Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

28.09.00 , 13:08 Uhr
SPD

Gudrun Kockmann-Schadendorf zu TOP 6: Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente

Sozialdemokratischer Informationsbrief


Landtag Kiel, 27.09.00
aktuell Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn



Gudrun Kockmann-Schadendorf zu TOP 6:

Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente


Das Thema Zwischenlagerung von Brennelementen, auf das ich gleich eingehen wer- de, ist an Aktualität kaum zu übertreffen. Wenn vor diesem hohen Hause Demonstran- ten aufziehen, um gegen steigende Ölpreise zu protestieren, so zeigt dies nicht nur die Betroffenheit der Bürger, sondern mehr als deutlich, wie wichtig eine zukunftsorientier- te Energiepolitik ist.

Denn die derzeitige Situation ist ja nicht, wie es uns die Opposition glauben machen möchte, Ergebnis einer gewissen Form der Steuergesetze, sondern im Wesentlichen durch eine aus Angebot und Nachfrage resultierende Preiserhöhung, einhergehend mit einer schwachen Bewertung des Euro zum Dollar. Beim Euro können wir auf eine Entspannung der Situation hoffen, da die wirtschaftlichen Daten dies erwarten lassen. Doch bei der Knappheit der fossilen Brennstoffe, hier in Form des Rohöls, ist eine Än- derung nicht in Sicht, da der Energieverbrauch der Industrienationen und der aufstre- benden Volkswirtschaften – ich erwähne nur das riesige China – eher Schlimmeres als Besseres befürchten lässt.

Das macht ganz deutlich: Wenn unsere Volkswirtschaft nicht schweren Schaden neh- men soll, brauchen wir die Energiewende, die von der Bundesregierung eingeleitet wurde und die wir im Lande positiv und konsequent begleiten. Wir müssen weg von Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion und SPD-Landesvorstand Verantwortlich: Manfred Schröder Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



den fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien – und wir müssen weg von unbeherrschbaren Techniken, hin zu innovativen und umweltfreundlichen Lösungen.

Ein Meilenstein dieser Energiewende ist der geregelte Ausstieg aus der Kernenergie- nutzung. Er wird flankiert vom Gesetz über erneuerbare Energien. Mit seiner Hilfe wir- ken wir mit an einem eindrucksvollen Schwenk, der sich momentan vor unseren Augen vollzieht, dem Schwenk hin zu den regenerativen Energien. Wir in Schleswig-Holstein haben mit der Förderung der Windkraft ein sichtbares Zeichen gesetzt und machen in stark zunehmendem Maße auch die Energiegewinnung aus Biomasse zum Thema.

Auf die Frage nach der Sicherheit der Atomenergie will ich nicht weiter eingehen. Die Vorfälle in einem Hochtechnologie-Land wie Japan in jüngerer Zeit haben gezeigt, wie wichtig der Ausstieg aus dieser Technik ist. Da muss man Tschernobyl mit seinen na- hezu regelmäßigen Zwischenfällen gar nicht erwähnen. Der beschlossene Ausstieg aus der Kerntechnologie bringt zwingend die ungelösten Fragen der Zwischen- und Endlagerung auf den Tisch.

Das bisherige Konzept für die Entsorgung radioaktiver Abfälle ist inhaltlich gescheitert. Im Rahmen des Ausstieges aus der zivilen Nutzung der Atomenergie zur Stromerzeu- gung wird daher ein neuer nationaler Entsorgungsplan für radioaktive Abfälle erarbei- tet.

Unser Ziel ist es, dass etwa bis zum Jahr 2030 ein nationales Endlager in tiefen geolo- gischen Formationen für alle Arten von radioaktiven Abfällen zur Verfügung stehen soll.

Aufgrund der begründeten Zweifel an der Eignung des Salzstockes in Gorleben wer- den die dortigen Erkundungen für eine zu bestimmende Zeit ausgesetzt und weitere Standorte in unterschiedlichen Wirtsgesteinen auf ihre Eignung untersucht. Nach Ab- schluss aller Untersuchungen wird in einem objektiven Standortvergleich gemäß dem -3-



neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis und der tatsächlich anfallenden Ab- fallmengen die Auswahl zu treffen sein.

Bis zur Inbetriebnahme eines geeigneten Endlagers sollen die abgebrannten Brenn- elemente in standortnahen Zwischenlagern aufbewahrt werden, um so die Zahl der Transporte von hochradioaktivem Abfall auf das unbedingt Erforderliche zu begrenzen. Zwischenlager werden nicht, ich betone: NICHT, zum Zweck der Endlagerung genutzt.

Betreiber nahe beieinander liegender Kraftwerke können gemeinsame Zwischenlager in der Nähe der Kernkraftwerksstandorte errichten und diese Lager gemeinsam nut- zen.

Bei allen Atomkraftwerken muss sichergestellt sein, dass ausschließlich Standort- Brennelemente gelagert werden. § 6 Atomgesetz schreibt hier vor, dass für die Zwi- schenlagerung von Kernbrennstoffen nur die Masse an Kernbrennstoffen genehmigt wird, für die vom Antragsteller ein Bedürfnis nachgewiesen wird. Stehen die Restlauf- zeiten der einzelnen Kraftwerke endgültig fest, werden sie bei der genehmigungsrecht- lichen Prüfung des Bedürfnisses nach § 6 AtG berücksichtigt.

Derzeit besteht keine gesetzliche oder sonstige Pflicht zur Errichtung von standortna- hen Zwischenlagern. Die meisten Betreiber von Kernkraftwerken haben mit Blick auf die tatsächliche Situation der Abfall- und Brennelemente-Transporte aber bereits von ihrem Recht Gebrauch gemacht, solche zu beantragen.

Ich meine, wir sollten in Schleswig-Holstein diese Aktivitäten unterstützen. Denn wer zuerst Know-how auf diesem Gebiet erwirbt und auf dem Gebiet der weltweit notwen- digen Rückbautechnik für AKWs, wird dieses Know-how vermarkten können. Damit einher geht die Schaffung entsprechender Arbeitsplätze. Die Rückbauten in Greifswald weisen hier deutlich den Weg. -4-



Wir sehen also in der Energiewende und den sie begleitenden technischen Anforde- rungen eine riesige Chance für unsere Wirtschaft und unsere Bürger.

Die notwendigen Grundsatzentscheidungen für standortnahe Zwischenlager und die entsprechenden Atomrechtsänderungen hat die Bundesregierung schon getroffen. Für die Genehmigung der im Einzelnen beantragten Zwischenlager ist nun, wie Sie meine Damen und Herren wissen, das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter zuständig.

Wenn das Konzept standortnaher Zwischenlager erst umgesetzt ist, werden die Atom- transporte minimiert werden können.

Die Verbote von Castor-Transporten durch die frühere Umweltministerin Angela Mer- kel zeigen, dass bis vor kurzem nicht alle Teile der CDU die bestehenden Sicherheits- bedenken vom Tisch wischen wollten.

Die vorliegenden Anträge der AKW-Betreiber sprechen dafür, dass auch die Industrie bereit ist, standortnahe Zwischenlager als Bausteine des Entsorgungskonzeptes zu er- richten und zu betreiben.

Diese Regelung steht – wie schon erwähnt – in enger Verbindung mit den Bemühun- gen, ein nationales Endlager in tiefen geologischen Formationen zu finden und zu er- richten. Und für die Sicherheit der Zwischenlager wird in dem einschlägigen Gesetz und den Genehmigungsverfahren nach den bereits vorgestellten Kriterien Sorge ge- tragen werden. Aufbauend auf seiner Zuständigkeit für die atomrechtliche Aufsicht wird unser Energieminister die Zwischenlager sorgfältigst kontrollieren. Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Bis wir ein Endlager haben, sind zeitlich begrenzte Standort- Zwischenlager einfach die einzige Alternative zu Atomtransporten. Sie sind ein Ele- ment, um das Jahrhundertproblem des Atommülls anzugehen und nicht, um es weiter- hin zu leugnen, wie es die alte Bundesregierung beharrlich getan hat. -5-



Der Schriftsteller Rolf Hochhuth gibt in einem seiner Bücher die Lebensweisheit wie- der: „Einsichten sind das Eine und Konsequenzen selten ihre Folge“.

Meine Damen und Herren, das ist weise gesprochen, doch diese Denkweise können wir uns bei der Energiewende und dem Atomausstieg nicht leisten.

Es fällt in diesen Tagen wahrlich nicht schwer, die Einsicht einer dringend notwendigen Energiewende auch wirklich zu verinnerlichen, nun lassen Sie uns gemeinsam auch konsequent darauf hinarbeiten. Wir als Regierungsfraktion tun dies jedenfalls und wer- den es weiterhin tun.

Download PDF

Pressefilter

Zurücksetzen