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15.09.00 , 14:18 Uhr
FDP

Heiner Garg zum Tierschutz: "Sie haben auch eine Seele"

F.D.P. L a n d t a g s f r a k t i o n Schleswig-Holstein 1 Christian Albrecht Pressesprecher
V.i.S.d.P.


F.D.P. Fraktion im Nr. 183/2000 Schleswig- Holsteinischen Landtag Landeshaus, 24171 Kiel Kiel, Freitag, 15. September 2000 Postfach 7121 Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497 Sperrfrist: heute, 19.00 Uhr E - Mail: fraktion@fdp-sh.de Internet: http://www.fdp-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!
Heiner Garg: „Sie haben auch eine Seele“
Eröffnungsrede des tierschutzpolitischen Sprechers der F.D.P.- Landtagsfraktion, Dr. Heiner Garg, anlässlich des Themenabends „Sie haben ein Gesicht“ im Lübecker Rathaus:



Presseinformation „Wie passen Kunst und Tierschutz zusammen? Oder handelt es sich hierbei um Gegensätze, die sich manchmal anziehen?
Meine Damen und Herren, liebe Tierfreunde, liebe Tierschützer, aus meiner Sicht ist es zunächst einmal die hohe Kunst des Durchhaltens, des nicht Lockerlassens, des Festhaltens an Forderungen, die alle das Ziel verfolgen, in unserer hochentwickelten Industriegesellschaft, nicht zu vergessen, dass wir Menschen nicht alleine auf dieser Welt sind.
Ich habe übrigens absichtlich nicht das Wort zivilisiert benutzt.
Denn manchmal – ich will mich hier etwas vorsichtig ausdrücken – manchmal halte ich unseren Umgang mit Tieren für alles andere als zivilisiert.
Ohne diese Kunst des Durchhaltens, wenn es darum geht, unbeirrt und hartnäckig für die Rechte der Tiere einzutreten, wäre das, was wir Tierschutz nennen, längst am Ende.
Das Gegenteil ist der Fall.
Und das verdanken wir vor allem Frauen und Männern, die in zahlreichen Vereinen und Organisationen des Tierschutzes für etwas kämpfen, das eigentlich selbstverständlich sein sollte: Für die Rechte des Mitgeschöpfes Tier.
Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, dass ich hier nicht alle Tierschutzorganisationen namentlich nennen kann.
Stellvertretend für alle Vereine und Verbände möchte ich aber dem heute mitausrichtendem Bundesverband ‚Menschen für Tierrechte’ von Herzen für seine Arbeit danken. 2 Und gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang auch, dass ich stellvertretend für die vielen tausend aktiven Tierschützerinnen und Tierschützer Frau Bianca Nagorny und Frau Monika Nauruhn vom VGTV für ihr unermüdliches Engagement ebenso herzlich danke.
Nicht mehr – aber eben auch nicht weniger sind Tiere: Mitgeschöpfe.
Mitgeschöpfe, die wir weniger „beschützen“ müssten, wenn wir sie mehr respektieren würden.
Mangelndem Respekt gegenüber Tieren begegnen wir heute leider beinahe an jeder Ecke: Da ist der Vierjährige, der den Käfer einfach tottritt, statt ihn zu beobachten. Es ist vermutlich der selbe Vierjährige, der Schweine nur als Schnitzel aus dem Kühlregal kennt und für den Kühe lila sind und Schokolandeneier legen.
Da ist der Tierhalter, der zur Urlaubszeit seinen Stubentiger mal eben auf der Fahrt in den Süden auf der Autobahnraststätte aussetzt.
Da ist der sogenannte Tierliebhaber, der Schlangen, Echsen oder andere Exoten in viel zu kleine Behältnisse stopft und sich nie Gedanken über die tatsächlichen Bedürfnisse seiner Tiere gemacht hat.
Da ist der vermeintliche Vogelnarr, der seinen Sittich zu lebenslanger Einzelhaft bei Wasser und der immer selben Körnermischung in einem 50 cm Gefängnis auf dem Fensterbrett über der Heizung verdammt.
Da ist aber auch der Politiker, der einen tragischen Vorfall – aus welchem Grund auch immer – zum Anlass nimmt und gleich ganze Hunderassen zu menschenmordenden Bestien erklärt – obwohl die Bestie immer der Mensch ist, der das Tier auf widerlichste Art und Weise missbraucht hat, weil er es zur Waffe gemacht hat.
Und da ist der Politiker, tatsächlich waren es eine ganze Reihe, die bis heute nicht in der Lage sind, den Schutz unserer Mitgeschöpfe im Grundgesetz zu verankern.
Das alles sind – jedenfalls aus meiner Sicht Beispiele mangelnden Respekts gegenüber Tieren.
Lassen Sie mich auf drei Punkte etwas näher eingehen.
An erster Stelle steht für mich nach wie vor die Forderung, den Tierschutz als Staatszielbestimmung ins Grundgesetz aufzunehmen.
Nur so wird es in Zukunft möglich sein, eine Rechtsgüterabwägung treffen zu können, zwischen dem grundgesetzlich garantierten Recht der Freiheit von Forschung und Lehre oder auch dem Recht der Religionsfreiheit und den berechtigten Belangen des Tierschutzes. Dass diese Forderung heute immer noch erhoben werden muss, ist im Grunde genommen ein Skandal.
Ganz konkret führte die nach wie vor fehlende Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz dazu, dass quasi vor unserer Haustüre, hier in Schleswig-Holstein, Versuche an Affen ohne größere Probleme durchgeführt werden können.

Meine Damen und Herren, 3 ich verurteile diese Versuche aufs Schärfste.
Und ebenso wie ich mich nicht damit abfinden werde, dass es immer noch möglich ist Versuche an Lebewesen durchzuführen, deren genetisches Material zu über 98% mit unserem übereinstimmt, will ich mich damit abfinden, dass es immer noch nicht möglich sein soll, den Tierschutz in die Verfassung aufzunehmen.
Noch viel schwerer wird es werden, den Tierschutz in eine spätere Europäische Verfassung aufzunehmen.
Wie wichtig das aber ist, zeigt das folgende Beispiel – und hier will ich uns allen gerne den Appetit auf solche angebliche Köstlichkeiten verderben:
„Abnorme Erweiterungen der Speiseröhre und des Magens, schmerzhafte Verletzungen des Schnabels, Schwächung der Leberfunktion, Durchfall, pathologische Veränderung der Beinstellung, eingeschränktes Bewegungsvermögen und erhöhte Todesrate.“
Das sind die katastrophalen Folgen der grausamen Prozedur ‚Zwangsmast’ von Enten und Gänsen.
In Deutschland seit Jahren verboten, werden bis heute vor allem in Frankreich und Belgien die Vögel unter unvorstellbaren Qualen mittels maschineller Vorrichtungen zur täglichen Aufnahme von bis zu 1,2 kg ‚Energiefutter’ gezwungen. Nach 2 bis drei Wochen dieser Quälerei ist ihre Leber dann auf die 6 bis 10fache Größe angeschwollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
es geht überhaupt nicht darum, dass Tiere uns Menschen nicht als Nahrungslieferanten dienen – sei es in Form von Fleisch, Milch oder Eiern.
Es geht darum, dass wir achtlos und respektlos ausgerechnet mit jenen umgehen, die uns nutzen.
Das gilt für die unsäglichen Lebendschlachtviehtransporte kreuz und quer durch Europa,
das gilt für die Batteriehaltung von Legehennen,
das gilt für die Putenhaltung
– um nur drei Beispiele zu nennen.
Ein weiterer Punkt, der angesichts der aktuellen Situation aus meiner Sicht nicht nur am Rande gestreift werden darf: Noch vor wenigen Jahren wurde der Hund zum Haustier des Jahres gekürt.
Als Hundehalter kann ich das natürlich gut verstehen – auch wenn sich meine mittlerweile in die Jahre gekommene Rauhaardackel-Dame als Hausdrachen gebärdet.
Aber im Ernst, denn die Situation ist alles andere als spaßig.
Seit Jahrhunderten ist gerade der Hund Freund, treuer Begleiter, Wächter über Haus und Hof und Retter in der Not. 4 Bis heute vertreibt er nicht nur vielen einsamen Menschen die Zeit, ist Spielkamerad von Kindern oder Familien-Clown – sondern er ist Lebensretter, Drogenfahnder oder führt blinde Menschen sicher durchs Leben.
All dies scheint derzeit völlig in den Hintergrund gedrängt zu werden.
Statt dessen breitet sich eine Hysterie aus, die mittlerweile beinahe alles erfaßt, was vier Pfoten hat und irgendwie nach Hund aussieht.
Da ist die siebzigjährige Dame, die auf offener Straße angespuckt wird – weil sie eine 900 Gramm schwere Chihuahua-Hündin ausführt.
Da werden in Kiel und Lübeck Giftköder und mit Rasierklingen und Reißnägeln gespickte Futterköder ausgelegt.
Da werden Hunde mit Steinen beworfen, ihre Halter übel beschimpft und tätlich angegriffen.
Da werden Hunden die Ohren abgeschnitten, die Augen ausgestochen oder wie in Wiesbaden auf offener Straße mit Benzin übergossen und bei lebendigem Leib verbrannt.
Da werden namhafte Heimtierforscher, die sich offen gegen diese Hysterie wehren, Tag und Nacht bedroht. Die vom Innenminister dieses Landes geforderte ‚soziale Kontrolle‘ durch die Nachbarschaft habe ich einmal als Aufruf zur Denunziation bezeichnet.
Ich konnte oder wollte mir nicht vorstellen, dass es noch schlimmer kam: Was wir über die Sommermonate erleben mussten war schlimmer: Das war Selbstjustiz.
Meine Damen und Herren,
es geht nicht darum, dass Menschen nicht vor gefährlichen Hunden geschützt werden müssen. Das ist selbstverständlich.
Es geht auch nicht darum – wie in letzter Zeit immer wieder behauptet wird – Tierschutz über den Schutz von Menschen stellen zu wollen.Es muss in erster Linie darum gehen, dass Menschen wirksam vor Menschen geschützt werden, die Hunde missbrauchen, indem sie sie zu Waffen ausbilden.
Kein Hund erzieht sich selbst zum Kampfhund. Kein Hund wird als blutrünstige Bestie geboren. Dahinter steht immer ein Mensch!
Wir brauchen keine Gefahrhunde-Verordnungen mit mehr oder weniger willkürlich zusammengewürfelten Rasselisten, wir brauchen den wirksamen Schutz vor Menschen, die Hunde dazu missbrauchen andere Menschen oder Tiere zu bedrohen, sie zu verletzten oder gar sie zu töten.
Ein erster Schritt hierzu wäre die weniger lückenhafte Überwachung und der konsequente Vollzug bestehender Gesetze.
Das Gesicht, das in den vergangenen Monaten von Hunden gezeichnet wurde, war immer wieder dieselbe hässliche zähnefletschende Fratze.
Unsere Nutztiere, ob Rinder, Schafe, Schweine oder Hühner sind in der öffentlichen Wahrnehmung schon lange gesichtslos. 5 Jeder, der mit Tieren zusammenlebt, auf ihre Bedürfnisse eingeht, sie respektiert, weiß aber, Tiere haben nicht nur ein Gesicht, sie haben auch eine Seele.
Eine Seele, auf der wir Menschen immer wieder achtlos herumtrampeln.
Gehen Sie in den Tierpark dieser Stadt, versuchen Sie den Menschenaffen in die Augen zu schauen und Sie werden von Menschen gebrochene Seelen entdecken.
Der heutige Abend soll auf ganz besondere Art und Weise dazu beitragen, aufzurütteln, uns vor Augen führen:
Unsere Tiere haben ein Gesicht! Und es sollte uns nicht Last sondern Lust sein, mit dafür Sorge zu tragen, dass es fröhlichere Gesichter werden – gleich ob Schoßhund oder Henne.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
hoffentlich ist Ihnen nicht aufgefallen, dass ich Ihnen eine Antwort auf die Frage schuldig geblieben bin: Wie passen Kunst und Tierschutz zusammen?
Niemand könnte diese Frage besser beantworten, als die Künstlerin selbst.
Ich freue mich daher sehr, das Wort an Frau Carolin Beutelrock weitergeben zu dürfen.
Ihnen, liebe Frau Beutelrock, ein herzliches Dankeschön für diesen mutigen Vorstoß, sich für den Tierschutz einzusetzen.
Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
Uns allen wünsche ich einen angenehmen und interessanten Abend.
Herzlichen Dank.“

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