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26.05.00 , 11:13 Uhr
B 90/Grüne

Positionspapier zur Bio- und Gentechnologie

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Karl-Martin Hentschel Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Irene Fröhlich Internet: www.gruene.ltsh.de

Nr. 112.00 / 26.05.2000
Positionspapier der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bio- und Gentechnologie

Bio- und Gentechnologie berühren heute nahezu alle Bereiche der modernen Medizin- und Biowissenschaften und des alltäglichen Lebens. Es handelt sich um Schlüsseltech- nologien mit großen Chancen für die künftige wirtschaftliche Entwicklung. Diese Tech- nologien sind aber auch mit großen Risiken für die Gesundheit der Menschen und die Biosphäre verbunden und sie werfen grundsätzliche ethische Fragen über unsere Hal- tung zum Leben auf, die beantwortet und verantwortet werden müssen.
Es ist Aufgabe der Wissenschaft, notwendige Brücken zu schlagen zwischen der For- schung und den Möglichkeiten und Risiken der Anwendung. Es ist Aufgabe der Politik Rahmenbedingungen zu setzen, innerhalb derer die Wissenschaft und die Wirtschaft sich entfalten kann und Brücken zu schlagen zwischen der wissenschaftlichen Arbeit und der kritischen Öffentlichkeit.
Gerade die kürzlich bekannt gewordenen Vorfälle über die Verbreitung von genmanipu- lierten Rapssorten haben uns wieder vor Augen geführt, wie unverzichtbar Regelungen für eine genaue Kontrolle der Entwicklung, Umsetzung und Anwendung von Bio- und Gentechnologie sind. Es ist unverzichtbar, dass Regierung und Parlament ihrer Aufgabe nachkommen und die Risiken kritisch abwägen und bewerten. Wir müssen alles dafür tun, dass die Freisetzung von unkalkulierbaren, gentechnisch veränderten Organismen verhindert wird, die z.B. Krankheitsepidemien auslösen oder Schädigungen der Bio- sphäre verursachen können. Wir müssen ebenfalls alles tun, um eine massive Schädigung unserer einheimischen Landwirtschaft durch einen Fall „gentechnisch verursachte BSE“ zu verhindern und si- cherstellen, dass im Schadensfall die Haftung für die eingetretenen Schäden durch die Verursacher gewährleistet ist.
Bündnis 90/Die Grünen stellen sich dieser Verantwortung. Die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird sich deshalb auf Grundlage der Empfehlungen der Enquete-Kommission des Landtages und der Koalitionsvereinbarung für folgende Leitlinien einsetzen:
1. Im Rahmen der norddeutschen Hochschulkooperation soll eine Einrichtung zur Tech- nikfolgenabschätzung und -bewertung der Bio- und Gentechnologie eingerichtet wer- den, zu deren Aufgaben auch eine breite Informations- und Öffentlichkeitsarbeit ge- hört.
2. Die Landesregierung muss prüfen, inwieweit zur zwingend erforderlichen Kontrolle, Risikoabschätzung und Klärung ethischer Fragestellungen die Einrichtung einer Lan- desaufsichtsbehörde analog der bewährten Funktion des Datenschutzbeauftragten angemessen und sinnvoll ist.
3. Bei Verstößen gegen Regelungen im Bereich Bio- und Gentechnologie, wie zum Bei- spiel die ungenehmigte Freisetzung, die Beimischung von manipuliertem Saatgut und die Falschkennzeichnung, müssen eindeutige haftungsrechtliche und strafrechtliche Regelungen und klare Zuständigkeiten geschaffen werden.
4. Ein wichtiger Innovationsbereich für Schleswig-Holstein ist heute die Nutzung der gentechnikfreien Biotechnologie. Verantwortbare Innovationspotenziale der Biotech- nologie sind zu fördern und weiter zu entwickeln. Dabei gelten als handlungsleitende Kriterien die Rückholbarkeit und der vorsorgende VerbraucherInnenschutz. Wir set- zen uns deshalb für eine Umlenkung der Wirtschafts- und Technologieförderung in diesen Bereich ein. Aus öffentlichen Mitteln soll vorrangig das wirtschaftliche Enga- gement insbesondere mittelständischer und kleinerer Unternehmen im Bereich sanf- ter Biotechnologien gefördert werden, die auf gentechnische Verfahren verzichten (z. B. Saatgutzüchter, Lebensmittelzusätze-Hersteller, Mikroorganismen für Biogasanla- gen, Abwasserentsorgung und Altlastenentsorgung).
5. Der Nutzen der “grünen” Gentechnik (Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft) wird aufgrund der bestehenden Erfahrungen von uns weiterhin als ökonomisch und ökolo- gisch fragwürdig bewertet. Hinsichtlich der besonders risikobehafteten Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen sind ökologische Langzeitüberwachungen, ein Verbot von transgenen Pflanzen mit Antibiotika-Resistenzgenen und ein Genehmi- gungsverfahren, das dem Gesundheits- und Umweltschutz Vorrang einräumt, drin- gend erforderlich. Im Rahmen der Genehmigungsverfahren muss die Landesregie- rung beteiligt und ihr ein Einspruchsrecht eingeräumt werden. Dabei müssen Anhörungen eingeführt werden, damit die Betroffenen in der Region gehört werden und ihre Einsprüche geltend machen können.
6. Die Landesregierung soll sich entsprechend dem Beschluss der Enquete-Kommission des Landtages auf Bundes- und EU-Ebene für die Entwicklung und Harmonisierung von Ausschlusskriterien für die Freisetzung und das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Mikroorganismen und für ein entsprechendes Moratorium einsetzen. Auf jeden Fall müssen Freilandversuche und das Inverkehrbringen wegen der langfristi- gen Auswirkungen des Anbaus transgener Pflanzen in einem Langzeit-Monitoring wissenschaftlich begleitet werden.
7. Die Landesregierung wird gebeten, auf eine Novellierung der Novel-Food-Verordnung und die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Futtermitteln zu drängen.
8. Wir begrüßen die Einrichtung von Technologietransferzentren für Biomedizin an den Standorten Lübeck, Kiel und Borstel, um die Chancen der Verwertung von For- schungsergebnissen zu stärken. Die Förderung gentechnischer Projekte im Rahmen der Medizintechnik ist im Einzelfall auf ihre Verantwortbarkeit zu prüfen. Risikovorsor- ge und stringente Kontrolle sind maßgebliche Kriterien zur Begleitung entsprechender Projekte.
9. Das Regelwerk für die Risikovorsorge in der Gentechnik ist zu verbessern. Wir stre- ben an, dass die Landesregierung sich im Bundesrat für restriktive Regelungen beim Einsatz der Genomanalyse beim Menschen und für den Erhalt des Embryonen- schutzgesetzes einsetzt.
10.Wir halten die Beratung über eine pränatale Genomanalyse in den vorhandenen spezialisierten Zentren für sinnvoll, sehen aber die Notwendigkeit einer flächende- ckenden, regional zugänglichen Beratungsstruktur. Die Landesregierung wird gebe- ten, die Methoden und Verfahren der pränatalen Diagnostik als Wahlangebot für be- sondere Zielgruppen von der normalen Schwangerschaftsvorsorge räumlich und per- sonell zu trennen. Die Landesregierung soll sich dafür einsetzen, dass das Verbot der Präimplantationsdiagnostik im Rahmen der Gendiagnostik weiterhin Bestand behält.
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