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Jürgen Weber: Hochschulgesetz
Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion und SPD-Landesvorstand Verantwortlich: Sven-Hauke Kaerkes•Landeshaus•Postfach 3607•24100 Kiel Tel: 0431/ 988-1305 • Fax: 0431/988-1308• E-Mail: pressestelle@spd-fraktion-ltsh.de Internet: www.spd-schleswig-holstein.deLandtag aktuell Kiel, 17.11.1999, Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: RedebeginnJürgen Weber zu TOP 4: Hochschulgesetz auf der Höhe der Zeit„Hinter uns liegt – die sog. Kleine Hochschulgesetznovelle eingeschlossen – ein fast zweijähriger Diskussionsprozeß über die gesetzliche Neuregelung der Grundlagen zur Weiterentwicklung unserer Hochschulen. In diese Zeit fiel nicht nur die Verabschiedung des neuen HRG. In den letzten Jahren hat auch – angestoßen bzw. angeregt durch die Kommissionen mit internen und externen Experten – der Strukturwandel in den Hochschulen an Fahrt und Richtung gewonnen. Sichtbar und spürbar beispielsweise bei den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen an den Fachhochschulen oder der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät an der CAU.Der Einsicht, daß knappe öffentliche Kassen, jahrzehntelange Unterfinanzierung des Hochschulsektors in Deutschland, neue Herausforderungen durch eine Globalisierung des Bildungsmarktes zu mehr Effizienz, zu modernen Leitungsstrukturen, zu einer Reform der Studienstruktur und auch der Personalstruktur an den Hochschulen führen müssen, kann sich eigentlich niemand ernsthaft entziehen. - 2-Es gibt über Parteigrenzen hinweg auf Bundesebene eine beachtliche Übereinstimmung in vielen darauf bezogenen Punkten; die Rauchschwaden des Vorwahlkampfes hier im Lande sollten darüber nicht hinweg täuschen:Die Internationalisierung des Studiums und der Forschungsverbünde, der Angebote und der Abschlüsse, die Flexibilisierung der Steuerungsinstrumente, z.B. des Haushaltsrechts und der Personalplanung, die Stärkung der Autonomie der Hochschulen und der Reform von Leitungsstrukturen, die Neugestaltung von Personalstruktur und Dienstrecht, - das alles ist im Grundsatz common sense bei denen, die unseren Hochschulen eine Chance im Wettbewerb erhalten wollen.Weite Übereinstimmung gibt es auch in der Einsicht, die Gestaltung von Teilzeitstudien, die Entwicklung von Leistungsanreizen bzw. die Implementierung von leistungsorientierter Bezahlung, die Verbesserung der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die länderübergreifende Koordination auf den Weg zu bringen bzw. zu verbessern.Und zumindest verbal gibt es auch keine großen Abstände bei der Gewichtung der Frauenförderung, der Stärkung der Fachhochschulen, oder den hochschulübergreifenden KooperationenUm es hier noch einmal deutlich zu sagen: - 3-Die vorliegende Gesetzesnovelle leistet den Teil, den wir als Bundesland leisten können, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Sie ist damit auf der Höhe der Zeit.Die SPD-Fraktion hat die parlamentarische Beratung ernst genommen. Sie hat die umfassenden und umfänglichen Anhörungen ausgewertet und den Entwurf der Landesregierung in einer Reihe von Punkten ergänzt bzw. präzisiert.Zusammen mit unserem Koalitionspartner legen wir Änderungsanträge vor, die drei Aspekte verstärken:1. mehr Deregulierung und Autonomie.- Die Frage der Hauptamtlichkeit der Rektoren sowie die Zahl der Prorektoren werden in die Entscheidung der Hochschulen gestellt, - die Fachhochschulen erhalten Freiräume zur Einstufung ihrer Mitarbeiter in die Gruppen Wissenschaftlicher und Nichtwissenschaftlicher Dienst, - die Periode für Lehrberichte wird von zwei auf drei Jahre verlängert - Das Amt des Dekans ebenso wie die Institutsleitung wird für Hochschuldozenten geöffnet - alles sinnvolle Vorschläge, die in den Anhörungen aus den Hochschulen vorgetragen wurden.2. Mitbestimmung und TransparenzWir wollen - die Veröffentlichungspflicht für die Berichte über die Umsetzung der Zielvereinbarungen, - 4-- die Beteiligung aller Hochschulgruppen an den Vorschlägen für den Hochschulbeirat nach §19a HSG, - das volle Mitentscheidungsrecht in den Gremien für Lehrkräfte für besondere Aufgaben, wie es der SSW vorgeschlagen hat, - die Präzisierung und Erweiterung der Kompetenzen der Verfassten Studierendenschaft, - sofern die Hochschule es wünscht und in ihre Verfassung aufnimmt, die Öffnung des Amtes des Prorektors für Nichtprofessoren, sofern es mehr als einen Prorektor gibt, - und schließlich die Abwahlmöglichkeit von Rektoratsmitgliedern mit einer Dreiviertelmehrheit im Konsistorium.3. Modernisierung- Die Hochschulverwaltung wird in die vorgesehene Evaluation mit einbezogen, - Hochschuldidaktik und Evaluation werden Bestandteil des Lehrberichts, - studienbegleitende Prüfungen werden in den Prüfungsordnungen zeitlich flexibilisiert, - die Pflicht zur Studienberatung wird gestärkt, - Ausstattungszusagen bei Berufungen werden realistisch vorerst auf fünf Jahre befristet, - die Möglichkeiten für erfahrene Assistentinnen und Assistenten zur selbständigen Forschung und Lehre werden erweitert, - bei konsekutiven Studiengängen (z.B. Bachelor und Master) erfolgt keine automatische Exmatrikulation nach dem ersten Abschluss.Wir haben unter der Überschrift: „Mehr Autonomie, mehr Mitbestimmung, mehr Transparenz und Modernisierung“ Anträge erarbeitet, die die Grundanlage der - 5-Novelle stärken, vielleicht in einigen Punkten etwas konsequenter und mutiger sind, als die Regierung sich getraut hat.Bemerkenswert ist dabei die Enthaltsamkeit der Opposition. Die CDU beschränkt sich auf die Ablehnung erweiterter Mitbestimmung und der Option auf Zeitprofessuren. Von der FDP kommt gar nichts. Es gibt Änderungsvorschläge der Rektorate, der Studierendenausschüsse, der Personalräte, der Hochschulverbände, der Gewerkschaften, der Unternehmensverbände und Kammern usw. usw. Und die Opposition: Sie wartet auf ihren Messias und legt die Hände in den Schoß.Aus gegebenen Anlass : Besondere Aufgeregtheiten gibt es bekanntlich, wenn überlebte gute alte Gewohnheiten in Frage gestellt werden. Ich habe bereits in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs ausgeführt: Wenn die Hochschule größere Autonomie erhält, wenn die Hochschulleitungen gestärkt werden, muß es gleichzeitig eine Verbesserung der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte aller Gruppen der Hochschule geben.Und wo es starke Leitungen gibt, müssen, zumindest nach unserem Demokratieverständnis, auch Kontrollmöglichkeiten vorhanden sein. Wer uns weismachen will, dass die Drittelparität im Konsistorium oder die Abwahlmöglichkeit von Rektoratsmitgliedern, - wenn drei Viertel aller Mitglieder - also alle Gruppen der Hochschule - dieses für erforderlich halten, - die Funktionsfähigkeit der Hochschule gefährde, der will entweder die Menschen für dumm verkaufen oder aber offenbaren, dass ihm Gruppeninteressen vor Hochschulinteressen gehen, und er gaukelt vor, daß die Arbeit der Hochschulgremien sich durch - 6-unkooperatives Gruppendenken auszeichnen. Für die große Mehrzahl der Hochschulen trifft dies gewiss nicht zu.Nicht mehr Mitbestimmung, sondern das Fehlen von Mitbestimmung führt zu unnötigen Konflikten an den Hochschulen. Nicht mehr Mitbestimmung, sondern das Fehlen von Mitbestimmung führt zu Erstarrung, zu unnötigen Blockaden und hemmt die Entwicklung der Hochschulen. Nicht mehr Mitbestimmung, sondern das Fehlen von Mitbestimmung ist modernisierungsfeindlich und innovationshemmend.Mit der Zementierung von Hierarchien, Statusdenken und Fachegoismen werden in Zukunft die notwendigen Leistungen der Hochschulen in Lehre, Forschung und Wissensvermittlung nicht erbracht werden können.Wenn so süffisant im Zusammenhang mit der Drittelparität in einem Teilbereich der Selbstverwaltung die Jahreszahl 68 bemüht wird, sagt das wenig über die Quellen unserer aktuellen Gesetzesnovelle aber sehr viel über das Fortleben bornierter Vorstellungen und Projektionen in manchen – ich betone in manchen – Professorenkreisen, sie seien die Hochschule.Ich möchte dieses Thema hier nicht über Gebühr strapazieren, weil es den Blick auf die umfassende Reform durch das neue HSG verstellt. – Und das ist wohl auch das, was mancher im Sinn dabei hat.Der Landtag wird im Rahmen des Landeshaushalts 2000 erstmals Budgets für die einzelnen Hochschulen festlegen. Grundlage für die Einführung und Anwendung neuer Steuerungsinstrumente sind Zielvereinbarungen zwischen dem Land und den Hochschulen. Das renovierte HSG formuliert dafür die künftigen Rahmenbedingungen und Kategorien. - 7-Auch hier gilt : Aller Anfang ist schwer: Die Hochschulen, die Landesregierung und vor allem auch das Parlament müssen lernen, mit den neuen Instrumenten umzugehen. Der Gesetzentwurf sieht die Entscheidung des Parlaments für die finanzrelevanten Fragen vor. So richtig es ist, dass das Parlament sicher nicht über alle detaillierten inhaltlichen Zielvereinbarungen befinden sollte - das wäre praxisfremd und nicht zielführend -, so muss doch sichergestellt werden, dass die Legislative weiterhin die strategischen Ziele der Hochschulentwicklung im Lande diskutiert und entscheidet. Das wird künftig auf der Basis gesetzlich festgelegter Berichtspflicht über die Umsetzung der Zielvereinbarungen geschehen. Für den Startschuss brauchen wir dazu eine Klarstellung, was die Grundlage der jetzt in den Verhandlungen befindlichen Vereinbarungen angeht. Daher bringen wir zur zweiten Lesung heute einen Entschließungsantrag ein, der im Bildungsausschuss noch beraten werden sollte. Im Dezember soll dann zusammen mit dem Haushalt dazu beschlossen werden.Wir wissen, dass mit der vorliegenden Novelle noch nicht alle Probleme gelöst sind. Wir brauchen auch eine Reform der Personalstruktur, an der auf Expertenebene in Berlin gearbeitet wird. Worum es geht, hat Wolfgang Hoffmann in der Zeit vom 2.9.1999 so umschrieben:„Die Kombination aus Beamtenrecht und Freiheit der Wissenschaft ist eine Art Schlaraffenland, in dem es sich bequem leben läßt. Professoren auf Lebenszeit kann auch bei miserabler Leistung die Besoldung nicht gekürzt werden. Wer dagegen viel leistet, will auch mehr verdienen. Folglich weicht er auf lukrative Nebentätigkeiten aus. Individuell ist beides ökonomisch, für die Gesellschaft jedoch ist es verheerend ineffizient, weil es zu Lasten der Lehrtätigkeit geht.“ - 8-