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12.01.00 , 16:44 Uhr
FDP

Rede des F.D.P.-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki zum Festakt anläßlich des 50. Jahrestages des Inkrafttretens der Landesverfassung

F.D.P. L a n d t a g s f r a k t i o n Schleswig-Holstein 1 Christian Albrecht Pressesprecher
V.i.S.d.P.


F.D.P. Fraktion im Nr. 1/2000 Schleswig- Holsteinischen Landtag Landeshaus, 24171 Kiel Kiel, Mittwoch, 12. Januar 2000 Postfach 7121 Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497 Sperrfrist: Redebeginn E - Mail: fraktion@fdp-sh.de Internet: http://www.fdp-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!
Rede von Wolfgang Kubicki zum Festakt zum 50. Jahrestag des Inkrafttretens der Landessatzung Schleswig-Holstein
Verfassungspolitische Schwerpunkte aus schleswig-holsteinischer



Presseinformation Sicht
„Vor 50 Jahren, am 12. Januar 1950 wurde die Landessatzung für das Land Schleswig-Holstein, nachdem der Landtag sie im Dezember 1949 angenommen und die Alliierte Hohe Kommission sie gebilligt hatte, durch Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt in Kraft gesetzt. Seit fünf Jahrzehnten ist sie damit Grundlage für die Landespolitik in Schleswig-Holstein und das – wenn Sie mich fragen – mit gutem Erfolg.
Wir feiern in diesem Jahr aber nicht nur das 50jährige Inkrafttreten der Landessatzung. Ebenso jährt sich in diesem Jahr zum zehnten Mal, am 30. Mai, die Annahme des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Landessatzung für Schleswig-Holstein, und damit das Bestehen der reformierten Verfassung des Landes Schleswig- Holstein.
Das tut dem erst genannten Anlass keinen Abbruch, im Gegenteil. Über viele Jahrzehnte hat sich die als provisorische Lösung erstellte Landessatzung als geeigneter und dauerhafter organisatorischer Rahmen für ein handlungsfähiges Schleswig-Holstein bewährt. Dass sie in ihren Ursprüngen als ein Organisationsstatut angelegt war, fordert dabei trotz der zwischenzeitlich erfolgten materiellrechtlichen Ergänzungen auch noch heute unsere Anerkennung. Es ist dadurch gelungen, der Satzung ein Stück Stetigkeit mit auf den Weg zu geben und damit die Grundlage zu schaffen, dass sie sich im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger verankern konnte. Für eine Verfassung ist dieser Umstand von elementarer Bedeutung.
Nicht nur die Politik unterliegt jedoch dem Wandel. Es ist daher kaum verwunderlich, dass im Laufe der Jahre in bestimmten Fragen Akzente
Liberale Links im Internet: Der Landesverband: www.fdp-sh.de Der Spitzenkandidat: www.kubicki.sh Die Landtagswahl: www.zweitstimme.sh 2 neu gesetzt wurden - und auch immer noch neu gesetzt werden müssen. Auch die F.D.P. hat dazu beigetragen. So waren die Väter unserer Landessatzung beseelt von der Idee, auch Spurenelemente unmittelbarer Demokratie aus der Verfassung fernzuhalten. Die Motivation war verständlich, standen die Gefahren, die sich aus der geschickten Nutzung plebiszitärer Möglichkeiten durch skrupellose Demagogen ergeben können, allen noch deutlich vor Augen. Ein geradezu lupenreines Repräsentativsystem ohne jede Form unmittelbarer Bürgerbeteiligung an den staatlichen Angelegenheiten war die Folge.
Die Erfahrungen, die wir dann aber seit dem Neubeginn staatlichen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland machen konnten, haben gelehrt, dass eine so rigorose Ausschaltung plebiszitärer Elemente nicht nur nicht notwendig ist, sondern im Gegenteil, sogar kontraproduktiv sein kann. Denn die Beschränkung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger am staatlichen Leben im wesentlichen auf die Teilnahme an Wahlen begründet auch Politik- und Staatsverdrossenheit.
Bereits in der 8. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages hatte sich die F.D.P. deshalb bemüht, das Institut des Volksbegehrens in die Landessatzung einzufügen, ebenso wie wir uns für stärkere Beteiligungsrechte im Bereich des Kommunalverfassungsrechts eingesetzt haben. Wie wir alle wissen, hat es noch einige Zeit gedauert, bis diese berechtigten Begehren der Bürger tatsächlich gesetzlichen Niederschlag gefunden haben. Ein weiteres Feld, auf dem die F.D.P. bereits frühzeitig neue Überlegungen für erforderlich gehalten hat , war das in der Landessatzung ursprünglich verankerte Verhältnis der einzelnen Gewalten zueinander, das ebenso wie im Grundgesetz und andere Länderverfassungen beherrscht war von dem Gedanken, die Exekutive arbeitsfähig zu erhalten und ihre Lähmung durch das Parlament zu verhindern. Die Bedenken, die die F.D.P. hiergegen hatte, hat Uwe Ronneburger bereits anlässlich des Festaktes zum 30. Jahrestag der Verabschiedung des Landessatzung für Schleswig-Holstein wie folgt formuliert:
„Die Erfahrung der letzten Jahre im Bund wie in den Ländern hat gelehrt, dass Gefahren für das Gleichgewicht der Gewalten nicht von der Schwäche, sondern im Gegenteil von dem zu großen Übergewicht der Exekutive gegenüber dem Parlament ausgehen. Es ist deshalb an der Zeit, die Rechtsstellung des Parlaments gegenüber den Regierungen zu verbessern. Das gilt ganz besonders in Schleswig-Holstein. Hier ist die rechtliche Stellung der Regierung gegenüber dem Parlament besonders stark gesichert, weil sie nicht nur den Schutz des konstruktiven Misstrauensvotums genießt, sondern ihre Amtszeit auch nicht einmal an die Wahlzeit des Landtags gebunden ist.“ (S. 57)
Uns ist allen bekannt, dass nicht die Verfassungspraxis allein, sondern ganz entscheidend die sogenannte „Barschel/Pfeiffer-Affäre“ im Jahre 1987/88 den entscheidenden Anstoß gegeben hat, u.a. diese Überlegungen in die Verfassung aufzunehmen und neue Konzeptionen und neue Grundregeln zum politischen Miteinander und zur politischen Arbeit zu formulieren.
Nach meinem Verständnis kann deshalb der Festakt zum 50. Jahrestag des Inkrafttretens der Landessatzung Schleswig-Holstein nicht ohne die Würdigung des 10. Jahrestages der Annahme der reformierten Verfassung des Landes Schleswig-Holstein erfolgen. Mit ihr ist Schleswig-Holstein im besten Sinne des Wortes in „guter Verfassung“.
Mit der Reform 1990 ist es gelungen, die Kompetenz des Parlaments, seiner Ausschüsse und der einzelnen Abgeordneten zu stärken. Das Parlament beschränkt sich nicht mehr nur auf seine Aufgabe als Organ der Gesetzgebung, sondern hat seine wesentliche Aufgabe als das „oberste Organ der politischen Willensbildung“. Damit ist das Gleichgewicht zur Regierung als
Liberale Links im Internet: Der Landesverband: www.fdp-sh.de Der Spitzenkandidat: www.kubicki.sh Die Landtagswahl: www.zweitstimme.sh 3 „oberstes Leitungs-, Entscheidungs- und Vollzugsorgan“ besser gewahrt. Erwähnen möchte ich außerdem die ausdrückliche Hervorhebung der Rolle der Opposition als einen wesentlichen Bestandteil der Demokratie und daran anknüpfend die Erweiterung von Rechten, die von einer parlamentarischen Minderheit auch gegen die Mehrheit durchgesetzt werden können. Für die F.D.P. ist das von besonderem Interesse und wir erinnern die Regierungsfraktionen deshalb auch gern gelegentlich an diese Regeln, beispielsweise im Untersuchungssausschuss oder bei der Enquetekommission Gentechnik.
Besonders hervorheben möchte ich des weiteren die Einführung plebiszitärer Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger bis hin zum Volksentscheid. Die Möglichkeit, über das Wahlrecht hinaus, Einfluss auf die politische Willensbildung und Entscheidungsfindung nehmen zu können, ist eine alte Forderung der F.D.P., ich sagte das bereits. Ihre Umsetzung ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere zeichnet sich dadurch aus, dass von dieser Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch gemacht wird. Es ist deshalb auch unsere Aufgabe als Politiker, dass wir mit unserer Arbeit ein Erscheinungsbild liefern, dass die Menschen dazu ermutigt, die ihnen eingeräumten Möglichkeiten zu nutzen. Es ist nichts gewonnen, wenn an die Stelle der Verdrossenheit, die aus der Landessatzung von 1950 erwuchs, weil man als Bürger nicht handeln konnte, nun eine neue Verdrossenheit tritt, weil der Bürger glaubt, dass sich sein Handeln nach der Landesverfassung von 1990 nicht lohnen könnte.
Berücksichtigt man außerdem die Diskussion um die Aufnahme von Staatszielen in die schleswig-holsteinische Landesverfassung, wie die Gewährleistung von Schutz und Förderung für nationale Minderheiten, so konnten und können die Abgeordneten des Schleswig- Holsteinischen Landtages mit Recht stolz auf das 1990 Erreichte sein.
Eine Hoffnung hat sich gleichwohl zerschlagen: Dass die substantiell weitreichende Reform der immerhin 40 Jahre alt gewordene Landessatzung ebenfalls über Jahrzehnte Bestand haben würde. Es ist gerade acht Jahre gedauert, bis die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit einem Berg von Verfassungwünschen und –träumen eine erneute Reform der Landesverfassung angestrengt haben. In einem Punkt waren diese Wünsche ohne Frage berechtigt, bei der Festschreibung des Konnexitätsprinzips. Bei der weit überwiegenden Zahl der Verfassungsänderungsvorschläge wurde dagegen übersehen, dass eine Verfassung wirklich nur dann geändert werden sollte, wenn überzeugende Gründe für die Notwendigkeit der Änderung sprechen. Denn die Verfassung ist kein Parteiprogramm und erst Recht kein politischer Wunschzettel. Ich will die Diskussionen, die wir 1998 geführt haben, nicht wiederholen. Ich möchte nur auf einen Aspekt zurückkommen:
50 Jahre nach Inkrafttreten der Landessatzung für Schleswig-Holstein können wir heute alle zufrieden sein mit unserer Verfassung. Sie ist zu Recht Vorbild für eine Reihe von Verfassungen in den neuen Bundesländern geworden ist. Wir sollten uns diese gute Verfassung erhalten – sie ist kurz, klar und bestimmt. Das heißt nicht, dass wir künftig die Augen vor der sich wandelnden politischen Wirklichkeit verschließen könnten. Auch künftig müssen in begründeten Fällen die notwendigen Änderungen gesetzlichen Niederschlag finden – gegebenenfalls auch in einer Verfassung. Wir müssen aber alle der Versuchung widerstehen, immer gleich alles in der Verfassung regeln oder gar politischen Wünschen zu Verfassungsrang verhelfen zu wollen. Eine Verfassung enthält die Grundregeln des staatlichen Miteinander, nicht mehr aber auch nicht weniger.



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