doch: Es wird eine gesetzliche Vorschrift eingeführt, deren Anwendung und Umsetzung erst mit einem erheblichen zeitlichen Abstand vom Inkrafttreten des Gesetzes in Aussicht gestellt wird - und das auch noch abhängig von der zur Zeit offenbar noch ungewissen Gewährleistung technischer bzw. organisatorischer Vorbedingungen.„Suboptimalen Gesetzesvollzug“ hat dies einmal der frühere Innenminister Bull in einem anderen Zusammenhang genannt. Von ordentlicher Gesetzesarbeit habe ich jedenfalls eine andere Vorstellung.Hinzu kommt, dass die von der Landesregierung dem Landtag im Haushalt vorgeschlagene und den Hochschulen in Entwürfen für Zielvereinbarungen in Aussicht gestellte finanzielle Dotierung der Globalbudgets offenbar völlig unzureichend ist, um das Forschungs- und Lehrangebot im erwarteten und erforderlichen Umfang sicherzustellen.In den Haushalten vieler Hochschulen klaffen Lücken in Millionenhöhe - und die Regierung ist nicht bereit, gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit Rechenschaft über die Konsequenzen dieser Unterfinanzierung abzulegen.Im Dreiecksverhältnis zwischen Hochschulen, Parlament und Ministerium spielt die Regierung mit verdeckten Karten. Sie behauptet schlicht, die Zahlen der Hochschulen seien nicht zutreffend. Dabei hat es in der Vergangenheit all zu oft Belege dafür gegeben, dass die Position der Hochschulen zutrifft: ich erinnere etwa an die im Juni d.J. u.a. mit der Verlängerung der Wiederbesetzungssperre auf acht Monate an der Kieler Universität eingeführten Notbewirtschaftungsmaßnahmen für das Haushaltsjahr 1999.An der Universität Kiel waren - Stand Juli 1999 - ausweislich eines Umdrucks der Landesregierung (14/3625) 38 Professuren nicht besetzt. Bei insgesamt 338 Professorenstellen (ohne Medizin) ist dies ein enorm hoher Anteil.Erst kürzlich erreichten uns viele Briefe von Studierenden der Volkswirtschaftslehre, denen wir entnehmen können, dass in diesem Fach im Laufe der kommenden zwölf Monate durch neue Vakanzen dramatische Engpässe eintreten werden.Ich fordere die derzeitigen Mehrheitsfraktionen auf: Verschließen Sie vor solchen dramatischen Entwicklungen nicht weiter die Augen, sorgen Sie im Interesse unseres Landes für ein geordnetes Verfahren zur Sicherstellung von Forschung und Lehre, statt die Hochschulen weiter mit Pseudo- Reformen ins Abseits zu stellen!“