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07.06.00 , 11:50 Uhr
FDP

Wolfgang Kubicki: Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen

F.D.P. L a n d t a g s f r a k t i o n Schleswig-Holstein 1 Christian Albrecht Pressesprecher
V.i.S.d.P.


F.D.P. Fraktion im Nr. 94/2000 Schleswig- Holsteinischen Landtag Landeshaus, 24171 Kiel Kiel, Mittwoch, 7. Juni 2000 Postfach 7121 Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497 Sperrfrist: Redebeginn E - Mail: fraktion@fdp-sh.de Internet: http://www.fdp-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!
Wolfgang Kubicki: „Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen“
In seinem Redebeitrag TOP 3 (Standardöffnungsgesetz) sagte der Vorsitzende der F.D.P.-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki:



Presseinformation „Um es gleich vorweg - und den unverbesserlichen Kritikern den Wind aus den Segeln - zu nehmen: Ja, die Idee für den Gesetzentwurf der F.D.P. zur Öffnung von Standards für öffentlich-rechtliche Körperschaften ist nicht neu. Sie ist deshalb aber nicht weniger aktuell!
Sie ist genauso wenig „neu“ aber aktuell wie die Tatsache, das die finanzielle Situation der öffentlichen Haushalte äußerst angespannt ist – und zwar seit Jahren. „Eigentlich“ wissen deshalb auch alle Fraktionen dieses Hohen Hauses, dass nur noch massive Einsparungen helfen können, um dieser Lage Herr zu werden. Doch „uneigentlich“ passiert gar nichts, schlimmer noch, in konstanter Regelmäßigkeit blockieren sie jegliche Einsparvorschläge, die die F.D.P. seit Jahren an dieser Stelle macht.
Das war bei den entsprechenden Vorschlägen der F.D.P. im Rahmen des Haushaltsstrukturgesetzes 1993 so, das war beim Haushaltsbegleit- gesetz 1996 so und das ist bei allen Haushaltsberatungen der letzten Jahre so gewesen.
Heute räumt selbst der Chef der SPD-Landtagsfraktion ein – ich zitiere aus den Kieler Nachrichten vom 9. Mai diesen Jahres: „Bereits 1994 habe die SPD-Fraktion beschlossen, Einschnitte vorzunehmen, dann aber auf Grund höherer Erwartungen bei den Steuereinnahmen einen Rückzieher gemacht.“ Und weiter wörtlich: „Das wir den Mut nicht hatten, hat sich Jahre später gerächt.“
Kompliment, werter Herr Kollege, für diese Einsicht. Ich hoffe nur, das Ihrer späten Erkenntnis, dass, - ich zitiere weiter - : „[sich] ein solcher Fehler ... angesichts der Aufgaben in dieser Legislaturperiode nicht wiederholen [dürfe]“, endlich auch Taten folgen. Denn es ist ja nicht so, dass die finanzielle Misere, in der sich die öffentlichen Haushalte heute befinden, nicht absehbar gewesen wäre- zumindest in ihrer Tendenz. 2 Nur hätte man auch hinsehen müssen – und entsprechend reagieren. Doch Fehlanzeige, diese Chance hat rot/grün vertan.
Die F.D.P. fordert sie alle hier im Hause daher heute erneut auf, endlich den Realitäten ins Auge zu schauen und einer konsequenten Sparpolitik wieder eine Chance einzuräumen – zwar spät, aber besser als nie. Unser Gesetzentwurf zur Öffnung von Standards für öffentlich-rechtliche Körperschaften bietet dazu die Gelegenheit. In der Kurzformel ausgedrückt beinhaltet er den Verzicht auf kostenintensive Gesetze und Verordnungen oder zumindest ihre Aussetzung bis zur Entspannung der Finanzlage. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Etwas anderes können wir uns, können sich die öffentlichen Körperschaften in Schleswig- Holstein schlicht nicht mehr leisten.
Die finanzielle Situation der öffentlichen Haushalte ist schlecht, sie ist vor allem für die öffentlichen Körperschaften geradezu alarmierend. Ohne massive Einsparungen wird sie sich nicht länger bewältigen lassen. Das liegt ganz wesentlich an der anstehenden Steuerreform. Die Zahlen schwanken zwar noch, vor einem halben Jahr war von einer halben Milliarde die Rede, dann von 750 Millionen, heute beziffert die Ministerpräsidentin die Deckungslücke bereits auf eine knappe Milliarde. Doch egal wie hoch die Zahlen, bereits heute steht fest, dass jedenfalls die Kommunen über die Verbundmasse mit 19 % beteiligt sein werden.
In dieser Situation ist es nicht länger hinnehmbar, dass das Land die Kommunen und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften auch noch mit zusätzlichen Kosten belasten will. Frei nach dem Motto, wenn wir schon kein Geld mehr haben, verschieben wir die Aufgaben eben auf die Kommunen, aber wir bestimmen nach wie vor wie etwas gemacht wird. Alles selbstverständlich „im Interesse der Betroffenen“ und „für die Menschen im Land“.
Doch so geht das nicht! Refinanzierung kann nicht bedeuten „Den letzten beißen die Hunde“.
Es macht keinen Sinn, den Kommunen immer mehr Aufgaben zu übertragen mit der immer gleichen Begründung, diese Aufgabe wäre bei ihnen nicht nur in guten sondern sogar in besseren Händen als beim Land, ihnen aber gleichzeitig nicht zuzutrauen, wie sie diese Aufgabe erfüllen sollen.
Eine Steigerung der kommunalen Effizienz wird sich durch eine solche Bevormundung jedenfalls nicht erreichen lassen.
Der „frikommuneforsök“ in Skandinavien hat das eindrucksvoll belegt. Er hat es den Kommunen ermöglicht, sich von gesetzlichen Regelungen und Verfahren freistellen zu lassen und selbständig Kosten und Leistung unter einen Hut zu bringen. Mit gutem Erfolg wie wir wissen.
Offenbar hat das Anke Spoorendonk bei ihrer gestrigen Presseerklärung übersehen – obwohl sie sonst alles hochhält, was aus Skandinavien stammt. Oder ist Schleswig-Holstein nur noch nicht reif für das skandinavische Freikommunen-Modell, weil hier nur gut ist, was rot/grün bestimmt- selbstverständlich mit Zustimmung des SSW? 3
Ich würde mir wünschen, diese Landesregierung wäre in ihren Überlegungen, wie sich Ausgaben senken lassen, ähnlich kreativ wie bei der Erschaffung neuer Abkassierformen.
Damit meine ich die neue Abgabe auf die Entnahme von Oberflächenwasser. Sie soll dem Land Erleichterungen von rund 50 Millionen Mark bringen. Hauptadressat sind bemerkenswerterweise die Kernkraftwerke Brokdorf, Krümmel und Brunsbüttel.
In der Not frisst der Teufel eben Fliegen: Nicht länger „Ausstieg aus der Atomenergie“ lautet die Devise. Rot/Grün müssen im Gegenteil von nun an alles dafür tun, dass bloß kein Tag in Schleswig-Holstein vergeht, an dem die Atomkraftwerke nicht laufen. Wer hätte das gedacht?
Erst wollte rot/grün jahrelang nicht wahr haben, dass das Wirtschaftswachstum in Schleswig-Holstein maßgeblich den hiesigen Kernkraftwerke zu verdanken ist. Jetzt sind sie auf die Kernkraftwerke auch noch deshalb angewiesen, damit ihr rot/grüner Haushalt nicht vollständig baden geht.
Dabei bestehen gegen die Abgabe, an der die Landesregierung hier strickt, durchaus ernstzunehmende Bedenken: Da wäre zunächst das politische Signal, das von so einer Abgabe ausgeht. In einem Zeitalter, in dem die Energiepolitik ohnehin nicht mehr Ländersache ist, sondern wesentlich von Europa und dem Bund bestimmt wird, können sich die Länder allenfalls noch über eine wirtschaftsorientierte Standortpolitik profilieren. Schleswig-Holstein praktiziert jedoch genau das Gegenteil. Denn eine Abgabe wie die neu geplante Oberflächenwasserentnahme- abgabe ist in hohen Maße standortfeindlich. Bereits deshalb gehört sie in die Mottenkiste.
Darüber hinaus ist die Abgabe auch rechtlich bedenklich. Entgegen anders lautenden Mitteilungen aus der Staatskanzlei laufen die vergleichbaren Verfahren in Niedersachsen noch – und zwar nicht nur der Höhe, auch dem Grunde nach, wie uns die Kläger versicherten. Die Landesregierung sollte deshalb vorsichtig sein, ihre künftige Finanzplanung von zumindest zweifelhaften Einnahmequellen abhängig zu machen. Schließlich waren die Erfahrungen, die das Land mit der Erhebung der Landesabfallabgabe machen musste, teuer genug.
Mit dem Entwurf für ein Standardöffnunggesetz verfolgt die F.D.P. abermals das Ziel, den bürokratischen, bürgerfeindlichen Gesetzen und Verordnungen die Giftzähne zu ziehen, die sich in erster Linie dadurch auszeichnen, kosten- und verwaltungsintensiv zu sein. Wir kommen um diese Einschnitte bei den gesetzlichen Leistungsverpflichtungen nicht länger herum. – Ganz abgesehen davon, dass ich persönlich es auch für wesentlich redlicher halte, auf Regelungen, die keinen Bestand mehr haben müssen oder dürfen, konsequenterweise zu verzichten oder sie zumindest auszusetzen, statt sie nur pro forma aufrechtzuerhalten und „suptoptimal“ zu erfüllen. In finanzpolitisch schwierigen Zeiten ist kein Raum mehr, es allen Recht zu machen. 4 Die F.D.P. lädt Sie daher ein, wieder realistische Landespolitik zu machen, die sich endlich von der Illusion verabschiedet, alles Mögliche noch finanzieren zu können. Die aber auch aufräumen will mit der Illusion, alles Mögliche vorschreiben zu müssen. Haben Sie endlich auch mal ein bisschen Vertrauen in die Selbstverwaltungssubstanz beispielsweise der Kommunalverwaltungen oder der Hochschulen. Trennen sie sich von der Vorstellung, dass allein Vorschriften selig machend sind, sei es bei den Kindertagesstätten, im Rettungswesen oder beim Brandschutz. Viel zu lange haben sie die öffentlichen Körperschaften damit bevormundet und mit erheblichen Kosten belastet.
Geben sie Raum, dass die öffentlichen Körperschaften wieder in die Lage versetzt werden, mit den ihnen zur Verfügung stehenden begrenzten Mitteln effizient zu arbeiten statt einen Verschiebebahnhof für Leistungen zu unterhalten. Lassen sie eine am Output orientierte Steuerung zu, statt länger auf der formellen Einhaltung von Normen zu bestehen.
Dabei gebe ich durchaus zu, dass es in der Tat ein eher ungewöhnlicher Schritt ist, nötige von unnötigen Vorgaben durch „learning by doing“ zu unterscheiden. Doch es ist der einzig gangbare Weg, nachdem es auch durch so wunderbare Einrichtungen wie den Bürokraten-TÜV nicht gelungen ist, auch nur eine kleine Schneise in das Dickicht aus Gesetzen und Verordnungen zu schlagen.
Im übrigen soll es nach unseren Vorstellungen der Landesregierung durchaus unbenommen bleiben, auf vermeintlich unverzichtbare Standards bestehen zu können – nur soll sie dann auch für die Kosten, die der öffentlichen Körperschaft daraus entstehen, aufkommen. Sie werden mir zustimmen, dass das ist auf der Grundlage des Konnexitätsprinzips nur konsequent ist: Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen.
Schließlich haben wir in unseren Gesetzentwurf eine Berichtspflicht aufgenommen, damit der Landtag regelmäßig Auskunft darüber erhält, welche Regelungen mit welchem Effizienzgewinn ausgesetzt wurden. Vor allem aber wollen wir erfahren, welche Vorschriften und/oder Standards aufgrund der Ergebnisse der Versuche für alle geändert oder abgeschafft werden können, weil sie sich im Einzelfall als überflüssig erwiesen haben.
Auch wir Liberale werden in der Landespolitik keine Wunder bewirken – es ist aber unser Ziel, sie gut vorzubereiten. Die finanziellen Rahmenbedingungen sind eng und sie hindern uns alle, viele noch so wünschenswerte Ziele umzusetzen. Haben Sie deshalb mit uns den Mut zu einer wirklichen politischen Schwerpunktsetzung und die Kraft zur Absage an politische Illusionen. Der rot/grüne Fehler, nicht Nein-Sagen zu wollen oder zu können, „darf sich angesichts der Aufgaben in dieser Legislaturperiode nicht wiederholen.“

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